Название | Zwanzig Monate in Kriegsgefangenschaft |
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Автор произведения | Bernhard Domschcke |
Жанр | Документальная литература |
Серия | Zeitzeugen des Sezessionskrieges |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738086881 |
Dieser Artikel zeigt zur Genüge, wie nahe dem Barbarentum der "Adel des Südens" stand. Edward A. Pollard, der Redakteur des "Examiner", fiel später als Gefangener in unsere Hände und erhielt reguläre Rationen, wurde nach Verlauf einer kurzen Zeit freigelassen und konnte in Brooklyn frei umhergehen, bis er sich wieder in den Süden aufmachte. So behandelte unsere Regierung den gefühllosen Menschen, der unsere Soldaten verhöhnte, weil sie, vom Hunger gequält, Hunde aßen.
Zuerst ging der Chef der "königlichen Familie" nach Belle Island, aber natürlich wusste er nichts von den Leiden der Gefangenen. Die Beamten, berichtete er uns, täten für die Gefangenen, was sie könnten. Später besuchte aber der General Neal Dow die Insel und von ihm erfuhren wir die schreckliche Wahrheit. Er verschwieg nichts, sondern erzählte uns, wie der Hunger die Gefangenen martere, wie es ihnen an Kleidungsstücken und jedweder Behausung fehle und wie sie sogar körperlichen Misshandlungen seitens der Rebellenwachen ausgesetzt seien. Turner erfuhr, dass der General uns von allem in Kenntnis gesetzt hatte und von diesem Tage an durfte er die Insel nicht mehr besuchen. Sanderson konnte nach wie vor hinübergehen. General Neal Dow kam ein paar Monate nach unserer Ankunft im "Libby" an und zwar aus Alabama, wo er bereits längere Zeit gefangen gehalten worden war. Da er den Ruf eines Fanatikers hatte, so waren wir anfangs auf seine Bekanntschaft nicht sonderlich gespannt, wurden aber freudig überrascht, als wir ihn kennenlernten. Zwar war er allerdings ein eingefleischter Temperenz-Apostel und sein Gedankenkreis schien sich fast ausschließlich um dieses Kapitel zu drehen, aber er war ein patriotischer, genügsamer und wohlmeinender Mann, den man respektieren musste. Er ging im "Libby" überaus schlicht einher und war in seinem Benehmen und seiner Lebensweise das gerade Gegenteil von den Mitgliedern der "königlichen Familie". Ich erinnere mich sehr wohl, wie er mit einem kleinen Blechkessel am Ofen in der Küche stand, um sich seine Bettelmannssuppe selbst zu kochen; er lebte meist wie die Ärmsten von uns und verschmähte jede Anmaßung von Autorität. Seine Temperenz-Manie konnte er freilich nicht lassen. Obschon es im "Libby" kaum am Platze war, zur Enthaltsamkeit zu mahnen, denn wir hatten nichts zu trinken als Kanalwasser, so ließ Neal Dow doch zwei Temperenz-Reden vom Stapel. Auf den Einwand, dass dieselben von wenig praktischem Nutzen sein würden, antwortete der alte Herr, dass sie trotzdem nützen könnten, denn es würde sich jeder vielleicht etwas merken, was ihm in späteren Zeiten von Vorteil sein könnte. Neal Dow war ein Mann von einer einzigen Idee, aber er verfolgte dieselbe konsequent und glaubte an sie.
Kapitel VI
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Ein Winter im "Libby" – "Frischer Fisch" – Musik und Theater – Die Küche – Die Sanitätskommission – Hunger überall
Der Herbst nahte bereits seinem Ende und noch wussten wir nichts Definitives über einen Austausch. Wir lasen die Korrespondenzen zwischen Meredith und Ould mit großer Begierde, denn wir glaubten, in denselben vielleicht eine Andeutung zu finden, welche uns zu neuer Hoffnung berechtigen könnte, aber die genaueste Prüfung und die kühnste Interpretation ergab nichts zu unserem Troste. Beide Herren stritten sich um Zahlen, wie zwei Rechenschüler um eine Lektion; jeder hatte nach der Ansicht des andern einen Additions- oder Subtraktionsfehler gemacht, welchen sie sich gegenseitig mit Bosheit oder Grobheit vorwarfen. Anfangs glaubten wir, dass die Differenz in der Zusammenzählung der Gefangenen und auf Ehrenwort Entlassenen das einzige Hindernis sei, welches dem Austausche entgegenstehe, aber endlich kamen wir zu der Überzeugung, dass das Kartell, über welches man sich im Jahre 1862 verständigt hatte, einen unheilbaren Bruch erlitten habe und man sich mit Vorbedacht nicht einigen wolle. In dieser Zeit wurde zuerst der Gedanke ausgesprochen, dass wir für die Dauer des Krieges in Gefangenschaft gehalten werden würden. Einige Notizen in nordstaatlichen Zeitungen, wonach Präsident Lincoln geäußert haben sollte, die Zeit zu einem allgemeinen Austausch sei noch nicht gekommen, bestärkten uns in jener Meinung, welche leider keine irrtümliche war. Natürlich folgten wir allen militärischen Bewegungen mit umso größerer Spannung, denn außer dem allgemeinen Interesse war speziell das unsrige mit dem Erfolge verknüpft; je eher die Rebellion unterdrückt wurde, desto näher rückten wir dem Tage unserer Befreiung. Aber leider war in jener Zeit nicht viel Gutes und Ermutigendes zu entdecken; General Meade rückte zwar mit der Army of the Potomac vorwärts, kehrte aber bald wieder über den Rappahannock River zurück und da der Winter vor der Türe stand, konnte man einen neuen Feldzug nicht erwarten. So machten wir uns mit dem Gedanken vertraut, dass wir sicher den Winter in der Gefangenschaft zubringen würden. Vielleicht sollte uns der Frühling des Jahres 1864 die Freiheit bringen.
Im Oktober trafen die Offiziere ein, welche in der Schlacht am Chickamauga Creek gefangen worden waren; ihre Zahl war groß und der Ruf "Frischer Fisch!" wollte kein Ende nehmen. Es war nämlich Sitte geworden, jeden neuen Ankömmling mit diesem Rufe zu begrüßen, welcher die Neuen gewöhnlich in Verwunderung versetzte, weil sie die Bedeutung des Ausrufs nicht kannten. Sobald sich ein neuer Ankömmling am Tore oder im unteren Stockwerke sehen ließ, rief der erste, der ihn erblickte, mit lauter Stimme: "Frischer Fisch!" und sofort wurde der Ruf in allen Sälen wiederholt. Sobald der "frische Fisch" die Treppen erstiegen hatte, wurde er umlagert und mit den üblichen Fragen bestürmt: Welches Regiment? Welches Corps? Wo wurde er gefangen? Wie lautete sein Name? In vielen Fällen waren die "frischen Fische" durch den eigentümlichen Empfang so verdutzt, dass sie die mit hastiger Neugierde gestellten Fragen kaum beantworten konnten. Manchmal erfuhren wir von den neuen Ankömmlingen sehr interessante Dinge, doch oft auch nichts und dann wurde mit Naserümpfen bemerkt: "Der frische Fisch weiß nichts." Als die Neuen von Chickamauga kamen, gab es, wie bereits erwähnt, einen großen Fischzug, sodass alle Säle des "Libby" gefüllt waren und die zu ebener Erde befindlichen Räumlichkeiten nebst dem Keller uns zur Verfügung gestellt werden mussten. In den unteren Räumen wurde von dieser Zeit an gekocht. Ehe die Offiziere von Chickamauga kamen, waren bereits Gefangene, einzeln oder in kleinen Grüppchen, aus allen Richtungen eingetroffen, darunter auch die Offiziere der beiden Kanonenboote "Satellite" und "Reliance", welche am Ausflusse des Rappahannock River auf schmachvolle Weise den Rebellen in die Hände gefallen waren. Im unteren Mittelsaal, welcher nebst dem unmittelbar darüber gelegenen den Offizieren von Chickamauga eingeräumt wurde, befanden sich bis zum Spätherbst die Zivilisten, welche bei Gettysburg und an anderen Orten gefangen worden waren. Diese Leute waren der unmenschlichsten Behandlung ausgesetzt. Durch ein Loch im Fußboden, welches sorgsam verdeckt wurde, damit der Spürhund Turner es nicht auffinden konnte, hielten wir Kommunikation mit diesen armen Opfern der Rebellengrausamkeit. Sie erhielten fast gar keine Speise, oft nur ein wenig Reis- oder Bohnensuppe, in welcher sich zahllose Würmer befanden; sie litten Mangel an Wasser und wurden von Ungeziefer schrecklich geplagt. Alles, was sie besaßen, hatte man ihnen genommen, sodass sie nichts hätten kaufen können, selbst wenn ihnen dies gestattet gewesen wäre. Sie riefen uns oft dringend um Hilfe an und wenn wir konnten, ließen wir ihnen durch jene Öffnung Esswaren zukommen, namentlich Brot, welches jedoch in kleine Stücke zerschnitten werden musste, da die Öffnung im Fußboden nicht groß war. Später wurden die Armen forttransportiert, ich weiß nicht wohin; wahrscheinlich nach "Castle Thunder", einer weiteren Marterburg in der Nähe des "Libby", in welcher die grauenhaftesten Szenen sich ereignet haben sollen. Die Gesellschaft im "Castle Thunder" war eine sehr buntgemischte und bestand aus nordstaatlichen Zivilisten, südstaatlichen Unionsanhängern, Deserteuren, Schwindlern, Soldaten, welche das Ehrenwort ihrer Entlassung gebrochen hatten und dergleichen mehr. Auch Frauen waren im "Castle Thunder" eingesperrt. Kommandeur dieses Gefängnisses war ein gewisser Captain Alexander.
Im November begann es bereits, empfindlich kalt zu werden und wir suchten uns