Zwanzig Monate in Kriegsgefangenschaft. Bernhard Domschcke

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Название Zwanzig Monate in Kriegsgefangenschaft
Автор произведения Bernhard Domschcke
Жанр Документальная литература
Серия Zeitzeugen des Sezessionskrieges
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783738086881



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zugunsten der Rebellen unterzeichnet und gehörte ebenfalls zur "königlichen Familie", deren Mitglieder stets Zutritt zu den Beamten hatten und sich verschiedener Privilegien erfreuten, die ihren Komfort erhöhten. Sanderson war es erlaubt, die Stadt zu besuchen, wenn er es wünschte und wo immer eine Vermittlung zwischen Offizieren und den Libby-Beamten notwendig war, war es die "königliche Familie", welche mit vornehmer Würde diese Geschäfte versah und uns gelegentlich ihre Geringschätzung fühlen ließ. Verschiedene ehrvergessene Offiziere dienten der "Familie" als Burschen und Handlanger und fanden augenscheinlich große Befriedigung darin, an der in der Regel gut besetzten Tafel der Familie sitzen zu dürfen und ein anerkennendes Wort oder ein gnädiges Lächeln für ihre Laufburschendienste zu erhaschen. Sanderson verlor täglich an Achtung und musste schließlich auf seine Stellung als "Küchendirektor" verzichten, hielt sich aber in der Gunst der Rebellen, jedenfalls durch treue Dienste, bis er im März 1864 ausgetauscht wurde.

      Die Rationen verminderten und verschlechtern sich allmählich. Zuerst wurde anstatt des Weizenbrotes Maisbrot geliefert und das Fleisch wurde mit der Zeit seltener. Anstatt des Fleisches erhielten wir Süßkartoffeln oder Weißkraut, wobei letzteres sehr oft in fauligem Zustande war. Ich erinnere mich mehrerer Tage während des Herbstes von 1863, an welchen wir nichts erhielten, als einen kleinen Laib Maisbrot und die Hälfte einer Kartoffel von mäßiger Größe. Auch begannen bereits um diese Zeit die berühmten Reis- oder Bohnenrationen. Jeder erhielt drei oder höchstens vier Esslöffel voll Reis oder zwei bis drei Löffel voll kleiner, sehr oft wurmstichiger Bohnen. Diejenigen, die Geld hatten, konnten sich einigermaßen helfen, aber bei vielen begannen die Barvorräte zu schwinden und die Preise stiegen immer höher, je näher der Winter rückte, bis sie endlich eine enorme Höhe erreichten. Unter diesen Umständen kam uns die Erlaubnis höchst erwünscht, Kisten von unseren Freunden und Verwandten im Norden bestellen zu können. Turner verlas eine Order, wonach es jedem gestattet war, sich Kisten mit Kleidungsstücken und Esswaren zu bestellen; Spirituosen standen auf der Liste der verbotenen Waren. Die Freude war groß, als die erste Ladung von Kisten auf einem Kanalboote von City Point anlangte, obschon die Wenigsten Zuwendungen erhielten. Die Kisten wurden vom Boote zu einem Warenhause gebracht, geöffnet und untersucht und nach Verlauf einiger Tage an der Haupttüre auf der Nordseite des "Libby" abgeliefert, nachdem der Empfänger eine Quittung ausgestellt hatte. Jeder hatte auf Treu und Glauben hin zu quittieren, wenn sich auch der volle Inhalt der Kiste nicht vorfand. Außer Kleidern und Schuhwerk waren in den Kisten hauptsächlich Schinken, getrocknetes Gemüse, Früchte und dergleichen sowie Lektüre enthalten. Letztere kam uns allen sehr gelegen; die übersandten Drucksachen waren die ersten, welche wir seit langer Zeit aus dem Norden erhielten. Das, was die Rebellenzeitungen aus nordstaatlichen Blättern mitteilten, war meistens nur der "New York World" und der "Chicago Times" entlehnt, Blättern, deren Gesinnung uns verächtlich war und deren Glaubwürdigkeit mit Recht bezweifelt wurde. Die übersandten Zeitungen zirkulierten von einem zum andern und kein Artikel und keine Anzeige blieb ungelesen. Einige erhielten auch jene kleinen, billigen Jagd-, Räuber- und Schaudergeschichten, welche in New York und Philadelphia in großer Menge erschienen und einen würdigen Platz neben der deutschen Schinderhannes-Literatur finden. Vielen von uns war es wahrscheinlich niemals zuvor eingefallen, Unterhaltung in derartigen Erzählungen zu suchen, aber in Zeiten der Not waren selbst diese Münchhausiaden, Eulenspiegeleien und Mitternachtsstücke eine Erfrischung für den lechzenden Geist. Man amüsierte sich dann an den grimmen Bärenjägern von "Old Kentucky", an den blutdürstigen Piraten auf dem Mississippi, an den verschmitzten Pferdedieben in Arkansas und an den grauenhaften Indianer-Metzeleien. Wenn dann noch ein sentimentales Liebespaar, welches mit einem Schuft von Intriganten zu kämpfen hatte, recht plump dargestellt wurde, wenn am Ende außer dem Liebespaar alle, der Schuft mit eingeschlossen, auf verschiedene Weise ums Leben kamen und neben den Leichen Hochzeit gefeiert wurde, so gewährte dies großes Vergnügen.

      Nachdem anfangs die Kisten pünktlich ausgeteilt wurden, hatten wir später viel Verdruss mit diesen Sendungen und die Rebellen befriedigten ihre alten Diebesgelüste auf das Eklatanteste. Die Kisten wurden im dem "Libby" gegenüberliegenden Warenhause erbrochen und die Rebellen eigneten sich oft mehr als die Hälfte des Inhaltes an. Später schikanierten sie uns, indem sie die Ablieferung der ausgeraubten Kisten auf jede nur mögliche Weise verzögerten. Eines Tages kam eine große Ladung auf dem Boote an; jeder war begierig, zu hören, ob er eine Kiste zu erwarten habe, denn bereits hing es bei vielen von diesen Sendungen ab, ob sie zu hungern hatten oder nicht, aber es war keine Kiste an der Türe des "Libby" zu erblicken. Es wurde nachgefragt, aber wir erhielten keine Antwort; Tage und Wochen vergingen, aber noch immer wurde uns unser Eigentum vorenthalten. Endlich kam die Anzeige, dass wir uns bereit halten sollten, die Kisten in Empfang zu nehmen. Dieselben wurden gebracht, aber in welchem Zustande befanden sich die darin enthaltenen Artikel! Erstens waren die meisten Kisten beinahe ganz ausgeplündert und was die Raubgier der Rebellen noch übrig gelassen hatte, war im Zustande völliger Fäulnis. Der üble Geruch war im Warenhause so arg geworden, dass die Rebellen endlich beschlossen hatten, die Kisten zu schicken. Die Turners waren so gemein, uns die Artikel zu geben, nachdem dieselben unbrauchbar geworden waren. Im Spätherbst 1863 schickte unsere Regierung eine große Partie militärischer Kleidungsstücke für uns und die Gefangenen auf Belle Island, aber auch von dieser Sendung, welche so überaus gelegen kam, weil es anfing, kalt zu werden und wir alle und namentlich die Soldaten auf der Insel Mangel an Bekleidung litten, wurde eine beträchtliche Menge, besonders von Mänteln, gestohlen. Der Diebstahl war so enorm, dass selbst die Rebellenzeitungen davon Notiz nehmen mussten; sie teilten mit, dass man plötzlich sehr viele Personen in blauen Mänteln habe erscheinen sehen, welche wahrscheinlich von dem Kanalboote entwendet worden wären. Die konföderierte Regierung habe Auftrag gegeben, diese Angelegenheit zu untersuchen, worauf die Mäntel plötzlich verschwunden seien. Man habe dieselben zu den Färbern gebracht und schwarz färben lassen. Damit hatte die Sache ihr Bewenden; von einer Untersuchung war nie mehr die Rede. Der Diebstahl gehörte mit zum innersten Wesen der Rebellion und dass die Rebellen die rücksichtslosesten Diebe waren, geht daraus hervor, dass sie die Gefangenen bestahlen. Die Rebellen hätten die Pflicht gehabt, ihre Kriegsgefangenen nach besten Mitteln zu nähren und zu kleiden, wie unsere Regierung die Rebellengefangenen nährte und kleidete, aber sie fügten zu dieser groben Pflichtversäumnis auch noch das Verbrechen hinzu, dass sie den Gefangenen das stahlen, was denselben von ihrer Regierung oder ihren Familien und Freunden zur Linderung ihrer Leiden geschickt wurde.

      Von Belle Island erhielten wir nur spärliche Nachrichten, bis es einigen Offizieren gestattet wurde, sich zwecks der Austeilung von Gegenständen auf die Insel zu begeben. Dass dieselbe ein abscheulicher Platz war, erfuhren wir zufällig aus den Rebellenzeitungen selbst. General Winder, der bereits erwähnte Oberkommandant der militärischen Gefängnisse, hatte nämlich bei dem Stadtrat von Richmond um Überlassung des Armenhauses nachgesucht, um Gefangene und Verwundete in demselben unterzubringen. Als die Angelegenheit im Stadtrate zur Sprache kam, bemerkte ein Mitglied desselben, dass man dem Verlangen des Generals unmöglich entsprechen könne, da Belle Island der armseligste und ungesündeste Platz in der Stadt sei. Die Zeitungen veröffentlichten diese Verhandlungen, welche genügten, uns von der traurigen Lage unserer Soldaten zu überzeugen. Die mit uns in Gettysburg gefangenen Soldaten hatten die Strecke von Staunton nach Richmond, die wir per Eisenbahn zurückgelegt hatten, – ungefähr 200 Kilometer – marschieren müssen und waren im August auf Belle Island angekommen. Anfangs erhielten sie regelmäßige, obschon kleine Rationen, aber ungefähr um dieselbe Zeit, als wir im "Libby" nur noch sehr wenig erhielten, wurden auch ihre Rationen auf das Minimum geschmälert und bald herrschte so große Hungersnot auf der Insel, dass unsere Soldaten Mäuse, Ratten und Hunde schlachteten und heißhungrig verzehrten. Selbst einen verstockten und hartherzigen Menschen hätte dieses Elend unserer Soldaten erweichen müssen, aber die Rebellen ließen sich in ihrer unerhörten Tyrannei nicht beirren, sondern verhöhnten die armen Unglücklichen noch, wie aus folgendem Artikel des "Examiner" hervorgeht:

      "WARNUNG FÜR HUNDE. – Einer Mitteilung eines Bürgers zufolge, welcher uns über diese Angelegenheit schreibt, ist Belle Island, der Sammelplatz der Yankee-Gefangenen in Richmond, sehr gefährlich für Hunde, besonders wenn sich dieselben in gutem Zustande befinden. Die Yankees essen die Hunde und dies weiß unser Korrespondent aus Tatsachen, die zu seiner Kenntnis gekommen sind. Verschiedene Herren haben jüngst auf dieser einsamen, öden Insel ihre lieben Gefährten verloren und unser Korrespondent