Vergiss nicht, mich zu lieben. Nicole Beisel

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Название Vergiss nicht, mich zu lieben
Автор произведения Nicole Beisel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738034776



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Kontakt ist wiederhergestellt, das Band, das einst zerriss, wurde wieder zusammengeknüpft. Und meine Gefühle fahren Achterbahn. Innerlich schimpfe ich mich, weil ich doch mit Sam zusammen bin, und Timothy ist ebenfalls nicht mehr frei. Außerdem habe ich Timothy damals aus freien Stücken verlassen. Natürlich hat er mir sehr wehgetan, aber ich habe wohl nie ganz aufgehört, ihn zu lieben.

      „Danke, das werde ich. Du kannst dich auch melden, wann immer du willst.“ Timothy lächelt und sieht dabei sehr glücklich aus. Er hat wieder diesen liebevollen Blick in seinen Augen, der mich schon so oft dahinschmelzen ließ. Wie konnte ich all das damals nur vergessen?

      Schweigen füllt die wenigen Zentimeter, die uns nun nur noch voneinander trennen. Ich betrachte ihn, als würde ich ihn zum letzten Mal sehen. Seine Augen, seine Nase, sein Mund. Sein Mund … Noch ehe ich weiter darüber nachdenken kann, berühren sich unsere Lippen. Ganz sanft, zögerlich, fragend. Feuerwerke blitzen vor meinem inneren Auge auf, mir wird heiß und alles um mich herum dreht sich.

      Wie die Drehtür des Hotels, und ohne darauf zu achten, wer gerade eintritt, habe ich mich in der Vergangenheit verloren.

       Samuel

      Ich sehe was, was du nicht siehst

      Das darf doch nicht wahr sein! Diese verlogene Schlange. Wusste ich’s doch, die hatten bestimmt mal was miteinander, die beiden. Tja, gleich und gleich gesellt sich gern, nicht wahr? Einfach so ihre Partner zu hintergehen. Da scheinen die beiden aus dem gleichen Holz geschnitzt zu sein. Knutscht der Typ einfach so ne Andere, noch dazu meine Freundin. Meine, nicht seine. Vollidiot.

      Gut, dass sie mich nicht entdeckt haben, ich konnte gerade noch um die Ecke biegen und die beiden in Ruhe beobachten. Aber wenn ich dran denke, was sich vor meinen Augen abgespielt hat, wird mir schlecht. Nicht, dass mir Elizabeth so sonderlich wichtig wäre, aber ich lasse mich nun mal nicht gerne verarschen.

      Ich muss mehr über die beiden herausfinden. Vielleicht erzählt mir Elizabeth ja was über ihn, wenn ich ganz lieb frage und einen auf verständnisvoll mache. Ansonsten werde ich das schlaue Internet befragen müssen, vielleicht bekomme ich darüber noch ein paar Antworten.

      „Du musst nach rechts!“ Erschrocken reiße ich das Lenkrad herum.

      „Ja, weiß ich doch!“, fahre ich sie an. Doch dann reiße ich mich zusammen, ich muss unbedingt an meinem Plan festhalten. „Entschuldige. Ich bin einfach nur müde.“ Wenn sie lügen kann, kann ich das auch.

       Timothy

      Das Geheimnis

      Es ist ein seltsames Gefühl, nach Hause zurückzukehren. Jane wird nachher vorbeikommen, und ich weiß nicht, wie ich mich ihr gegenüber verhalten soll. Ich weiß ja noch nicht einmal, was überhaupt mit mir los ist. Oder weiß ich es doch, bin aber nur zu feige, mir selbst einzugestehen, was offensichtlich ist? Wie konnte ich nur glauben, Elizabeth vergessen zu haben? Wie habe ich mich nur auf Jane einlassen können mit dem Wissen, nicht vollkommen frei zu sein für eine neue Beziehung?

      Nun, ich schätze, es war die Hoffnungslosigkeit, die mich in diese Beziehung getrieben hat. Jane ist sehr nett und liebenswürdig, keine Frage. Sie sieht auch nicht schlecht aus und lässt mir sämtliche Freiheiten, auch wenn sie dadurch manchmal ein wenig geheimnisvoll wirkt. Sie weiß nicht, dass Elizabeth und ich mal ein Paar waren. Ich habe ihr allgemein nur sehr wenig über mein bisheriges Leben erzählt, aber sollte sie mich nachher nach Elizabeth fragen, werde ich sie nicht belügen. Zumindest werde ich ihr sagen, dass wir lange Zeit zusammen waren. Aber was ist mit dem Kuss? Oh Gott, wieder eine Beziehung mit Geheimnissen? Ich war doch sonst nicht so, war immer offen und ehrlich. Aber ich weiß nicht, was nun aus dem Kontakt zu Elizabeth wird, immerhin hat sie doch auch wieder jemanden gefunden, und ob sie sich nach meiner überstürzten Aktion in der Hotellobby überhaupt bei mir melden wird, ist auch fraglich. Vielleicht sollte ich nicht zu viel aufs Spiel setzen, den Kuss vergessen und ihm nicht so viel Bedeutung beimessen. Es war ein kleiner Ausflug in die Vergangenheit, eine Erinnerung an alte Zeiten und ein kurzes Aufflackern längst vergessener Gefühle, die sich nur versteckt hatten. Kein Grund, Jane in die Flucht zu schlagen und am Ende wieder alleine dazustehen.

      Jane kommt nach dem Essen bei ihren Eltern vorbei und wirkt entspannt. Ich kann weder Misstrauen noch Enttäuschung erkennen. Also war es scheinbar tatsächlich völlig okay für sie, mich alleine zum Brunch zu lassen. Und ich habe ihr Vertrauen missbraucht.

      „Hallo. Na, wie war das Essen?“

      „Ganz gut, ich soll dir liebe Grüße ausrichten.“ Ich habe ihre Eltern einmal kennengelernt, als wir erst wenige Wochen zusammen waren.

      „Danke.“

      „Und wie war dein Brunch? Woher kennst du Elizabeth eigentlich?“ Jane klingt neutral, und ich gedenke, ihr ehrlich zu antworten.

      „Wir waren mal zusammen, vor einigen Jahren.“ Jane schaut mich mit großen Augen an.

      „Wirklich? Ich dachte, sie wäre mal deine Mandantin oder so gewesen.“ Verzweifelt ringe ich nach einer Antwort.

      „Das auch, aber das ist eine lange Geschichte und wie du selbst weißt, darf ich darüber nichts sagen.“ Ein Hoch auf die Schweigepflicht.

      „Ja, ich weiß. Kein Problem.“ Ich weiß nicht, was sie jetzt denkt. Ich hoffe, dass die Eifersucht weiterhin ausbleibt, und sei es nur darum, mein Gewissen zu beruhigen. Für Jane scheint das Thema vorerst erledigt. Wir unternehmen einen langen Spaziergang und gönnen uns ein Eis, sprechen über den bevorstehenden Tag und die Arbeit. Trotzdem bin ich viel zu oft abgelenkt. Ich denke ständig an den Kuss vor wenigen Stunden, an den gestrigen Abend und daran, wie unsicher Elizabeth war, als wir uns verabschiedeten. Ich hoffe, ich habe meine allerletzte Chance auf einen Kontakt zu ihr nicht ganz verspielt. Obwohl sich meine Freundin wirklich Mühe gibt, kann ich ihren Erzählungen kaum folgen. Ich sollte mich besser auf sie konzentrieren und Elizabeth endlich vergessen. Wir werden nicht wieder zusammenkommen, egal, wie sehr ich mir das immer gewünscht habe. Ich sollte endlich aufhören, mir Hoffnungen zu machen.

      Stattdessen schicke ich ihr am nächsten Morgen eine kurze SMS.

       Es tut mir leid. Tim.

      Ihre Antwort hierauf lässt mich vollkommen im Regen stehen.

       Mir auch. Liz.

      Liz … So hab ich sie früher immer genannt. Vor ihrer Zeit als Lilly. Was hat das zu bedeuten? Ach, wahrscheinlich gar nichts. Von der einstigen Vertrautheit zwischen uns kann ich heute nur noch träumen. Am Abend fahre ich zu Jane, die mir auf den Zahn fühlt.

      „Ist alles okay mit dir?“ Ich fühle mich seltsam ertappt.

      „Ja, ich bin nur etwas erschöpft.“

      „Okay. Bestellen wir uns was zu essen?“ Ich nicke und gebe meine Stimme für den Italiener ab. Eine große, deftige Pizza muss jetzt her. Jane wählt Pasta.

      Den ganzen Abend über muss ich weiterhin an Liz denken und an den verbotenen Kuss, aber Jane schafft es, mich noch an diesem Abend zumindest für eine Stunde abzulenken. Sie ist gut. Sie ist wirklich gut, und es macht großen Spaß mit ihr. Trotzdem bemerke ich den Unterschied, der mir heute deutlicher erscheint denn je. Ich kann es in ihren Augen sehen, sie würde mich am liebsten noch einmal fragen, ob alles in Ordnung ist, aber sie unterdrückt den Drang danach. Obwohl ich wüsste, was das Beste für uns wäre, komme ich mir ratlos vor. Und ich kann es ihr nicht übelnehmen, wenn sie nun doch beginnt, misstrauisch zu werden.

      Jane behält in den nächsten Tagen Stillschweigen über ihre Gefühle, ebenso wie ich selbst. Es dauert etwa eine Woche, bis ich wider Erwarten doch eine Nachricht von Liz erhalte.

       Hallo Tim. Hast du nächsten Freitag Zeit? Habe frei und könnte nach Cookstown kommen. Liz.

      Mein Herzschlag beschleunigt sich beim Lesen ihrer Worte.