Название | Eine Frau schon in den Jahren und andere Mördergeschichten |
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Автор произведения | Beate Morgenstern |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783847676041 |
Wie schön dieser kleine Gang durch die frische Luft. Und diese Straße. Dass man eine Viertelstunde zu Fuß bis zur S-Bahn brauchte, kein Nachteil. Außer bei widrigen Wetterverhältnissen. Man war gezwungen, ein wenig zu marschieren und das durch eine Gegend, in der die Jahreszeiten sich zu erkennen gaben. Man konnte sich auf das freuen, was man abends vorhatte. Und auf dem Nachhauseweg genießen. Ihr Auto nahm sie nur selten. Noch eher das Fahrrad.
Schön, nicht wahr?, sagte er.
Immer diese Gleichzeitigkeit! Eigentlich sollte sie sich über ihren Gleichklang freuen. Doch neuerdings war sie nicht mehr sonderlich erbaut, wenn er aussprach, was sie dachte.
Ihr Hirn kreiste ständig um dieselben Dinge. Das Alltagsleben nahm sie gefangen. Er aber mit ganz anderem befasst. Wenn er davon sprach, sie als Wand benutzte, um sich über sich zu verständigen, hörte sie atemlos und mit großer Bewunderung zu. Seine Fragestellungen immer bedrängend und der Ausgang ungewiss, neue Blickweisen taten sich auf. Hatte er etwas gehört, gelesen, musste er laut darüber nachdenken. Daran Anteil zu nehmen, bedeutete viel für sie. Daneben gab es diese Alltagswelt. Er sprach aus, was sie gerade gedacht hatte und umgekehrt. Als sei er ein ganz gewöhnlicher Mensch.
Sie mochte es nicht, dass er ein ganz gewöhnlicher Mensch war. Obwohl natürlich, er hatte ein Recht, ein ganz gewöhnlicher Mensch zu sein. Doch immer mehr überkam sie Ärger. Seine intellektuelle Überlegenheit hatte sie von jeher fasziniert. Aber er war nicht ihre Freundin. Bei Gott nicht. Eine Freundin sollte einen verstehen. Ja du auch? Ist das nicht komisch. Solche Sätze waren bei Frauen durchaus erfreulich. Man lachte miteinander. Wir Weiber, was? Bei ihm sah sie nur, dass er sich zu eng an sie anschloss.
Zwei Wochen war sie nicht nach draußen gekommen. Sie spürte es. Der Rückweg würde ihr schwerer fallen. Bis zur Ecke, dachte sie. Dann kehren wir um.
Ich denke, an der Ecke sollten wir umkehren!, sagte er.
Ihr Arm glitt aus seinem. Ein Lachen kam sie an. Sie beugte sich nach vorn, krümmte sich zusammen. Die Locken fielen vom Hals über ihr Gesicht. Es schüttelte sie durch. Endlich richtete sie sich auf, schöpfte Atem und tupfte sich die Tränen aus den Augen.
Seine Miene unbewegt.
Entschuldigung, sagte sie. Ihre Hand schlüpfte wieder in seine Armbeuge. Eine Weile nahm er ihren hysterischen Lachausbruch kommentarlos hin. Dann fragte er doch: Könntest du mich vielleicht aufklären?!
Es ist nur, es ist nur ... , sagte sie, und versuchte das erneut aufkommende Lachen zu bezwingen.
Corvina!, sagte er streng.
Sie mochte, wenn er streng war, ihr Grenzen zeigte. Ihr Lachen fiel in sich zusammen. Du hast gesagt, was ich gerade gedacht habe!, antwortete sie.
Und was ist daran so komisch?, erkundigte er sich. Ich sorge mich um dich. Was ist daran komisch!
Eigentlich nichts, gab sie zu. Es ist nur, es ist nur ...
Ja?
Es passiert so oft.
Aha.
Es ist doch auch schön, sagte sie. Und es war ja auch schön. Wollte sie einen Mann, den es nicht bekümmerte, wie es ihr ging? Gewiss nicht.
Sie kehrten um. Das Gehen wurde ihr immer schwerer, sie schleppte ihre Füße, die sie sonst so flinken, gefälligen, fast flog sie mit ihnen. Nun wollten sie ihren Dienst aufsagen. Er verlangsamte das Tempo.
Du hast dich überschätzt, sagte er. Ich hätte meinen Gedanken umzukehren, vor dir haben sollen!
Er hatte es gut heraus, durch eine ironische Wendung sein Gesicht zu wahren. Sie nahm das Friedensangebot dankbar an. Sie war jetzt so schwach. Im Treppenhaus wollte sie sich auf einer Stufe ausruhen. Geh schon mal vor, sagte sie. Er drängte sie nicht, wie sie es sonst gewohnt war, ihr beizustehen, sie zu stützen, ja die Treppe hochzutragen, wozu er in der Lage war. Er hatte Bärenkräfte. Sie hangelte sich am Geländer von Stufe zu Stufe. Das Treppenhaus nahm nicht viel Platz ein, was den Wohnungen zugutekam. Die Wände, die Treppenstufen auf gemeinsamen Beschluss der Eigentümer in einem Orangeocker gestrichen, die Kokosläufer grün, die schön geschnitzten Türen und Türrahmen ebenfalls grün. Das Ganze etwas dunkel, aber anheimelnd. Dass sie zu Hause war, half ihr. Er könnte schon mal nach mir schauen, dachte sie. Gleichzeitig gefiel es ihr, dass er sie auf ihr Geheiß hin im Stich ließ. Sie setzte sich nun noch öfter hin. Es wurde eine Probe, wann er nach ihr sah.
Sie ahnte nicht, dass er hinter der Tür stand und sich bezwang, nicht nachzuschauen, wo sie blieb, dass ihr Lachen vorhin ihn tief getroffen, ja erschüttert hatte.
Die Wohnungstür stand offen. Sie trat ein. Er offenbar in seinem Atelier. Etwas merkwürdig schon, dass er sich nicht um sie kümmerte. Die Wohnung quadratisch geschnitten. Durch zwei der hohen Räume hatten sie einen Durchbruch gemacht. Sie waren nun wie ein einziger Saal und dienten ihm als Atelier. Auf der anderen Seite ihr gemeinsames Schlafzimmer, das Vierte war ihres. Von der Diele in der Mitte der Wohnung ging übereck übergangslos die Küche ab. Ein langer Tisch, lange Bänke. Luden sie Gäste ein, wurde hier in der Küche gefeiert.
Sie ging in ihr Zimmer, legte sich auf die Couch, schaute in den Nussbaum. Bald würde er so gewachsen sein, dass er ihr alle Aussicht nahm. Sie hasste den Nussbaum. Den Bewohnern unter ihnen nahm er schon die Sicht in den Hof. Er würde ihren winzigen Balkon bedrängen. Vielleicht half