Название | Taten ohne Täter |
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Автор произведения | Friedrich Wulf |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783847673958 |
Wir stimmten nicht in allem überein, wenn es um die Einschätzung der Studierenden ging, doch bis auf Günther waren wir uns einig in der Beurteilung des Macbeth-Jahrgangs.
Vier
„So, nun stellt euch vor ...“, sagte Tanja. Wir standen im Alles Ist Gut am Tresen. „Ihr setzt euch einen Schuss, und es macht plop, plop, eure Phantasie platzt auf, ihr steht in der bunten Luft eines Regenbogens, und sagt nur noch Wauwau, und ich sage euch: Ein Schuss ist hundertmal besser als der geilste Orgasmus.“
Perplex schaute ich Rick an und der wieder zurück und als wir schließlich fragten, ob sie - und wie sie das wissen könne? Da sagte sie, „prost“, lächelte, stieß mit uns an und als sie das Glas wieder abgesetzt hatte, fuhr sie fort: „Muss Shakespeare, der eine Geschichte über Mord und Totschlag geschrieben hat, selbst ein Mörder sein?“
„Nein, aber...“
„Außerdem, ihr kennt ja wohl die Ergebnisse der Studie aus dem Journal of Epidemiology and Community Health von James White, oder? Ich seh’ schon keinen Schimmer, das Resultat in Kürze: Intelligente Kinder neigen eher zum Konsum von Drogen als weniger intelligente.“
„Du spinnst“, sagte Rick.
„Was meinst du Rick, warum du nicht mitreden kannst?“, grinste Tanja.
Ich versuchte mich zu erinnern, ob sie auch im Sommer immer Klamotten mit langen Ärmeln trug.
Den Oberkörper runter, Arme und Hände auf den Rücken, den Widerstand verringern, nur schnell, schnell hindurch, Güllemief, ein Windhauch vom Feld verpestet die Luft: nichts wie hindurch.
Double, double roll without trouble. Ich richtete mich auf. Jetzt ging es einen Hang hinab, ein kurzes aber steiles Stück. Besser die Gedanken aus dem Kopf und die Augen auf die Straße. Unten musste ich scharf nach rechts abbiegen, deswegen hieß es die Fahrt zu verlangsamen. Hinter der Kurve schaute ich auf die Uhr. Von hier brauchte ich noch ungefähr fünfzehn oder zwanzig Minuten.
„Theo du willst doch nicht jetzt schon aufbrechen, der Abend fängt doch erst an.“ „Ihr wisst ja, ich bin Lehrer, das ist die Steigerung unablässiger Arbeit.“ „Ha ha“, lachte Moni und fuhr sich mit der rechten Hand durch dichte Haarlosigkeit. Dort wo sie vor einem halben Jahr noch Fülle zurückstreichen konnte, waren jetzt links und rechts dunkle Stoppeln, nur mitten über den Kopf lief ein fünf Zentimeter breiter blonder Streifen.
„Schon mal was von ekstatischer Lebensform gehört?“ Genau, was wir brauchen, sind ekstatische Lebensformen“, sagten auch die drei andern im Chor.
Ich musste laut lachen. „Das ist kein Witz.“ „Theo, du bist halt alt, ein Vergangener.“ „Ja ja, ich weiß, aber darüber lache ich nicht, suhlt euch ruhig weiter in eurer lebenstüchtigen Ekstase.“ Oh, wie ich ihnen ihr Glück gönnte, diese prächtige Illusion, ihre Wünsche und Wichtigkeiten von heute hätten kein Verfallsdatum. Sie waren so wunderbar lebensmächtig, so bewundernswert naive Menschentiere, noch nicht angekränkelt von des Gedankens Blässe. Und warum sollte ich sie infizieren?
„Wisst ihr, wer das vor dreißig Jahren gefordert hat?“ Sie blickten mich erwartungsvoll an. So sehr ich mich um Haltung bemühte, ich musste lauthals lachen. „Nun erzähl schon!“ „Clinton!“ Ich musste wieder lachen. „Na und, was gibt’s da zu lachen?“ „An dem solltest du dir lieber ein Beispiel nehmen, der hat wenigstens nicht schlappgemacht.“ „Lust auf Praktikantinnen belebt das Leben eben“, sagte Moni. „Nein nein, nicht Bill, die ekstatische Lebensform wurde von Hilary, von Hilary Clinton ausgerufen.“ Sie lachten.
„Mal im Ernst Theo vielleicht kannst du mir das ja erklären, sagst doch immer, alles lässt sich erklären: ‚connect, always connect.‘“ „Ja, ist meine Meinung, alles hängt miteinander zusammen, kann also auch vernünftig erklärt werden.“ „Also, was ich nicht verstehe, bei dieser Clinton-Geschichte.“ „Moni, nee, bitte nicht diese abgelutschten Kamellen, ich muss jetzt wirklich los.“ „Nee Theo, nee warte doch mal.“ Mit ihrer rechten Hand zupfte sie an meinem Hemd.
„Clinton hat doch erklärt oraler Sex sei kein Sex. Darüber habe ich mir die ganze Zeit den Kopf zerbrochen, wahrscheinlich auch die gesamte amerikanische Nation. ‚Was‘, so mögen sie sich wohl fragen, ‚Was? Oraler Sex ist kein Sex? Ich hätte geschworen...‘ Jeder sagt sich, ‚ich hätte geschworen, es ist Sex, guter Gott, was haben wir denn dann die ganze Zeit gemacht?‘“
„Ja genau“, meinte Rick, „und die Leute rufen bei den Nutten an und wollen ihr Geld zurück.“
„Es war kein Sex“, sagte Tanja, „ihr habt nicht aufgepasst, ich erkläre euch das mal. Weil nämlich ein amerikanisches Gesetz sagt, Sex ist die wechselseitige Berührung der Genitalien, um einander aufzugeilen. Kommt ihr mit? Gut! Und Clinton sagt nun, dass sein Willy zwar ein Geschlechtsorgan ist, dass aber Monicas Mund keines ist. Die Folgerung: Er sagt, ihr Mund hatte zwar Sex mit seinem Pimmel, aber sein Pimmel hatte keinen Sex mit... Also Theo“, sie grinste mich an, „wenn du mal in die Verlegenheit kommst, so wird es gemacht...“
Fünf
Mit Monis Referat über Shakespeares Leben sollte die Phase der Ergebnissicherung beginnen. Um keine Überraschungen zu erleben, lasse ich mir die Ausarbeitungen immer geben. Bei Moni wäre das nicht nötig, hatte ich gedacht. Sie wollte es bei mir vorbeibringen und war pünktlich.
„Imposant Theo“, sagte Moni, wandte sich vom Bücherregal ab und ging zum Fenster. „Gefällt mir der Blick in den Garten, ich würde hier nur rausgucken, hier könnte ich nicht arbeiten. Es ist schön bei dir, viel zu schön. So schön -, ein Mensch mit Augen kann hier doch gar nicht arbeiten. Wie muss man nur geworden sein, um hier arbeiten zu können? Ist viel zu anziehend der Blick in den Garten. Da muss man ja werden wie... Ein Kamin! Sie griff nach einer Karte auf dem Kaminsims, drehte sie um...“
„Moni!“
„Irre Schwellung“, sagte sie und stellte die Karte zurück. Die Postkarte zeigte einen Fregattvogel mit beeindruckendem Kehlsack, tiefrot aufgeblasen.
„So ein Kamin mit Karten bringt doch gleich Atmosphäre in die Bude, selbst wenn er nicht brennt. Im Winter würde ich nur davorliegen.“
„Moni, was faselst du da für einen Schwachsinn?“
Während ich in der Küche war, hatte sie sich offenbar umgeschaut. Später erinnerte ich mich daran, dass sie eine Kladde zuklappte, als ich mit dem Tablett ins Zimmer trat.
„Komm setz dich, nimmst du Milch, Zucker in den Tee?“ „Ja Milch, gieß mir einen Spritzer Milch rein.“
Ihre Finger legten sich um den Becher. Ihre Hand war fleischig,