Sechs Katzen und ein Todesfall. Marianne Kaindl

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Название Sechs Katzen und ein Todesfall
Автор произведения Marianne Kaindl
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847614784



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doch, und deshalb schreibe ich jetzt meine Liste.

      Mein Traummann für mein Frauchen sollte folgende Eigenschaften haben, also bitte, liebes Universum, jetzt bist du dran:

      1. Er sollte große Hosentaschen mit vielen Leckerlis drin haben.

      2. Er sollte abends auf dem Sofa sitzen und es toll finden, wenn sich eine Katze in seinem Schoß einkringelt und schnurrt. Nämlich ich. Er sollte es so toll finden, dass er mich ständig mit Leckerlis füttert.

      3. Er sollte witzig sein, weil ich’s mag, wenn mein Frauchen lacht. Bei dem Mann, von dem sie jetzt geschieden ist, da hatte sie nicht so viel zu lachen, haben mir die anderen erzählt, und das soll jetzt besser werden!

      4. Ein Auto muss er nicht haben, denn Autofahren mag ich nicht.

      5. Er muss nicht viel Geld haben, aber ein großes Herz für Menschen und für Tiere sowieso.

      Naja, wenn das jetzt zu viel verlangt ist, dann verzichte ich auf Punkt 1. Wenn Punkt 2 in Erfüllung geht.

      *smile*

       18. April

      Ich habe grade festgestellt, dass ich mich noch gar nicht vorgestellt habe.

      Dann möchte ich das ganz schnell nachholen.

      Also: Ich heiße Coco, bin fast ein Jahr alt und erwarte mir vom Leben einen süßen Kater, eine Menge Spaß und viel Erfolg als Bestsellerautorin.

      Zu meinem Frauchen kam ich mit zwölf Wochen. Vorher war ich bei einer Pflegemama, zusammen mit meiner Mutter und mit meinen drei Brüdern. Die Pflegemama war ebenfalls sehr nett. Sie nahm mich sogar dann noch in den Arm und streichelte mich, wenn meine Mama Katze sie ganz gefährlich anfauchte. Manchmal verteidigte meine Mama Katze ihre Kinder so nachdrücklich, dass dabei Blut floß! Entsprechend viele Katzenkratzer waren auf den Armen meiner Pflegemama, leider. Meine Mama Katze ist eine sehr schöne Dame, sehr zart und feingliedrig, temperamentvoll und ganz schwarz. Bis auf drei kleine weiße Haare mitten auf der Brust.

      Meine drei Brüder sind ebenfalls alle ganz schwarz. Ich dagegen falle aus der Reihe: Ich habe ein flauschiges Tigerchen-Fell, dessen Farbe am Bauch in ein zartes Apricot übergeht, bin zartgliedrig wie meine Mama, und wenn ich das richtig überblicke, bin ich schön, klug und selbstbewusst.

      An einem Nachmittag kam eine Dame zum Fotografieren, und die ist jetzt mein Frauchen. Damals war ich gerade mal sechs Wochen alt. Ich fand das witzig, wie so ein Model fotografiert zu werden und setzte mich ganz doll in Pose! Die Pflegemama hatte auf dem Schreibtisch ein paar Modezeitschriften liegen, über die ich immer wieder wegstolziert bin – ich wusste deshalb damals schon, wie das geht.

      Die Fotografin war natürlich ganz hin und weg von mir, wer kann ihr das verdenken! Ich bedankte mich für ihr Entzücken, indem ich ihr um die Beine strich und sie von unten hoch ganz herzig anguckte. Jetzt wohne ich bei ihr und hab sie lieb.

      Bei ihr wohnen außerdem noch Maxi, Purzel, Goldie, Merlin und Percy. Maxi und Purzel sind zwei ältere Damen, aber noch ganz schön fit! Wenn’s etwas Gutes zu fressen gibt, dann hechten die die Treppen rauf und runter, da bin ich auch nicht schneller!

      Da fällt mir etwas ein, das muss ich Ihnen unbedingt erzählen: Es gibt zwei Treppen im Haus meines Frauchens. Eine vom Erdgeschoss in den ersten Stock, und eine – mit Kurve – vom ersten Stock in den zweiten. Das finde ich richtig gut. Das ist viel besser als der höchste Kratzbaum! Vor allem wegen der Kurve. Da muss man genau wissen, wann man bremsen und wann man beschleunigen muss, das ist eine Kunst!

      An meinem zweiten Abend beim neuen Frauchen stellte ich mich unten an der Treppe vom ersten Stock auf und schaute sie ganz kummervoll an. Man muss die Leute schließlich beschäftigen, und es sollte von vornherein klar sein, dass Katze Coco gehätschelt und umsorgt werden will. Das neue Frauchen konnte meinem hilflosen Babyblick auch gar nicht lange widerstehen. Sie bückte sich, hob mich auf, ich guckte zwischen ihrem Daumen und ihrem Zeigefinger heraus, sie hielt mich ganz behutsam und trug mich die Treppe hoch. Oben angekommen setzte sie mich vorsichtig ab.

      Aber jetzt! Ich preschte die Treppe runter, sauste um die Kurve wie ein Formel-1-Fahrer, machte eine elegante Kehrtwendung und rannte wieder rauf! Ihr verblüfftes Gesicht werde ich nie vergessen und auch nicht, dass oben an der Treppe fünf Katzen standen, eine dicke schwarze, eine große schwarze, eine schwarzweiße, noch eine kleine schwarzweiße und eine goldene, und alle starrten mich verwundert an.

      Gute Show, Coco! Präsent sein und die Leute verblüffen, das ist der erste Schritt für jeden, der berühmt werden will!

      Also bei sechs Katzen ist ja eigentlich immer etwas los. Da kann man einander jagen, man kann das kleine Tischchen in der Diele umschmeißen, man kann halbe Nachmittage zusammengekuschelt verdösen, aber irgendwann reichte mir das alles nicht mehr. Ich begann, Frauchens Bibliothek zu nutzen. Dann entdeckte ich die Weiten des Internets für mich, weil sie im Schlafzimmer so einen Tablet-Computer rumliegen hat. Nachdem ich zweimal im Online-Casino verloren hatte, beschloss ich, dass ich keine Spielernatur werden möchte, sondern eine hochgebildete Katze, und seitdem surfe ich durch Wikipedia, lese ebooks und ziehe mir Hörbücher rein. Mein Frauchen ahnt von all dem nichts, und Maxi, Purzel, Goldie, Merlin und Percy sind verschwiegen.

       20. April

      Sonntag. Nix los.

      Den halben Nachmittag hat es geregnet, und wir konnten nicht raus. Gegen halb vier kam dann doch noch die Sonne durch. Frauchen packte ihre Fotoausrüstung und ging in den Stadtpark fotografieren.

      Ich verzog mich auf die Terrasse und rollte mich auf der Hollywoodschaukel zusammen. Das Wetter macht einen einfach müde. Als ich wieder aufwachte, saß Merlin auf dem Gartentisch und pennte, Percy saß auf der Terrassenmauer und pennte, Goldie lag auf der Wiese und pennte und Maxi und Purzel hatten sich aneinander gekuschelt und schnarchten.

      Abends mit Frauchen „Tatort“ geguckt (Münster, mit Professor Boerne).

       Abgesehen davon ein absolut langweiliger Tag!!! Früh schlafen gegangen.

       21. April

      Gestern hatte ich einfach keine Lust, draußen herumzustromern. Kater Felix von schräg gegenüber war auch nicht draußen, es war also ziemlich langweilig!

      Heute regnet es dicke Tropfen, und dabei scheint die Sonne. Über unserem Haus leuchtet ein wunderschöner Regenbogen.

      Ich also nix wie raus und Regenbogen jagen!

      Als ich von meinem Ausflug wieder zurückkam, stand auf unserem Parkplatz neben dem Auto von meinem Frauchen, das Frederik heißt (das Auto heißt so, natürlich, das Frauchen heißt Rebekka) – also neben Frauchens Frederik stand ein Auto, das war weiß und blau. Ich renne schnell durch die Katzenklappe ins Haus. Die Wohnzimmertür ist zu, und ich versuche es mit Maunzen. Manchmal funktioniert das nicht sofort, aber wenn ich dann die Lautstärke erhöhe, also dann hat es bisher immer geklappt.

      Aber nicht heute.

      Drinnen höre ich die Stimme meines Frauchens, dann die eines Mannes, und dann noch eine andere Männerstimme.

      Gut – wenn Maunzen nicht hilft, dann mach ich es eben anders. Ihr habt es ja so gewollt, nicht wahr.

      Ich stelle mich auf die Hinterpfoten und kratze an der Tür. Frauchen mag das gar nicht. Nach so einer Kratzattacke sieht die Tür nämlich etwas bearbeitet aus, und das gefällt ihr nicht. Normalerweise ist sie dann sofort da, egal, was sie gerade macht. Aber nicht heute. Einer der Männer im Wohnzimmer sagt etwas. Frauchen sagt etwas. Sie redet in kurzen Sätzen, was sonst nicht grade ihre Stärke ist. Der Mann sagt etwas. Ich kratze an der Tür wie eine Weltmeisterin im Türkratzen. Der andere Mann sagt etwas. Ich kratze und maunze.

      Endlich geht die Tür auf. Na also! Mit hoch erhobenem Schwanz stolziere ich ins Wohnzimmer.

      Aber mein Frauchen beachtet mich gar nicht. „Nein“, sagt sie. „Es gibt niemanden, der bezeugen kann, dass ich gestern Abend zu Hause war.“

      Also,