Название | Das Tal der Feuergeister |
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Автор произведения | Franziska Hartmann |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783753170428 |
„Ich möchte nicht, aber ich denke, du wirst keine Ruhe geben, bevor ich es tue“, entgegnete Cuinn. „Du fragst dich vermutlich, ob in Glenbláth wirklich Neugeborene getötet und Menschen verbrannt werden.“
„Ja“, gab ich zu. „Ich finde die Vorstellung recht… grausam. Wieso würde man so etwas tun?“
„Aus Angst“, antwortete Cuinn. „Es gab mal eine Zeit, da lebten Menschen und magische Wesen friedlich miteinander. Sie unterstützten sich gegenseitig, waren befreundet, teilten sich ein Haus. Sie verliebten sich, gründeten Familien. Aus diesen Beziehungen gingen viele Halbblute hervor.“
„Du meinst, sowas wie zwischen dir und Lou war normal?“, fragte ich und versuchte erfolglos meine Verblüffung zu verbergen. Im selben Moment kam mir wieder in den Sinn, dass Cuinn genau genommen nicht einfach nur ein Mensch war. „Aber woher kommt dann die Angst der Menschen vor den magischen Wesen?“
Cuinn schüttelte den Kopf. „Man sagt, ein Feuergeist habe das Königshaus angegriffen. Man sagt, die magischen Wesen seien von Anfang an auf die Macht über die Menschen aus gewesen. Doch ich bezweifle das stark. Was interessiert die magischen Wesen Reichtum und Macht, wenn sie einen ganz Wald voller kleiner Wunder haben?“
Ich verstand. Die magischen Geschöpfe hätten so viel mehr als das langweilige Leben der Menschen haben können. Und trotzdem hatten sie ihr Leben mit ihnen geteilt. Sich sogar in sie verliebt.
„Die Bilder aus dem Buch, die du gesehen hast…“
Ich wurde wieder hellhörig.
„Es wurde den magischen Wesen verboten, in die Nähe der Menschen zu kommen. Sie wurden aus der Stadt vertrieben. Doch die meisten Halbblute blieben zurück. Die Menschen hatten Angst vor ihnen. Sie galten als Missgeburten, Risikofaktoren. Jedes Kind wurde auf seine Eltern geprüft und jedes Halbblut getötet. Verbrannt, ertränkt, geköpft. So mancher Säugling war bereits im Mutterleib zum Tode verurteilt.“
Ich erschauerte und mir fehlten die Worte. Gleichzeitig schämte ich mich in Grund und Boden dafür, dass ich am Frühstückstisch noch darüber gelacht hatte. Im nächsten Moment kam mir ein weiterer entsetzlicher Gedanke, der in mir ein noch größeres schlechtes Gewissen entfachte. Cuinns anscheinend schwere Vergangenheit, über die er nicht reden wollte, seine entsetzte Reaktion am Morgen, seine magischen Fähigkeiten – all das ließ mich zu einer Schlussfolgerung kommen. „Bist du ein Halbblut?“
Ich sah, wie Cuinn kaum merklich zusammenzuckte. Ich hatte recht. Und unweigerlich schwirrten neue Fragen durch meinen Kopf. Was war Cuinn eigentlich? Halb Mensch und halb was? Was war ihm wohl in der Stadt zugestoßen? Hatte er auch verbrannt werden sollen? Wie war er entkommen? Ich wollte so viel fragen, aber traute mich nicht, irgendetwas davon auszusprechen.
„Meine Mutter war ein Mensch. Meinen Vater kenne ich nicht“, erzählte Cuinn.
Also wusste er vielleicht selbst gar nicht, was er war?
„Aber“, fuhr er fort, „ich wollte dir von Glenbláth erzählen und nicht von mir. Halbblute haben in der Regel keine schönen Geschichten zu erzählen. Wenn sie überhaupt noch welche erzählen können.“
Damit gab er mir mal wieder deutlich zu verstehen, dass er nicht weiter mit mir darüber reden wollte. Ich schluckte all meine Fragen endgültig hinunter und folgte ihm wieder stumm durch Geäst und Gestrüpp. Das ewige Schweigen ging mir auf die Nerven. Ich wollte mich mit ihm unterhalten, um mich von meinen schmerzenden Füßen abzulenken und die Langeweile zu vertreiben, aber allein Cuinns starr nach vorn gerichteter Blick verriet mir schon, dass er nicht zum Plaudern aufgelegt war. Als ich um die erste Pause des Tages bat, willigte Cuinn widerstandslos ein. Entweder er hatte sich mittlerweile damit abgefunden, dass ich mehr Pausen brauchte als er oder er musste heute selbst nach einer Nacht ohne Schlaf gut mit seinen Kräften haushalten. Ich breitete meinen Umhang auf dem moosbewachsenen Boden aus und wir setzten uns beide darauf. Cuinn öffnete den Rucksack, reichte mir eine Wasserflasche und bot mir Brötchen und Käse an. Ich war gerade etwas zur Ruhe gekommen und begann, unser kleines Mittagspicknick zu genießen, da sprang Cuinn völlig unerwartet auf und blickte sich hektisch um.
„Was ist los?“, fragte ich verwundert.
„Sag gleich am besten einfach nichts“, antwortete Cuinn und sah wachsam zwischen den Bäumen hindurch.
Als würde ich sonst viel dazu kommen zu reden. Vorausschauend packte ich unsere Vorräte wieder ein und band den Rucksack fest zu. Ich kam neben Cuinn auf die Beine, klopfte meinen Umhang aus und warf ihn mir um die Schultern, ehe auch ich endlich eine Gestalt zwischen den Bäumen ausmachen konnte.
„Was macht ihr beiden hier, so nah am Zentrum des Waldes?“, rief der Mann uns entgegen. Er schob mit der linken Hand die Kapuze seines braunen Gugels von seinem kahlen Kopf. Ein dunkler Vollbart verdeckte die Hälfte seines runden Gesichts und sein stämmiger Körperbau, gepaart mit der breiten Axt, die er bei sich trug, ließ ihn nicht wenig bedrohlich wirken. Er musterte uns von oben bis unten. „Ihr seht nicht aus wie Jäger. Also was treibt euch hierher?“
Ich beobachtete, wie Cuinn eine grandiose Unschuldsmiene aufsetzte und erst mir, dann dem Fremden einen verwirrten Blick zuwarf. „Zentrum? Herrje, da sind wir ja in eine ganz falsche Richtung gelaufen. Ihr könnt uns nicht zufällig den Weg zurück zur Stadt weisen?“
Misstrauisch beäugte der Mann Cuinn. „Es ist euch verboten, den Wald zu betreten. Ich sollte euch melden. Was bringt euch überhaupt auf die Idee, diesen gefährlichen Ort aufzusuchen?“
„Das ist alles meine Schuld“, platzte es aus mir heraus, woraufhin ich einen mahnenden Blick von Cuinn aufschnappte. „Ich war neugierig und habe ihn dazu überredet, mir den Wald zu zeigen. Und nun irren wir seit Tagen hier umher.“
Der Mann trat näher an Cuinn heran. Er war gut einen Kopf größer als der junge Magier. „Ein ganz schön törichter Versuch, das Herz eines Mädchens zu gewinnen.“ Er deutete in die Richtung, aus der Cuinn und ich gekommen waren. „Zurück zur Stadt müsst ihr dort entlang.“
„Habt vielen Dank, mein Herr. Wir wissen Eure Hilfe und Nachsicht sehr zu schätzen“, säuselte Cuinn, dass mir schlecht wurde. Gerade wollte er sich zum Gehen umdrehen, da packte der Fremde ihn am Hemd und riss den Halsausschnitt so weit herunter, dass eine seltsam geformte Narbe unter Cuinns rechtem Schlüsselbein sichtbar wurde. Sie sah aus wie ein kleines griechisches Delta, das sich um neunzig Grad zur rechten Seite geneigt hatte.
Die Augen des Mannes weiteten sich. „Du bist ein…“ Noch ehe er den Satz zu Ende sprechen konnte, legte Cuinn ihm blitzschnell eine Hand auf die Stirn. Im nächsten Moment fielen dem Mann die Augen zu und er kippte nach hinten über zu Boden.
Mit einer Hand nahm Cuinn unseren Rucksack, mit der anderen packte er mein Handgelenk und begann zu rennen.
Überrascht und geschockt stolperte ich ihm hinterher.
„Was hast du gerade mit ihm gemacht?“, fragte ich Cuinn panisch.
„Er schläft“, antwortete Cuinn knapp.
Hinter uns ertönten laute Rufe. „Yoan hat ein Halbblut gefunden! Schnappt ihn euch!“
Ich stolperte über meine eigenen Füße und wie ich zu Boden fiel, löste sich Cuinns Griff von meinem Handgelenk. Ein Blick nach hinten verriet mir, dass ein weiterer Jäger nur wenige Meter von uns entfernt war und auf uns zu geprescht kam. Cuinn drehte um, stellte sich vor mich und presste eine Hand auf den Boden. Im nächsten Moment loderte an der Stelle ein hohes Feuer auf, das den Jägern einen Umweg aufzwängen würde. Cuinn wandte sich wieder mir zu, half mir aufzustehen und zog mich weiter hinter sich her. Es dauerte nicht lang, bis sie uns wieder dicht auf den Fersen waren. Ich blickte mich immer wieder kurz um, erkannte drei – nein, vier – Personen, die uns verfolgten. Ich kreischte auf, als ein Pfeil an uns vorbeisauste. Zweige peitschten mir ins Gesicht,