Denk mal!. Helmut H. Schulz

Читать онлайн.
Название Denk mal!
Автор произведения Helmut H. Schulz
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847613145



Скачать книгу

König, König der Könige, die letzte Nacht war ein Gräuel. Simon, der Stumpfnasige ist tot, Hunderte anderer sind erschlagen, verstümmelt. Dazu kam es so.

      Der Nacht der Zeugen des Erleuchteten ging ein zügelloses Treiben voraus. Fleisch gab es, dank der Notwendigkeit viele Häute gewinnen zu müssen, in Hülle und Fülle. Geld brachten deine Satrapen, Großer König, und demzufolge wurde Wein von den Kleinmarketendern in Krügen und Schläuchen herangebracht. Amon-Es hatte Marktfreiheit erklärt, zunächst schnellten die Preise in die Höhe, da viel Geld vorhanden zu sein schien. Bald jedoch drückte das Überangebot die Preise, für einen Obolus bekam der Soldat des Ewigen ungewöhnlich viel an Lebensmitteln oder Wein. Tausende, Soldaten und Trossangehörige hatten keine nüchterne Zeit, es wurde gespielt und getrunken. Sogar ein Sklavenmarkt entstand. Zu denen, die bereits mit durchlöcherten Ohren hergekommen waren, gesellten sich neue, denen von Sklavenhändlern die Ohren durchbohrt wurden. Keiner der Offiziere wagte es mehr, die Tiefen der Lagergassen zu betreten.

      Und Amon-Es schwieg zu allen Berichten und Bitten, das Lager abzubrechen, es ist auch noch die Frage, ob das zu diesem Zeitpunkt möglich gewesen wäre. Dann kam die Zeit, wo einzelne Offiziere von den Soldaten-Bauarbeitern angegriffen wurden; von jetzt an war das Lager völlig sich selbst überlassen. Das Heer befand sich in voller Auflösung, Großer König, damals wusste Karsos nicht, weshalb Amon-Es nichts tat, bald sollte Karsos darüber Klarheit bekommen.

      Das Lager bot ein Bild des Wahnsinns, die Galli, Priester der Kybele, rasten um die Altäre, Simon aus Damaskus sammelte eine Anzahl Frauen und Männer um sich. Sie sangen die alten heiligen Hymnen, vollbrachten im Wein- und Blutrausch das Opfer in ihrer Weise, zerrissen ein Lamm und tauchten die Hände in das heiße Blut, beschmierten sich damit und begannen ihren Lauf durch das Lager. Höhepunkt bildete die Einweihung eines Mysten ein Mädchen, nackt in einer Grube, über welche auf einem Lattengerüst eine Ziege geopfert wurde, deren Blut auf die neue Orphikerin rann. Die Barbaren, verzeih, Großer König, nicht du bist gemeint, kannten kein Maß mehr. Überall klangen Trommeln, Flöten; Männer und Frauen lagen auf den Gassen einander bei, kein Befehl erreichte mehr das Ohr der Soldaten.

      Karsos hatte versucht, seine zwölf beisammen zu halten, Männer aus den Städten, aus Sinope, aus Laranda, Mirandos; Männer, von denen viele bereits Feldzüge mitgemacht hatten, gute Soldaten.

      Karsos stand vor dem Zelteingang des Amon-Es. Schwankend nahte sich Simon, bespritzt mit Blut, stinkend nach Kot und Wein. Einem Schlächter ähnlicher als einem Menschen, näherte er sich dem Karsos. Letzterer sah, dass dieser Mensch nicht mehr Herr seiner Sinne war. Er versuchte, Simon zu entwaffnen, dieser führte einen schnellen Stoß mit dem Dolch nach Karsos.

      Simon, der Stumpfnasige, war der erste Tote dieser Nacht, er starb durch das Schwert des Karsos.

      Plötzlich, lautlos beinahe war Amon-Es da. Er sagte gar nichts, er stieß den Toten mit dem Fuß beiseite und befahl:

      "Rufe die Führer zusammen."

      Das geschah. Der Ägypter kniete auf seinem Fries, vollbrachte das Gebet an den Ewigen und Einzigen, indessen die Führer warteten.

      Amon-Es sagte:

      "Simon ist tot, Karsos hat ihn getötet, als er von Simon angegriffen wurde. Der Einzige und Ewige gebietet mir, Männer zu nehmen, zu töten, auszumerzen, Feuer in das Nest zu schmeißen, und diese Männer sollen heißen Zeugen des Erleuchteten.' Setzt Maske n auf, nehmt jeder zwei Schilde und nur das kurze Schwert."

      Großer König, Karsos berichtet.

      Die versammelten Führer taten, wie Amon-Es ihnen befohlen. Zusammen ergab das kaum einen Zug, aber wir waren zu allem entschlossen und uns der Todesgefahr wohl bewusst. Die Ledermasken über das Gesicht gezogen, die Paentulen abgeworfen, einen Schild auf dem Rücken, einen anderen in der Linken, gingen wir unter Führung des Ägypters, aus dem Zelt. Den Ersten, der ihm in den Weg trat, tötete der Ägypter mit einem einzigen Streich in den Hals. Der Mann stürzte ohne einen Laut. Mit gellenden Schreien rasten wir durch die Lagergassen, wüteten im Blutrausch; was nicht vor uns davonlief, töteten wir. Mann, Weib, Kind oder Tier. Die Leute waren überrascht, wehrlos, gelähmt vom Trinken, noch halb schlafend. Nicht ein Pfeil wurde für uns auf die Sehne gelegt, nicht ein einziger Stein geschleudert. Wir schlachteten, bis in die Nacht hinein, bis uns die Arme erlahmten. Dann sammelten wir uns am Halys, weit unterhalb des Lagers.

      Karsos sagte:

      "Herr, es ist gefährlich, ihnen Zeit zu lassen, sich zu besinnen, wir sind nur wenige, sie zählen nach Tausenden. Wenn sie nüchtern sind, werden sie sich ihres Verstandes bedienen, Wir sollten ins Lager zurückkehren und einige zu überreden suchen, sich uns anzuschließen."

      Amon-Es erwiderte:

      "So soll es geschehen, Karsos."

      Wir reinigten uns in den Wassern des Halys, entledigten uns der blutbespritzten Sachen, nahmen die Masken ab und gingen zurück ins Lager. Nur vereinzelt brannten Feuer, an denen Menschen saßen, stumm vor Schrecken, ratlos über das, was über sie hereingebrochen. Andere hatten, damit begonnen, die Toten zusammenzutragen.

      Ich ergriff einen dieser lebendigen Leichname und fragte:

      "Wo ist Simon, der Stumpfnasige?"

      Der Mensch wankte mit dem ganzen Oberkörper und stammelte:

      "Weiß nicht, gestern Nacht, heute Nacht, alles tot, die Unsterblichen, wehe uns."

      Da aus ihm nichts herauszukriegen war, ließ ich ihn los, und wir gingen zurück in das Zelt des Führers.

      Großer König, Karsos berichtet.

      Folgendes sagte Amon-Es, der Ägypter:

      "Es ist geschehen, was vorherbestimmt gewesen, wer wider mich ist, den will ich ausrotten, wer anders ist als ich, den werde ich töten. Beizeiten habe ich gesehen, dass sich bei einer gewissen Größe des Heeres keine Disziplin einhalten lässt, ohne das Mittel des Schreckens. Dem Menschen wohnt Schlechtes inne. Deshalb habe ich das Heer solange am Halys ruhen lassen, bis das Schlechte herauskam. Ab morgen werden wir ein anderes, ein besseres Heer haben und verlässlichere Führer. Nach dieser Blutnacht, die eine Grenze setzt zwischen uns und den anderen Gottheiten, steht uns die Versöhnung des Heeres in dem Ewigen und Einzigen bevor. Die heute für den Ewigen gestritten haben, die tragen ab jetzt den Namen Zeugen des Erleuchteten, ihre Namen bleiben geheim und Karsos wird sie führen. Er ist Grieche, ein Skeptiker und ein Mensch des Verstandes. Er wird solange treu zu dem Ewigen stehen, wie er seinen Nutzen findet. Es wird meiner Weisheit überlassen bleiben, den Zeitpunkt zu bestimmen, wo sein Interesse in einen Gegensatz zu dem des Ewigen gerät.

      Morgen wird Folgendes geschehen; wir werden Steine auflesen und jedem Toten seinen Stein geben. Sammeln wir die Steine, zählen wir sie, so werden wir wissen, wie viel Menschen heute für den wahren Glauben gestorben sind. Dann nehme ich das Opfer vor, es wird mein erstes, zugleich mein 1etztes öffentliches 0pfer sein auf einem der Altäre der Abgötter. Dann werden wir das neue Gesetz verkünden, das der Polis des Erleuchteten. Jetzt legt euch zur Ruhe und stellt Wachen auf."

      Das Großer König, geschah am Halys. Wir zählten gegen eintausenzweihundert Tote. Niemand durfte sie bestatten, womit ihnen der Eintritt in das Totenreich verwehrt werden sollte. Amon-Es opferte einen weißen Stier, und erklärte die Götter für versöhnt. So wurde diese Blutnacht gesühnt.

      Für den Rest des Tages blieb das Heer sich selbst überlassen. Am folgenden Morgen, kurz vor dem Aufbruch, stellte sich alles auf, um die neue Botschaft zu empfangen, die Erklärung für das Unerklärbare, die große Lüge.

      Amon-Es sagte:

      "Furchtbares ist über uns hereingebrochen, und wir fragen uns, wie konnte es dazu kommen? Der Ewige zürnte uns schwer, weil wir sein Gesetz nicht hielten, sondern Abgötterei trieben. Er suchte uns heim, um uns an unsere Aufgabe zu erinnern, der Befreiung aller Menschen von Abgötterei. Ich habe heute seine Botschaft empfangen, sie lautet: 'Es gibt nur einen Ewigen und Einzigen, wer sich von mir abwendet, stirbt. Wer erwirbt mehr als er braucht, hält mein Gesetz nicht, er stirbt. Wer Unzucht treibt, sei