Wolken, Land und Wasser. Michael Schenk

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Название Wolken, Land und Wasser
Автор произведения Michael Schenk
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783753184500



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welches ich zu Gesicht bekomme.“

      „So haben wir heute wohl beide ein neues Volk kennengelernt, guter Herr Zwerg.“

      Er lachte dröhnend. „Nur dass ich dich nicht hätte übersehen können. Doch ich bin unhöflich, gute Frau Leriana vom Clan der Antari des Wasservolkes. Vor dir steht Gerlon Wolkenbezwinger, furchtloser Schwingenflieger der Wolkenstadt Eldont'haneeva der Zwerge des Clans der Hanevaa.“

      „Ich bin überaus erfreut, Gerlon Wolkenbezwinger.“ Leriana lächelte. „Und ihr Zwerge fliegt wirklich im Himmel?“

      „Hoch zwischen den Wolken“, bestätigte er. „Und ihr lebt wirklich im Wasser?“

      „Tief im Wasser“, lachte sie auf. „Doch wie du siehst, so können wir auch an Land atmen.“

      Er stimmte dröhnend in ihr Lachen ein. „Ein wunderlicher Tag. Gleich zwei neue Völker, die wir zu Gesicht bekommen. Das wird unseren Stadtmeister und die Handelsmeisterin freuen, denn sie hoffen auf guten Handel. Derzeit sind sie im Gespräch mit dem Herrn dieses Bodenlandes. Ein paar von uns Zwergen nutzen die Gelegenheit und schauen sich ein wenig um. Hm, sag, gute Frau Leriana, auch ihr Wassermenschen seid doch zum Handel hier …“

      „Und wir bieten gute Ware“, sagte sie prompt. „Fisch und allerlei Meeresfrüchte, Erzknollen und Mineralien, Blaukristall und …“

      „Warte“, unterbrach er sie und hob die Hand. „Sagtest du Blaukristall?“

      Leriana lächelte. Dieser Zwerg war sicher kein erfahrener Händler, denn er konnte sein Interesse nicht verbergen. Wusste er nicht, dass das den Preis eines Handels hinauftreiben konnte? „Vier Säulen im Maß einer vollen Länge und sie sind von allerbester Qualität.“

      Wolkenbezwinger dachte an die Schäden der Stadt. Manche Kristallschüssel war zu Bruch gegangen, viel zu viele Lichtsammler und Energiespeicher zerstört. Die Stadt brauchte jedes Stück Kristall, dessen sie nur habhaft werden konnte. „Das, äh, hört sich recht interessant an“, meinte er vorsichtig. „Blaukristall ist recht hübsch anzusehen.“

      Sie wusste, dass er seinen Fehler wieder gut machen wollte, indem er die Bedeutung des Kristalls nun herabsetzte. „Und er ist nützlich. Man kann ihn für Lichtsammler, Leitungen und Energiespeicher verwenden.“

      Er errötete ein wenig. „Ah, wahrhaftig, kann man das?“

      Die junge Antari nickte. „Wir brauchen gemahlenes Getreide, Fleisch und Stoffe. Zudem suchen wir nach Porzellan und Glaswaren, Holzschnitzerei und Möbeln aus gutem Holz. Habt ihr Zwerge dergleichen?“

      „Ich bin kein Handelsherr“, wich er der Antwort aus. „Ich bin Schwingenflieger, doch dies erwähnte ich, glaube ich, schon.“

      „Wie fühlt es sich an, zwischen den Wolken zu schweben?“

      „Es ist unvergleichlich.“ Er sah sie nachdenklich an. „Vielleicht zeige ich es dir einmal.“

      „Zwischen den Wolken zu schweben?“

      „Fliegen. In einer Flügelschwinge.“ Wolkenbezwinger strich sich über die Bartzöpfe, beäugte Leriana und begann sie einmal zu umrunden, bevor er wieder vor sie trat. „Nun, du bist jung und nicht besonders fett, dennoch bezweifle ich, dass du Platz in einer Schwinge finden würdest. Ich denke, du bist auch zu schwer. Aber vielleicht kann ich dich einmal im großen Luftschiff mitfliegen lassen. Es ist für große und schwere Lasten geeignet.“

      Leriana sah ihn mit blitzenden Augen empört an. „Ich bin nicht fett. Unser Steuermann Koros meint, ich sei sehr gut portioniert.“

      „Er meinte sicherlich, gut proportioniert“, korrigierte er grinsend. „Verstehe mich nicht falsch. Du bist sicherlich prachtvoll gebaut, wenn auch entsetzlich groß. Doch du bist nun einmal wesentlich schwerer als ein Zwerg. Selbst wenn er so kräftig und prachtvoll gebaut ist, wie ich es bin.“ Er sah sie erneut nachdenklich an. „Sagt dir das Vorrecht des ersten Handels etwas?“

      „Ah, ich verstehe. Hat der Hochlord es für sich in Anspruch genommen?“

      „Dieser Nedeam? Ja.“

      „Bei der ersten Begegnung mit einem neuen Volk oder Händler kann der Hochlord das Recht beanspruchen, den ersten Handel zu tätigen. Kein Händler darf ihm zuvorkommen. So kann der Hochlord entscheiden, was er als nützlich für die Mark erachtet.“

      „Er zeigte kein sonderliches Interesse an unserem Kristall“, seufzte Wolkenbezwinger. „Obwohl wir die letzten Reste zusammenkratzten und unsere Hoffnung darauf setzten.“ Prompt errötete er. „Oh, das hätte ich jetzt nicht sagen sollen, nicht wahr? Ah, ich bin wahrhaftig kein Händler. Wie heißt es immer so schön? Schwingenflieger, bleib bei deinen Flügeln.“

      „Ach, gräme dich nicht. Auch ich bin kein wirklich guter Händler, da ich eigentlich unser Unterwasserschiff führe. Zudem hat es nicht viel zu bedeuten, wenn Nedeam kein Interesse zeigt. Er ist ein erfahrener Handelspartner.“

      „Ja, anders als ich“, lachte der Zwerg auf und Leriana stimmte ein.

      „Ihr benötigt Blaukristall?“, hakte Leriana nach. „Wirklich, du kannst es mir anvertrauen. Das Wasservolk und das Handelshaus Leri, dem mein Vater vorsteht, sind für fairen Handel bekannt.“

      Er seufzte vernehmlich. „Blaukristall und vor allem Stoff und Tauwerk. Wir hatten einige Zeit keinen Handel mit einem Landvolk und erlitten Schäden in mehreren Stürmen. Dann der Angriff der Scharfschnäbel … Ah, wir müssen viele Dinge ersetzen.“

      „Und ihr sorgt euch, diese Dinge nicht zu bekommen?“ Leriana deutete um sich. „Dies hier ist die Landmark des Hochlords Nedeam. Ich bin ihm zwar noch nicht persönlich begegnet, doch ich weiß, dass er euch helfen wird. Er ist ein guter Herr seines Volkes und hilft jedem, der unverschuldet in Not geraten ist. Doch auch wir können euch helfen. Unser Tauwerk aus Tang ist für euch wahrscheinlich nicht geeignet, da es in der Sonne trocknet und brüchig wird, und Stoffe haben wir im Augenblick auch nur wenig. Doch Blaukristall haben wir und wenn mein Vater von eurer Lage erfährt, dann wird er euch davon geben und einen günstigen Gegenwert in Rechnung stellen. Äh, was könnt ihr bieten?“

      „Wir fertigen die besten Lichtsammler aus Blaukristall und ausgezeichnete Kristallspeicher, deren Energie hoch ist und lange hält.“ Er zog verlegen an seinen Bartzöpfen. „Viel ist es wohl nicht … Doch wir können euch auch Informationen bieten. Alles, was sich aus der Sicht einer Flügelschwinge erblicken lässt.“

      „Nun, guter Herr Wolkenbezwinger, vielleicht sollten wir meinen Vater und eure Handelsmeisterin ins Gespräch bringen.“

      Er grinste erfreut. Vielleicht wendete dieser Tag das Schicksal der Wolkenstadt doch zum Guten.

      8. Die steinerne Grenze

       Der Nordwall, nördliche Befestigungsmauer der Grenze zum Barbarengebiet

      Dampfmaschinen betrieben die Plattformen, die Material und Truppen auf die Wallkrone hinauf oder zum Boden hinunter transportierten. Die zahllosen Stufen der immer noch vorhandenen Treppen waren nun dem Fall vorbehalten, dass eine der Winden ausfiel. Doch das war nur sehr selten der Fall, denn inzwischen besaß das Pferdevolk viel Erfahrung im Umgang mit der Kraft des Dampfes und dessen Nutzung.

      Vor drei Wochen war es zur ersten Begegnung mit den Bewohnern der Wolkenstadt gekommen und es war gelungen, den Handel zu beiderseitiger Zufriedenheit zu tätigen. Nedeam kannte den Stolz der kleinen Herren, wie man das Zwergenvolk gelegentlich nannte, und es war ihm gelungen, ihnen verständlich zu machen, wie wertvoll die Hilfe ihrer Schwingenflieger für die Landmark war. Vielleicht hatte es zuvor Zweifel gegeben, doch Nedeam hatte Stadtmeister Barbrot Himmelsherr und den Befehlshaber der Zwergenkämpfer, Axtmeister Grimmbart Hartschlag, zu einer Besichtigung des Walls eingeladen.

      Nun waren die beiden Zwerge, Nedeam und Antarim mit einer der Aufzugsplattformen auf die Mauerkrone emporgefahren. Die beiden Menschen ließen den Anblick, der sich ihren Gästen bot, auf diese einwirken.