Название | Der liebe Gott Allahu akbar |
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Автор произведения | Tullio Aurelio |
Жанр | Философия |
Серия | |
Издательство | Философия |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783742707307 |
Die Theodizee. Eine theologische Entschuldigung Gottes
Dieser Meinung konnten sich die christlichen Theologen natürlich nicht anschließen. Sie wussten durchaus zwischen Leid und Tod als Strafe für den mythischen Ungehorsam des Menschen und der Gegenwart von Gut und Böse als innewohnende Konnotationen der Welt zu unterscheiden. Ist jede Krankheit des Menschen als Folge der ‚Ursünde’ zu verstehen? Ist vielleicht selbst ein Erdbeben oder die Überschwemmung einer Region, die willkürliche Zerstörung des Lebens durch die Kräfte der Natur eine Folge dieser Ursünde zu verstehen?
Natur ist Natur, sagen die Theologen. Naturkatastrophen sind keine Folge der Ursünde der Menschen. (Gläubige meinen da und dort doch wohl, dass Gott durch die Naturkatastrophen die Sünden der Menschen bestraft, sie beten Gott, dass er Regen sendet, und bringen ihm Opfer dar, wenn er den Ackerboden aus Strafe hart werden lässt. Aber die Theologen gehen nicht immer so weit und teilen nicht immer diesen ‚naiven’ Glauben.) Aber wie kann Gott Naturkatastrophen zulassen und dabei zusehen, wie alles zugrunde geht? Wie kann man sie erklären, wenn man im selben Atemzug davon ausgeht, dass Gott allmächtig und allwissend ist und die Menschen über alles liebt?
Oder warum werden die Menschen von Krankheiten geplagt? Sind auch Krankheiten eine Strafe für die Ursünde? Denn immer wieder werden Menschen schwer krank, die sich eigentlich keine großen moralischen Verfehlungen haben zuschulden kommen lassen. Warum gerade ich, fragen Menschen oft, die von Krankheit und Leid verfolgt werden und sich keiner Schuld bewusst sind.
Gott ‚erlaubt’ das, um die Menschen auf die Probe zu stellen, sagen die Theologen.
Aber warum hat Gott das überhaupt nötig, er, der sowieso bereits vor der Prüfung weiß, wie der Mensch geartet ist und handelt?
‚Die Absichten Gottes sind undurchschaubar.’ Das ist die letzte Weisheit der Theologie bei der Rechtfertigung und Entschuldigung Gottes beim Thema des Bösen in der Welt. Theologisch heißt diese folgenlose Theorie Theodizee.
Wozu braucht man diese Theorie? Eigentlich braucht man sie nicht. Die Allgegenwart und die immerwährende Möglichkeit des Bösen in der Welt ist nur dann mit einem Gott zu vereinbaren, wenn Gott auch für das Ungute in der Welt verantwortlich ist und nicht nur für das Gute.
Die Welt wird von bösen Kräften beherrscht, lässt Umberto Eco den Anarchisten Gragnola behaupten, und zwar vom Bösen höchstpersönlich, von dem Bösen, der unsere Lungen und unser Herz erkranken lässt, so dass uns bewusst wird, dass wir bald sterben werden. Auch unsere Sonnengalaxie, sogar das ganze Universum ist dem Tod geweiht, im Gegensatz zu uns Menschen aber kennt das Universum sein Schicksal nicht. Was für eine Welt soll diese sein, wenn ihr das Böse innewohnt? Wäre eine Welt ohne das Böse nicht besser gewesen? Und wie soll Gott gut sein, wenn er eine solche Welt erschaffen hat? Die Welt wurde nicht von Gott erschaffen. Oder vielleicht ist Gott selbst das Böse? (sinngemäß aus: La misteriosa fiamma della Regina Loana, S. 345).
Wenn es einen Gott gibt. Wenn nicht, dann eben nicht. Und wenn es Gott gibt und sich in der Welt nichts ändert, dann können wir schlussfolgern, dass er und die Welt entweder sich nicht unterscheiden oder dass Gott in der Welt nicht tätig ist und auf die Welt keinen Einfluss hat.
Jedenfalls scheint seine Rolle in der Welt nicht entscheidend zu sein. Sind sich Gott und die Welt eins, dann ist Gott nicht von der Welt zu unterscheiden. In diesem Fall muss man sich um Gott nicht den Kopf zerbrechen. Ist er in einem fernen Jenseits gegenwärtig, hat er aber keinen Einfluss auf unsere Welt, oder vielleicht will er auf diese Welt keinen Einfluss nehmen – auch diese Möglichkeit muss man wohl erwähnen -, dann kann man ihn als Erklärung der Geschehnisse auf der Erde und vielleicht sogar im ganzen Universum ausklammern, weil er nicht mehr als die Ursache für Entstehung und Werden der Welt angesehen wird.
Elohim, der Schöpfer einer Welt, die es nicht (mehr) gibt.
Warum wird also Gott so oft, auch von aufgeklärten Menschen, als Erklärung für Entstehung und Weiterbestehen der Welt zu Rate gezogen? Die Frage ist nicht leicht zu beantworten, aber wo die Logik aufhört, schimmert manchmal der Sinn der Dinge durch. Psychologische und soziale Erwägungen könnten uns eventuell weiterhelfen. Jedenfalls scheinen viele Menschen lieber eine wie auch immer geartete, auch wenn ungenügende, Antwort als gar keiner vorzuziehen.
Aber schauen wir uns an, wie vorsintflutlich der Hauptakteur der ersten Schöpfungserzählung, der Gott Elohim, denkt und handelt: Er kennt das Universum des einundzwanzigsten Jahrhunderts nicht. Und schon das ist ein schlechtes Zeugnis für einen Gott, den wir gern als allwissend haben möchten. Er schafft eine Welt, die jedes Teleskop heute in Frage stellen und als bloße Scheinwirklichkeit entlarven würde. Der Elohim erschafft Licht und Finsternis, also den Tag und die Nacht, und damit diese entsprechend – der Tag mehr, die Nacht weniger - erhellt werden, erschafft er eine große Leuchte für den Tag und eine kleine Sparlampe für die Nacht. Beide hängt er an die Himmelsdecke, die Sonne dort, wo der Tag anfängt, den Mond dort, wo die Nacht schwach erleuchtet werden soll. Nachdem Elohim Gott das Wasser und die Erde erschaffen hat, füllt er sie mit Tieren und Kräutern aller Art. Zum Schluss erschafft Elohim den Menschen als Mann und Frau und erklärt ihn zu seinem Abbild und seinem Stellvertreter auf Erden, damit er über alle Tiere und Gräser der Erde herrschen kann.
Nichts von unserem heutigen Weltbild kann man bei dieser armseligen Schöpfung erkennen. Elohim weiß nichts von unserer Welt, er kennt die unzähligen Galaxien des Universums nicht. Er kennt nur die Sterne, die er an die Decke des Himmels dekorativ hängt, damit sie bewundert werden können. Gott Elohim kennt die Asteroiden und das Planetensystem der Sonne nicht, von den schwarzen Löchern ganz zu schweigen.
Und den Menschen hat er nach seinem eigenen Bild als Mann und Frau erschaffen. Auch da seien einige Fragen erlaubt: Ist auch Elohim selbst Mann und Frau? Und, auch wenn diese Frage banal erscheint, hier eine zweite: Hat Elohim die Menschen auch mit intersexuellen Merkmalen erschaffen? Solche Menschen sind zwar nicht die Mehrheit, sie sind aber auf der Erde anwesend. Wie erklärt sich Gott Jahwe diesen Kunstfehler? Sind die Chromosomen erst viel später durcheinander geraten? Und warum konnte Elohim nicht eindeutig alles für alle Zeiten festlegen?
Heute ist die Wissenschaft so weit, dass sie im Labor Hybride mit Zellen von Schaf und Mensch oder von Schwein und Mensch züchtet. Als Grund wird die Züchtung von Naturgebilden angegeben, aus denen Organe gewonnen werden, die dem Menschen implantiert werden können, also die Züchtung von Ersatzteilreservoirs für den Menschen. Auch ein Affe wurde im Labor gezüchtet. Vielleicht wird die Wissenschaft früher oder später - und da muss ich gestehen, dass ich mich an diese Idee auch noch nicht gewohnt habe - einen Menschen im Labor züchten. Auch davon hatte unser Elohim bei der Erschaffung seiner Welt gar keine Ahnung.
Es mag sein, dass diese und spätere Wiedergaben des biblischen Textes naiv erscheinen, weil sie den Text wörtlich verstehen. Naiv ist das alles nicht. Man muss die biblischen Texte erst nehmen, so wie sie sind und so wie sie gemeint sind. Deren Wiedergabe ist nur vordergründig eindimensional. Dahinter blitzt die eigene naive Weltvorstellung der biblischen Texte selbst durch.
Elohim kann nicht der Schöpfer unserer heutigen Welt sein, weil er sie einfach nicht kennt. Oder sollten wir vielleicht andersherum meinen, dass Elohim nur eine Welt erschaffen konnte, die die damaligen Menschen kannten? Soll dann Gott Elohim eventuell das Weltbild der Menschen übernommen haben? Oder wurde Elohim selbst von den damaligen Menschen auf der Basis des damaligen Weltbildes erschaffen?
Ist der Mensch das Ebenbild Gottes oder Gott das Ebenbild des Menschen?
Hier einige ‚Beschreibungen’ der Tätigkeit des Gottes Elohim: Gott schuf, Gott sah, Gott sprach, Gott nannte, Gott machte, lasst uns den Menschen machen (Gen. 1). Und: Gott vollendete am siebten Tag sein Werk und ruhte am siebten Tag (Gen. 2,1-4). So denken ja die Menschen. Gott ist dem Menschen sehr ähnlich.