Название | Der liebe Gott Allahu akbar |
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Автор произведения | Tullio Aurelio |
Жанр | Философия |
Серия | |
Издательство | Философия |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783742707307 |
Gott sei Dank! Gott sei Dank?
Am 15. November 2017 fand sich in der SZ folgende Meldung: „Heiko Herrlich, 45, Trainer von Bayer Leverkusen, beobachtet bei den Fußballprofis eine verstärkte Suche nach Gott. ‚Die Gläubigen in der Bundesliga werden immer mehr. Ich begrüße das’, sagte er der Bildzeitung ... Weil es eine Übersättigung und Reizüberflutung gibt, haben viele Spieler das Gespür dafür, dass es etwas anderes geben muss, das einen viel reicher macht als das beste Handy, das größte Auto, das dickste Bankkonto.“
Auch dafür ist Gott heutzutage gut: armen Fußballspielern mit der großen Geldbörse ein wenig Freude schenken. Der Teufel, sagt ein deutsches Sprichwort, scheißt immer auf den größten Haufen. Gott anscheinend auch, wenn auch auf einen Haufen Geld. Gott übernimmt gern die Funktion eines Zuckerl oder des Sahnehäubchens.
Angefangen zu zweifeln, dass die übermittelten oder von Menschen gebastelten Gottesbilder Gott selbst sind, habe ich, als ich mir Alltagssätze über Gott durch den Kopf gehen und auf der geistigen Zunge der Sprachdeutung zergehen ließ.
Der häufigste Satz über Gott, der aus menschlichem Mund ausgesprochen wird, ist wahrscheinlich „Gott sei dank!“. „Gott sei Dank“ habe ich in ganz schlimmen Situationen gehört, mit Sicherheit auch selber gesagt. ‚Gott sei Dank’ sagte ein Autofahrer, der beim Aufprall mit einem anderen Auto, dessen Fahrer verstarb, verletzt am Leben blieb. ‚Gott sei Dank’ sagten Bewohner der Karibik nach dem Durchzug eines Hurrikans, der alles zerstört hatte und ihnen, außer des nackten Lebens, alles genommen hatte. „Gott sein Dank, ich bin durch ein Wunder gerettet“, sagte ein anderer Autofahrer, der bei dem Einsturz einer Autobahnbrücke, bei dem an die vierzig Menschen starben, unverletzt blieb.
Aber auch „wenn Gott will“ oder „so Gott will“ – die Araber sagen ‚inschallah’ – wird nicht seltener verwendet. „Der liebe Gott“, „der gütige Gott“, „Gott, unser Vater“, „Gott, unser Schöpfer“, „Gott im Himmel...“ sind auch häufig verwendete Ausdrücke, die irgendetwas über Gott aussagen wollen.
Lange genug habe ich selbst solche Sätze, wie religiöse Beruhigungspillen und Palliativen wiederholt, aber, soweit ich mich zurückerinnern kann, nie mit voller Überzeugung. Der Zweifel nagte von Anfang an in meinem Hirn, mal stärker, mal leiser, an der Gewissheit solcher Sätze.
Und der Zweifel wurde immer stärker. Immer bewusster stellte ich sie selbst in Frage, indem ich antithetisch fragte, wie das Gegenteil des Guten möglich ist, wenn es einen fürsorglichen Gott gibt, und welche Rolle er dabei spielen könnte. Nicht das Problem des Bösen stand zur Debatte, sondern die Beobachtung, dass es bei der Liebesbezeichnung Gottes für einen Menschen oder für ein Volk immer eine andere Seite, einen anderen Menschen, ein anderes Volk gab, der darunter leiden musste.
Folgender Text von Leszek Kolakowski (Der Himmelschlüssel, S. 36) zeigt paradigmatisch, was ich meine:
„Der Psalmist sagt zum Herrn (Psalm 136,10.15):
Er habe Ägypten an ihren Erstgeburten geschlagen, denn seine Güte währet ewiglich;
er habe Pharao und sein Heer ins Schilfmeer gestoßen, denn seine Güte währet ewiglich.
Die Frage: Was denken die Ägypter und der Pharao über die Barmherzigkeit Gottes?“
Der gute Gott ist nicht immer und überall zu allen gut. Seine Güte ist manchmal, oder sogar sehr häufig, selektiv: dem einen gewährt Gott seine Güte, dem anderen seine Rute. Das Leben eines Menschen kann den Tod eines anderen bedeuten. Es gibt also oft auch die Kehrseite der Güte Gottes, das andere Gesicht des janusköpfigen Gottes, und auch diese Seite verdient es, betrachtet zu werden.
Am Speisetisch zu sitzen und zu essen gehört zu den wichtigsten Tätigkeiten des Lebens, denn ohne Essen würden wir sterben. Die Befriedigung eines grundlegenden Bedürfnisses füllt nicht nur den Magen mit Speise, sondern auch das Herz, als vermeintlichen Sitz der Gefühle, mit Freude. Nichts scheint also verständlicher zu sein als die Dankbarkeit gegenüber denen, die uns Speise und Trank schenken, auch gegenüber Gott. Auch gegenüber Gott?
Bei der Formulierung dieser ‚Dankbarkeit’ kommt die Einstellung der Menschen zur Sprache, denen es gut geht oder die wenigstens etwas zu essen haben. Es ist die Einstellung derjenigen, die vom gütigen Gesicht des zweigesichtigen Januskopfes angeschaut werden. So zum Beispiel in folgender Umformulierung des Psalms 145: „Aller Augen warten auf dich, o Herr. Du gibst ihnen Speise zur rechten Zeit. Du öffnest deine Hand und erfüllst alles, was lebt, mit Segen.“
Eine ähnliche Dankbarkeit entspringt meistens dem Mund von Menschen, die am Esstisch sitzen und bereits satt, keinesfalls hungrig sind, vielleicht eher einen angenehmen Appetit verspüren, bevor sie wieder anfangen zu essen: „Alle guten Gaben, alles, was wir haben, kommt, o Gott, von dir, Dank sei dir dafür.“ Oder in diesem Gebet: „O Gott, von dem wir alles haben, wir danken dir für deine Gaben, Du speisest uns, weil du uns liebst. O segne auch, was du uns gibst.“
Das steht im Einklang mit dem, was Jesus über den himmlischen Vater und die hungrigen Vögel sagte: „Schaut auf die Vögel des Himmels: Sie säen nicht, sie ernten nicht und sammeln nicht in Scheunen, und eurer himmlischer Vater ernährt sie“ (Mt 6,26). Und Jesus selbst in seiner Bergpredigt meint, wir sollen uns die Vögel des Himmels als Beispiel nehmen, denn der Vater im Himmel weiß, was wir brauchen.
In diesem Teich der Zuversicht und der sorglosen Hoffnung auf den himmlischen Vater entstanden auch folgende Verse: „Jedes Tierlein hat sein Essen, jedes Blümlein trinkt von dir. Hast auch meiner nicht vergessen, lieber Gott, ich danke dir!“
Irgendwann, zwischen dem 3. und dem 6. Jahrhundert nach seinem Tod wuchs der in den Herzen der Gläubigen gar nicht gestorbene Jesus zum eingeborenen Sohn Gottes immer stärker heran. Nicht nur der himmlische Vater, inzwischen kann deshalb auch Jesus selbst für unser Wohlergehen sorgen: „Komm, Herr Jesus, sei unser Gast und segne was du bescheret hast.“
Zwei Fragen haben mich bei solchen Gebetstexten immer stärker beschäftigt. Die erste ist ziemlich naiv, die zweite ist ein bohrender Zweifel, der an der Wurzel meiner Gewissheit, dass ein Gott für uns sorgt, stetig rüttelte. Ich will es an der Aussage Jesu schildern, dass der Himmlische Vater die Vögel ernährt.
Das Phänomen, das heißt, die Oberfläche des Realen, zeigt in der Natur einen anderen Vorgang als den von Jesus geschilderten. Das Beobachtbare zeigt uns keinen himmlischen Vater, der die Vögel füttert. Auch Jesus, der Wanderprediger aus Palästina, war, so hoffe ich, kein naiver Blindgläubiger, denn er selber schilderte das auch für ihn sichtbare Phänomen in der Parabel vom Sämann: „Ein Sämann ging aus zu säen. Und als er säte, fiel einiges auf den Weg, und die Vögel kamen und fraßen es auf“ (Mt 13,2f). Jesus wusste also Bescheid, und er meinte wahrscheinlich auch nicht, dass der himmlische Vater selbst bestimmte, wo der Samen zu fallen hätte, so dass einiges auf den Weg fiel, damit die Vögel zu Fressen bekommen. So mythisierend die damalige Welt auch war, wir wollen Jesus doch unterstellen, dass er zwischen dem Beobachtbaren und der Glaubensebene zu unterscheiden wusste. Wenn also der himmlische Gott für die Vögel – und umso mehr für uns – sorgt, dann auf eine andere, für die Augen verborgene Art und Weise. Man darf also nachfragen: Auf welche Weise ernährt der himmlische Vater die Vögel? Und, wenn er das wirklich tut, warum werden dann nicht alle Vögel satt?
Beobachten kann man aber auch, dass die Vögel nicht nur den Samen, der auf den Weg fällt, fressen, sondern auch den, der sich im guten Erdboden befindet und sich darauf vorbereitet, eine Pflanze zu werden. Kolakowsky würde hier mit Bestimmtheit fragen: Was wird der Sämann über die Vögel - und über den himmlischen Vater - denken, die ihm die frische Saat zerstören? Die von den Bauern aufgestellten Vogelscheuchen sprechen eine deutliche Sprache. Sie wollen die Vögel verscheuchen und eventuell auch den lieben Gott, wenn er sie auf ihr Feld schickt, denn der liebe Gott ist ihnen gegenüber nicht sehr lieb.
Wir können gern beim fürsorglichen lieben Gott verweilen. Jesus lässt Gottvater den Vögel ein reines vegetarisches Essen zukommen. Vögel fressen aber nicht nur Samen, sondern auch Fleisch und Fisch. Und da werden die Zweifel noch