Die Macht des jungen Magiers. Yvonne Tschipke

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Название Die Macht des jungen Magiers
Автор произведения Yvonne Tschipke
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783738007381



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dem Sessel hoch, kam auf mich zu und reichte mir die Hand zum Abschied. „Geh einfach früher ins Bett. Dann schläfst du auch am nächsten Tag nicht wieder im Sitzen ein.“ Er drückte mir einen rosafarbenen Zettel in die Hand. „Und gegen die Übelkeit holst du dir das hier aus der Apotheke.“ Damit schob er mich aus dem Behandlungsraum.

      Mama empfing mich im Wartezimmer mit ihrem besorgten Mütter-Blick. Als ich wieder vor ihr stand und Dr. Bentwart sagte, dass mit mir alles in Ordnung sei, streichelte sie mir über den Kopf. Ich spürte, wie mein Gesicht von einer auf die andere Sekunde feuerrot wurde. Wie peinlich! Mama wusste doch ganz genau, dass ich es absolut nicht ausstehen konnte, wenn sie das in aller Öffentlichkeit tat. Und das auch nicht erst seit gestern.

      Hinter mir hörte ich es leise kichern. Ich drehte mich um und sah in das grinsende Gesicht von Julie Tharan, der Oberzicke aus meiner Klasse. Na, toll! Dann wusste ich schon jetzt ganz genau, über wen morgen in der 8 d am meisten gelacht wurde. Danke, Mama.

      Zuhause legte ich mich auf Mamas Befehl hin gleich ins Bett. Irgendwie schlief ich auch sofort ein. Doch mein Traum war voll mit allen Erlebnissen des vergangenen Tages. Sie mischten sich, als hätte sie jemand in den Mixer geworfen. Tom und seine Halbaffen jagten mich bis in die Praxis von Dr. Bentwart, wo mich der fette Comissario und Oskas erwarteten. Oskas hielt mir ein altes zerfleddertes Buch entgegen und grinste mich dämlich an. Ich kotzte den beiden den Schulmensafraß vor die Füße und wanderte dann mit einer kleinen Laterne in der Hand nach Hause, wo mich Mama schon mit Julie Tharan erwartete und mir über den Kopf streichelte.

      „AUFWACHEN!“, schrie es wieder in mir, doch es dauerte bis zum nächsten Morgen.

      Kapitel 4

      Am übernächsten Nachmittag klingelte es an der Wohnungstür. Ich saß gerade in der Küche und verputzte heimlich die letzten zwei Stücke Sahnetorte, die von Almas Geburtstagskaffee übrig geblieben waren. Gleich würde Mama von Arbeit kommen und dann musste ich es geschafft haben. Was ich gegessen hatte, war weg! In mir drin. Und hat geschmeckt! Da konnte Mama meckern wie sie wollte.

      Ich wischte mir die süße Sahne aus den Mundwinkeln und ging zur Tür, um sie zu öffnen.

      Es war Ben. Und noch ehe ich ihn begrüßen und in den Flur bitten konnte, hatte er sich bereits an mir vorbei geschoben. Typisch Ben. Fühlte sich immer wie zu Hause bei uns.

      „Komm ruhig rein“, murmelte ich und schloss die Tür wieder.

      „Hast du noch was davon?“, fragte er und zeigte auf einen Rest Sahne in meinem Gesicht, den ich vergessen hatte wegzuwischen. Ich schüttelte den Kopf. „Nein, tut mir leid. Das waren nur noch zwei winzig kleine Stückchen.“ Schnell wischte ich noch einmal mit dem Ärmel über meinen Mund, um die letzten Spuren meiner Sahnetortenschlacht zu beseitigen.

      Ben zuckte mit beleidigtem Gesichtsausdruck die Schultern. Doch dann trat er ganz nah an mich heran und raunte mir zu: „Wo ist das Buch?“

      Ich sah ihn verständnislos an. „Welches Buch?“, fragte ich.

      „Welches Buch?! Welches Buch?! Das Buch natürlich, das dir Oskas gegeben hat“, schnarrte Ben.

      „Alma. Ich habe es Alma geschenkt“, antwortete ich und sah ihn komisch an. Was war denn mit dem los? Und überhaupt – woher wusste er von dem Buch?

      Ben bekam plötzlich einen panischen Gesichtsausdruck. „Du musst es dir zurückholen, Nathanael! Es gehört dir. Oskas hat es dir gegeben.“

      „Jetzt bleib mal ganz locker, Ben. Was redest du denn da für einen Mist? Was soll ich denn mit dem ollen Buch? Woher kennst du diesen Oskas überhaupt? Und woher weißt du, dass er mir ein Buch gegeben hat?“

      Ben packte mich am Arm und zog mich in mein Zimmer. „Hey, was soll denn das?“, protestierte ich. Doch Ben schob mich ziemlich grob zu meinem Bett und drückte mich auf die Matratze.

      „Es gehört dir, Nathanael. Ich kann es dir nicht erklären. Aber lass uns zu Oskas gehen – mit dem Buch! Es ist wichtig!“ Ich verstand rein gar nichts. Weshalb benahm sich mein bester Freund Ben so seltsam? War er unter die Junkies gegangen? Was zum Geier hatte er genommen? An unserer Schule wurde heimlich mit bunten Pillen gedealt, die einen komisch oder irre werden ließen, das wusste ich. Aber Ben? Das konnte nicht sein, oder?

      Mein bester Freund war unterdessen zur Tür gelaufen. Er riss sie auf und trat in den Flur. Als ich ihm folgte, sah ich gerade noch, wie er in Almas Zimmer verschwand.

      „Ben!“, krächzte ich. „Was machst du denn da? Alma bringt uns um!“ Ich rannte ihm nach.

      Meine Schwester war wirklich in Ordnung, ehrlich. Ich wusste, dass sie mich über alles liebte. Doch was sie auf den Tod nicht ausstehen konnte, war, wenn ich in ihrem Zimmer herum schnüffelte.

      Almas Zimmer glich einem Museum. Das Bett, in dem sie schlief, war uralt. Sie hatte es guten Bekannten unserer Eltern abgeschwatzt, die auf einem Bauernhof aus dem 17. Jahrhundert lebten. Dort hatte es über viele Jahre hinweg unbeachtet auf dem Dachboden der Scheune gestanden. Papa hatte es mit Alma gemeinsam restauriert und wieder benutzbar gemacht. Neben einer großen Truhe, die mit wunderschönen bunten Intarsien verziert war, stand der breite Schreibtisch. In eines der Schubfächer war die Jahreszahl 1665 eingeritzt, doch Papa vermutete, dass er in Wirklichkeit noch viel älter war. Er hatte ihn auf einem Trödelmarkt erstanden und Alma zum Geburtstag im letzten Jahr geschenkt. Jetzt entdeckte ich darauf das kleine Tintenfass, das sie gestern von mir bekommen hatte. Es passte wirklich perfekt dorthin. Auf dem Fensterbrett und in den alten Holzregalen standen unzählige Sammlerstücke meiner Schwester aus verschiedenen Jahrhunderten.

      „Ben! Bist du wahnsinnig? Ich darf nicht ungebeten in Almas Zimmer gehen. Und du gleich gar nicht!“, motzte ich.

      „Dann geh doch raus!“, schnarrte Ben, während er sich suchend umsah. Schon im nächsten Moment trat er auf das Bücherregal über dem Bett zu und zog das Buch zwischen den anderen heraus. „Da haben wir ja dein gutes Stück!“, sagte er zufrieden.

      „Stell das augenblicklich zurück. Das habe ich Alma geschenkt“, sagte ich in ziemlich barschem Befehlston. „Und woher weißt du überhaupt, wie das Buch aussieht?“, schob ich verwundert nach.

      „Beruhig dich, Nathi. Ich erklär es dir doch gleich“, sagte Ben.

      Draußen vor der Wohnungstür hörten wir Stimmen. Alma kam aus der Schule und sie hatte ihre Freundinnen dabei.

      „Schnell, raus hier“, hauchte ich und sah erschrocken zur Tür. „Und das stellst du gefälligst wieder zurück.“ Ich zeigte auf das Buch in Bens Hand.

      Der Schlüssel rasselte im Schloss. Wie von der Tarantel gestochen stürzten wir aus Almas Zimmer und verschwanden hinter meiner Tür. Wir hatten sie gerade geschlossen, als Alma mit ihren Freundinnen kichernd durch den Flur lief.

      „Puh, das war echt knapp. Mach das nie wieder!“, sagte ich wütend zu Ben und ließ mich auf mein Bett fallen. Doch im selben Moment riss ich meine Augen weit auf. In seiner Hand trug er nämlich das Buch.

      „Hast du sie nicht mehr alle? Ich hatte doch gesagt ...“

      „Bleib mal locker, Nathi“, unterbrach mich Ben, „Komm mit zu Oskas. Dort erklären wir dir alles.“

      Kapitel 5

      Über uns erklang das schrille Bimmeln der Glocke. Sie machte wieder denselben höllischen Lärm wie vorgestern und ich zuckte auch dieses Mal erschrocken zusammen.

      Oskas` Trödelladen kam mir an diesem Nachmittag noch viel seltsamer vor. In den dünnen Sonnenstrahlen, die sich durch das kleine Fenster in den Raum zwängten, tanzten wieder glitzernde Staubkörnchen. Und wieder bekam ich das beklemmende Gefühl, dass ich in einer ganz anderen Zeit gelandet war.

      Ben hatte mich ohne weitere Erklärungen zu dem kleinen Laden geschleppt. Ich war nur sehr widerwillig mitgekommen. Nach wie vor glaubte ich, dass er völlig verrückt geworden