Liebesblues. Christine Jörg

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Название Liebesblues
Автор произведения Christine Jörg
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847619611



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glaube, in Zukunft werde ich nur noch mit dir radeln“, meint er lachend, „dann bin ich immer gut versorgt, radle nicht zu schnell und habe angenehme Unterhaltung. Das ist die Idee, wir gehen künftig nicht nur Abendessen, sondern radeln auch gemeinsam.“

      „Bitte, Gerd, fang nicht wieder damit an“, winkt sie ab. „Du kennst meine Meinung dazu.“

      „Komm, setz dich zu mir“, damit lässt er sich auf der Bank nieder und macht mit der linken Hand eine einladende Geste. Was soll sie anderes tun, als sich neben ihm auf der Bank niederzulassen? Wie schon erklärt, er ist für sie weder abstoßend noch hässlich. Aber es darf eben nicht sein! Hauptsächlich wegen ihrer Lügenmärchen, die sie ihm nicht eingestehen kann. Spätestens, wenn sie ihm die Wahrheit einschenken würde, hätte sie ihn los. Das ist klar! Keiner kann eine Beziehung auf so einem Stapel von Lügen aufbauen. Zudem würde Marianne sich in Grund und Boden schämen, wenn etwas herauskäme. Also belässt sie alles so wie es ist.

      „Nun“, erkundigt er sich, „wo ist denn dein Trinken? Ich habe nämlich wirklich Durst.“

      „Hier“, damit öffnet sie ihren Rucksack und gibt ihm die Flasche Wasser heraus.

      „Und wo ist der Sirup dazu?“, will er scherzend wissen.

      „Den musst du dir leider dazu denken“, klärt Marianne ihn lächelnd auf.“ Außerdem zu viele Süßigkeiten sind schlecht für die Zähne.“

      „Da hast du Recht.“

      *

      Gerd sagt sich, dass sie wohl guter Dinge ist. Er wird eine Annäherung wagen. Vielleicht lässt sie ihn diesmal erneut gewähren, wie schon auf der Bank bei Fischen.

      Bestimmt hatte sie den Arm auf ihren Schultern gespürt, doch sie hatte ihn nicht von sich gestoßen. Er sieht dies als Fortschritt an. Macht er sich wieder falsche Hoffnungen?

      Genieße jeden kleinen Augenblick mit ihr, sagt Gerd sich, wer weiß schon wie lange sie ihm hold gesinnt ist.

      Auch diesmal legt er den Arm zuerst auf die Rückenlehne der Bank und dann wie selbstverständlich auf Mariannes Schultern.

      Und wieder lässt sie es ohne Widerrede geschehen. Was ist sie doch für ein Weichei? denkt Marianne bei sich. Wenn sie ihn schon nicht mehr sehen will, dann darf sie auch den Arm um ihre Schultern nicht tolerieren. Sie macht sich wieder einmal unglaubwürdig. Wie so oft. Außerdem, was findet sie schon anziehend an dem Mann? Was hat er denn besonderes? Stimmt, er sieht gut aus. Stimmt, er verdient gut. Stimmt, er hat auch noch einen Narren an ihr gefressen. Doch reicht das aus? Vor allem, so wie er sich aufdrängt, geht das alles mit rechten Dingen zu? Das kann sie sich nicht vorstellen. So, wie sie es auch nicht glaubt, wenn er bestätigt, dass er seit seiner Scheidung keine feste Beziehung mehr eingegangen ist. Er scheint ihr einfach nicht der Typ dafür zu sein. Irgendetwas ist faul an diesem Kerl. Bestimmt ist auch die Visitenkarte falsch. Obwohl, die Straße und die Hausnummer in Waltenhofen stimmen. Immerhin hatte er einen Schlüssel zum Haus und zum Auto gehabt. Trotzdem, er kann ein Blender sein.

      „Du bist so nachdenklich!“, reißt er sie jäh aus ihren Gedanken.

      „Och, ich weiß nicht“, weicht Marianne aus. „Zurzeit ist eben die große Reinigungswelle. Nicht nur zu Hause, sondern auch in meinem Kopf.“ Mit dem rechten Zeigefinger deutet sie sich an die Schläfe. „Nur, im Gehirn ist es schwieriger, als im Haushalt.“

      Gerd sieht sie lächelnd an und meint: „Mir geht es auch so. Ach, hättest du doch zum Wandern mitfahren können. Wie hätte dir das gut getan! Apropos, wanderst du gerne?“

      „Sagen wir“, gesteht Marianne langsam, „ich war wandern. In den letzten Jahren habe ich es jedoch nicht getan. Keine Zeit!“

      Schließlich kann sie schlecht erklären, dass sie wegen Franzi nicht mehr Wandern war. Sagen wir, aus Sympathie.

      „Und deine Kinder?“, will er nun wissen.

      Schrecklich! Wie ist sie nur auf diese blödsinnige Idee mit den Kindern gekommen? Ständig muss sie sich etwas Neues wegen der Kindlein einfallen lassen. Vielleicht hat er nur mit ihr angebändelt, weil er auf die Kinder scharf ist. Ist er eventuell ein Kinderschänder? Da muss sie auf der Hut sein! Mit diesem Mann darf sie ihre „Kinder“ nie zusammenlassen. Das ist zu gefährlich! In was verrennt sie sich denn da? Nun will sie ihre fiktiven Kindlein vor Gerd in Schutz nehmen. Ist sie verrückt geworden? Ja, wandern ihre Kinder oder nicht? In der Schule gibt es den Wandertag, aber das ist auch schon alles. Das heißt aber nicht, dass ihre Kinder gerne wandern müssen. Weshalb auch?

      „Sie gehen in der Schule wandern, aber sonst haben sie keine Spaß daran“, lügt sie nun zum X-ten Male. Lange hält sie das nicht mehr durch. Irgendwann verstrickt sie sich in Widersprüche. Sie kann sich nicht alles merken, was sie Gerd vorlügt.

      „Das nächste Mal gehen wir einfach alle gemeinsam“, entscheidet er. Gerd nickt ihr freundlich zu.

      „Gerd, ich habe es dir doch schon gesagt“, wiederholt sie, „es gibt kein nächstes Mal.“ Weshalb will er das nicht wahrhaben?

      „Oh, doch“, stellt er auf stur, „das beste Beispiel ist, dass wir uns heute sogar ohne Verabredung getroffen haben.“

      „Du hast mich getroffen“, verbessert sie ihn sofort, „ich hatte dich doch gar nicht gesehen.“

      „Soll das heißen“, forscht er nun nach, „du wärst an mir vorbeigefahren, wenn ich auf der Bank gesessen hätte?“

      „Ehrlich gesagt“, gesteht Marianne, „ich glaube nicht, dass ich dich überhaupt gesehen hätte. Ich bin immer in Gedanken versunken, wenn ich radle. Das hat nichts mit sehen wollen oder nicht, zu tun. Ich sehe grundsätzlich niemanden. Eine Krankheit von mir!“ Diese Richtigstellung scheint ihr wichtig.

      “Na, dann kann ich aber froh sein, dass du auf der Bank gesessen hattest und ich vorbeigeradelt bin“, lacht er und zieht sie noch enger an sich. Wie Gerd bemerkt, lässt Marianne auch dies gewähren. Anschließend fährt er fort: „Ich sehe schon, ich muss auf der Hut sein. Ich werde mir das merken.“

      Brav bleibt Marianne nun enger an ihn geschmiegt sitzen und reicht ihm nochmals die Flasche. Wieder einmal beginnt sie grundlos zu frösteln und deshalb bittet sie ihn aufzubrechen.

      Sofort steht er auf und zieht sie an den Händen auf die Beine. Dabei drückt er sie den Bruchteil einer Sekunde an sich und berührt mit seinen Lippen kurz ihre Stirn. Ihr wird, obwohl sie fröstelt, warm ums Herz. Nein, das darf sie auf keinen Fall zulassen. Das kann und darf nicht sein! Sofort löst sie sich von ihm, steigt auf ihr Fahrrad und fährt ohne auf ihn zu warten los.

      Gerd fühlt gleich, dass ihr diese äußerst kurze Umarmung gar nicht unangenehm ist. Weshalb löst sie sich aber dann gleich wieder aus seinen Armen? Was ist schon schlimm daran, wenn ein Mann, auch wenn es auf freier „Wildbahn“ ist, eine Frau umarmt und küsst? Was hat diese Scheu und Angst hervorgerufen? War ihr Mann wirklich so ein Monster, dass er ihr ganzes Gefühlsleben durcheinander gebracht hat?

      Er weiß es gibt solche Bestien. Bislang kannte er jedoch niemanden, der davon betroffen war.

      Marianne tut ihm Leid und er wird alles unternehmen, sie aus diesem sentimentalen Dilemma zu befreien. Vorausgesetzt sie lässt es zu! Das ist immer noch das große Fragezeichen.

      Diesmal radelt Marianne schneller. Gerd folgt ihr selbstverständlich spielend.

      Sie fahren am Wasserskizirkus vorbei, doch Marianne hält nicht an. Gerd radelt weiter hinter ihr her.

      Als sie in Immenstadt angekommen, ist ihr rundum warm. Nicht so wie vorhin während der Umarmung, aber trotzdem warm. Sie muss sich wirklich in Acht nehmen. Der Mann kann ihr gefährlich werden.

      Jetzt erst fällt ihr der Hund ein. Der Ärmste! Wie lange kann sie ihn noch alleine lassen? Gar nicht mehr! Deshalb sagt sie: „Gerd, ich habe das vollkommen vergessen. Aber ich kann nicht mit zum Kaffee trinken. Ich muss Mäxchen abholen und Gassi führen.“

      „Wenn das