Mann meiner Träume. Nicole Knoblauch

Читать онлайн.
Название Mann meiner Träume
Автор произведения Nicole Knoblauch
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738099775



Скачать книгу

Ein Segen des Himmels wäre es, die Menschen davon zu befreien.' Bittere Worte.

      „Und jetzt weißt du, dass das nicht stimmt?“

      Ein Lächeln zog über sein Gesicht.

      „Teilweise. Ich sehe meine Kameraden, wie sie sich verlieben, sich töricht benehmen und ihre Pflichten vernachlässigen. Das verurteile ich noch immer. Wenn man sich durch die Liebe wie ein Tor verhält, wäre man ohne sie besser dran.“ Er spielte mit meinen Haaren und fuhr sanft die Konturen meines Nackens nach.

      „Aber ich habe auch geschrieben, ich könnte darauf verzichten. Das muss ich korrigieren.“ Jetzt küsste er meinen Nacken. „Mit der richtigen Frau an meiner Seite gibt es nichts Erstrebenswerteres.“ Besitzergreifend zog er mich fester an sich. Seine Worte machten mich glücklich und zauberten ein Lächeln auf mein Gesicht, das einfach nicht mehr verschwinden wollte.

      Wir schwiegen lange und genossen einfach nur den Augenblick. Das Leben mit all seinen Unzulänglichkeiten würde uns früh genug einholen.

      „Hast du Hunger?“ Da hatte es uns wieder.

      „Muss ich aufstehen, wenn ich ja sage?“, fragte ich träge.

      „Ja.“

      „Dann nicht.“

      „Und wenn du nicht aufstehen musst?“

      „Einen Bärenhunger“, gab ich zu.

      „Ich werde etwas besorgen.“ Er wollte sich erheben. Das brachte die Hängematte so heftig ins Schwanken, dass ich herauszufallen drohte. Lachend schloss er mich fest in die Arme. „Jetzt bleibst du für immer bei mir!“

      Sein kindlicher Überschwang brachte mich zum Lachen. „Das klingt wunderbar! Aber du weißt, dass das nicht geht.“

      „Ich liebe dich, Marie, und ich möchte dich bei mir haben! Wenn du nicht da bist“, er suchte nach Worten, „dann fehlt ein wichtiger Teil von mir. Ich lasse dich nicht gehen.“

      Sanft strich ich ihm mit einer Hand über die Wange. „Nein.“

      Er ließ mich los, wandte sich ab und begann, sich anzuziehen. Erneut blitzte Zorn in seinen Augen auf.

      „Es ist ein anderer Mann, nicht wahr?“, kam die gepresste Frage.

      Was sollte das denn? „Es gibt keinen anderen.“

      „Ach, Marie, mach mir nichts vor. Du müsstest jetzt ungefähr fünfundzwanzig sein? Du kannst mir nicht erzählen, dass deine Familie dich nicht verheiraten will! Das ist längst überfällig. Hässlich bist du nicht, alt siehst du nicht aus und dumm bist du sicher nicht. An Bewerbern dürfte es nicht mangeln.“

      Wenn du wüsstest! Laut sagte ich: „Du schmeichelst mir.“ Meine Stimme wurde eindringlicher: „Ich bin verheiratet!“

      „Hab ich es doch geahnt!“ Er sprang auf und, setzte sich gleich wieder, da kein Platz im Raum war.

      „Und zwar mit dir, du ...!“ Ich brach ab, da ich nicht wusste, ob ich lachen oder weinen sollte. „Seit über drei Jahren! Am Hochzeitstag habe ich gesagt, dass ich nie bleiben kann. Du wolltest mich trotzdem! Ich war ehrlich zu dir! Wenn dir das nicht genügt, werde ich gehen!“ In einer kurzen Pause überlegte ich meine nächsten Worte. „Und nie wiederkommen.“

      Ein wenig theatralisch, aber das, was ich fühlte. Wie konnte ein Mann, der eigentlich gar nicht real war, mich so verletzen? Bewusst provozierend blickte ich zu ihm hinüber.

      Gefühle zu verbergen, gehörte nicht gerade zu seinen Stärken. Er biss die Zähne aufeinander, um einen erneuten Wutanfall zu unterdrücke. Seine Faust öffnete und schloss sich in schnellem Rhythmus. Endlich entspannte sich sein Gesichtsausdruck.

      „Ich bin verrückt, Marie - verrückt nach dir.“ Jetzt grinste er. „Sonst habe ich meine Sinne ganz gut beisammen, denke ich.“ Er war zu mir getreten. Seine Hand auf meinen Schultern fragte er: „Wann musst du gehen?“

      Ich schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht. Wenn es Zeit ist zu gehen, gehe ich.“

      Er zog mich zu sich heran und betrachtete mich. „Du verwirrst mich. Ich kenne dich kaum. Ich weiß nicht, ob dein Name Marie ist. Ob es stimmt, dass du aus Mainz kommst. Wie alt du wirklich bist. Was du wirklich machst. Wie du wirklich denkst. Verdammt, ich kenne nicht einmal eine deiner Vorlieben, und dennoch - Ich liebe dich!“

      Die Anspannung, die sich zu Beginn seines Monologs in mir aufgebaut hatte, wich.

      „Irgendwann werde ich dir alles erzählen - und ich liebe Schwertlilien.“

      Er hob seine Brauen. „Ach ja?“

      In dem Moment wurde mir klar, dass Schwertlilien das bourbonischen Königshaus symbolisierten. 1793 war nicht gerade der günstigste Zeitpunkt, um diese Blumen als Lieblingsblumen zu haben. Ich lächelte schuldbewusst und hob leicht die Schultern.

      Der Argwohn auf Napoleones Gesicht verschwand und er lächelte jetzt. „Mutig, das zu sagen – oder dumm.“

      „Es ist wahr.“

      Er hob beschwichtigend die Hand. „Du wirst Schwertlilien von mir bekommen.“ Sein Blick fiel auf die Hosen, die ich getragen hatte. „Die kannst du nicht anziehen. Warte hier, ich besorge dir etwas anderes.“

      Ich bekam einen kurzen Kuss und er verschwand. Es blieb mir keine Zeit zum Nachdenken, denn augenblicklich trat er wieder ein.

      „Hier, der sollte es tun.“ Er reichte mir einen einfachen dunklen Rock. „Der ist von meiner Mutter“, beantwortete er meine nicht gestellte Frage. „Und Essen habe ich auch.“ Mit einer schnellen Handbewegung holte er Brot und getrocknetes Fleisch aus einem Beutel. „Nicht gerade ein Festmahl, aber für Schiffskost nicht schlecht.“

      Ich lächelte und streifte ein Hemd über. „Deine Mutter hat erzählt, dass du jetzt Hauptmann bist.“

      „Oh ja!“, antwortete er nicht ohne einen gewissen Stolz in der Stimme. „Aber was hat es mir gebracht? Wir haben unser Heim verloren.“ Er sank auf den Hocker. „Du hattest von Anfang an recht. Paoli stand nie hinter mir und meiner Familie. Er hat zu viele Jahre im englischen Exil verbracht und betrachtet uns alle mit Misstrauen, weil wir nicht mit ihm gegangen sind.“ Sein trauriger Blick streifte mich. „Du hast mir vor Jahren gesagt, dass ich Korsika nicht befreien kann.“ Das normalerweise leuchtend helle Blau seiner Augen hatte sich getrübt und wirkte stumpf. „Vielleicht sollte ich langsam damit anfangen, dir auch die abwegigen Teile deiner Prophezeiungen zu glauben.“ Genauso schnell, wie die Trauer in seinen Blick gelangt war, verschwand sie wieder.

      „Das ist eine deiner Stärken: Du glaubst niemals irgendjemandem irgendetwas. Du hörst dir an, was es zu sagen gibt, wägst ab und triffst dann deine Entscheidungen.“

      „Ich bin mir nur nicht sicher, ob die immer richtig sind. Ich bin zwar Offizier, aber ich hatte noch nie ein richtiges Kommando. Dabei herrscht Krieg und es gibt viel zu tun! Sieh dir zum Beispiel Toulon an: Dort sind nur Stümper am Werk! Man könnte die Stadt in kürzester Zeit zurückerobern. Mit wenigen Kanonen an den richtigen Stellen wären die Engländer vor Ablauf einer Woche vertrieben. Wenn man mir nur eine Chance geben würde!“

      Auf diese Chance würde er nicht mehr lange warten müssen. Ob ich ...?

      „Schreib etwas, in dem du deine Gedanken zum Ausdruck bringst“, riet ich ihm. „Gegen den Bürgerkrieg, gegen die Aufstände und für den Nationalkonvent. Du hast immer noch Freunde in Paris.“

       In einigen Monaten würde er tatsächlich eine Broschüre mit dem Titel 'Le Souper de Beaucaire' (Das Nachtmahl von Beaucaire) drucken lassen, in der er für den Konvent und gegen den Bürgerkrieg sprach. Sein Landsmann Saliceti in Paris, ein Mitglied des Konvents, würde es lesen und ihm seinen größten Wunsch erfüllen: Als Artilleriekommandeur nach Toulon zu gehen, um die Engländer zu vertreiben. Wie sagt man so schön: Der Rest ist Geschichte.