Название | Einen Verlängerten bitte |
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Автор произведения | Elisa Herzog |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738021011 |
„Liegt das an den Hormonen?“ Sondra schien froh zu sein, das Gespräch in wissenschaftlichere Bahnen lenken zu können.
Terence nickte. „Der Testosteronspiegel…“
„Die männlichen Hormone“, unterbrach ihn Sondra.
„Genau, so ist es, meine Liebe. Es wird weniger und damit nimmt auch die Lust ab, Liebe zu machen.“
„Was ist denn so schlimm daran?“, kam es aus dem Lautsprecher. „Bei Frauen ist es doch genauso.
„Die Konsequenz wäre dann nur noch – kuscheln?“, warf Sondra ein.
„Dann kannste doch gleich in die Grube steigen“, kommentierte Percy verächtlich.
„Wir haben einen Verein für Viagra-geschädigte Frauen gegründet …“
„Kittelschürzen aller Länder vereinigt euch“, deklamierte Percy mit hoch erhobenen Händen.
„Unser Internetblog erfreut sich großer Beliebtheit“, erzählte die Anruferin weiter. „Täglich kommen neue Teilnehmerinnen dazu. Und ich denke, lieber Herr Windermere, Kittelschürzen-Trägerinnen dürften in der Minderheit sein.“
„Terence,“ übernahm Sondra wieder das Ruder, „wird dieser Konflikt in Ihrer täglichen Praxis auch thematisiert? Also der Viagra-willige Mann und die unwillige Frau?“
Terence nickte ernst. „Selbstverständlich, das ist ein Thema, das das Paar als Einheit betrifft. Diese Entscheidung sollte gemeinsam gefällt und dann auch getragen werden.“
„So ein Schwachsinn, entschuldigen Sie, Herr Doktor“, meinte Percy, aber wenn die Alte nicht mehr will, soll der Mann sich eine Jüngere suchen, und basta.“
„Wie sehen Sie das, Mick, als ehemaliges Sexsymbol?“, fing Sondra zu schmeicheln an.
„Ich bin mit meiner Frau seit 28 Jahren zusammen“, sagte der Rockstar. „Alles im grünen Bereich.“ Mit diesen Worten sank er in seinen Sessel zurück. Dieser Mick war anscheinend eine richtige Plaudertasche.
Nun mischte sich Polly Myers ein. „Unsere Bewohner sind diesbezüglich sehr aktiv.“
„Sie sind Leiterin einer Seniorenresidenz“, erklärte Sondra. „Bei Ihnen gehört Sex für die Bewohner zum Konzept. Terence, was sagen Sie dazu? Kann Sex eine therapeutische Wirkung haben?“
„Jeder Mensch braucht körperliche Nähe, um sich wohl zu fühlen. Gerade in Altenheimen sind die Menschen sehr einsam. Hinzu kommt, dass bei bestimmten psychischen und körperlichen Störungen gewisse sexuelle Hemmungen fallen“, setzte Terence an.
„Nun, ich würde den Wunsch nach Nähe und Zärtlichkeit nicht als Symptome einer psychischen Störung auffassen.“ Langsam kam Polly in Fahrt. „Wir haben festgestellt, dass sich, wenn wir auf diese Bedürfnisse Rücksicht nehmen, die Notwendigkeit einer Medikation verringert.“
„Holen Sie sich speziell geschulte Damen ins Haus?“, fragte Barbara Lansing interessiert. Wahrscheinlich formten sich in ihrem Hirn gerade die Grundzüge eines neuen Romans.
Polly lachte. „Natürlich nicht. Die Partner finden sich innerhalb des Hauses.“
„Ich habe eine weitere Anruferin!“ Sondra schien erleichtert. „Wen darf ich begrüßen?“
„Kate.“
„Kate, woher rufen Sie an?“
„Das möchte ich nicht sagen.“
„Das ist kein Problem, liebe Kate“, flötete Sondra. „Was möchten Sie los werden?“
„Mein Mann, wie soll ich sagen… Ich mag einfach nicht mehr von ihm angefasst werden.“
Sondra heuchelte Betroffenheit, insgeheim freute sie sich sicher über dieses brisante Thema. „Das ist schade. Woran liegt es?“
Kate zögerte. „Er ist so ungeschickt mit seinen Händen. Er fuhrwerkt an mir herum wie an einer Maschine. Ich fühle nichts.“
Sondra drehte sich zu Terence. „Was sagt der Experte?“
„Nun, Kate“, fing Terence an. „Lieben Sie Ihren Mann?“
„Ja“, kam es aus dem Lautsprecher.
„Hat Ihr Mann dieses Problem mit den Händen schon länger?“
„Es wurde im letzten Jahr immer schlimmer.“
„Sie sollten mit ihm zuerst einmal zum Arzt“, riet Terence. „Vielleicht hat er eine Sensibilitätsstörung in den Händen. Klären Sie das bitte ab. Und dann“, nun beugte er sich in Richtung Kamera, „sollten Sie es einmal mit Massage versuchen.“
„Massage?“ Kate klang nicht überzeugt.
„Ja. Versuchen Sie es. Ein schön duftendes Massageöl, und dann massieren Sie sich gegenseitig von Kopf bis Fuß. Das macht die Gelenke geschmeidig und sorgt für eine erotische Stimmung.“
„Sticken kann ich nur empfehlen“, mischte sich Mick Happ unvermittelt ein.
Alle Köpfe wandten sich ihm ruckartig zu. Sondra blieb einige Sekunden lang der Mund offen stehen, bis sie ein ungläubiges „Sticken?“ herausbrachte.
„Das schult die Feinmotorik“, sagte Mick Happ, den Sue eigentlich immer als handfesten Typen eingeordnet hatte.
Sie sah auf die Uhr. Sticken gegen Grobmotorik? Sue sah schon ganze Männerclubs beim Erstellen von Zierkissen vereint. Würden Männer auch Blümchen oder Vögelchen sticken, oder eher männliche Sujets wie Maschinen oder vollbusige Damen? Sue hätte die Vertiefung dieses Themas gerne weiter verfolgt, aber es nützte nichts. Die Würstchen warteten.
5
Auch im 21. Jahrhundert gab es noch das alte England. Das Hanni-und-Nanni-England aus Sues Kindheit in den Siebzigern mit Cricket, schlechtem Essen und der Überzeugung, jedes Problem oder Wehwehchen mit einer Tasse Tee kurieren zu können. Die St. Jacob School for Boys in Marylebone Hill House, ein burgähnliches Gebäude aus edel gedunkeltem Backstein mit unzähligen Türmchen und Erkerchen, stand für dieses England.
Diese edle Aura war jedoch nicht umsonst zu haben. Die Jahresgebühr der Schule war so unverschämt hoch, dass sie dafür in Hallstatt etliche Liegenschaften hätten kaufen können. Sue als Kontinentaleuropäerin (die für die Briten immer im Ruf standen, etwas seltsam zu sein) stand öffentlichen Schulen nicht ablehnend gegenüber, aber für Terence hatte es nie zur Diskussion gestanden, seine Kinder nicht auf standesgemäße Privatschulen zu schicken. Die Netzwerke, Sue, denk’ an die Netzwerke, die sie dort knüpfen! Bis jetzt hatte sich das jedoch noch nicht ausgezahlt, dachte Sue. Amys Freundinnen machten auf sie nicht den Eindruck, als hätten sie je die Absicht, sich mit einem Beruf den Lebensunterhalt zu verdienen. Lernen war ja so lästig, noch dazu, wo sich das gesamte Wissen alle fünf Jahre verdoppelte. Wieso dann überhaupt anfangen? Sie nahmen sich eher Frauen wie Pippa, die Schwägerin von Prince William, zum Vorbild und kultivierten äußere Werte und das geschäftige Nichtstun. Die Jungs waren allerdings auch nicht viel besser. Beruf: „Sohn“ stand auf der Karrierewunschliste von Philipps Klassenkameraden ganz weit oben. Die einzige Alternative war das Gründen von Firmen (mit Daddys Geld natürlich), mit denen sie innerhalb kürzester Zeit immensen Reichtum anhäufen würden. Leider fehlte der Anreiz zu harter Arbeit, weil diese Jungs ja bereits reich waren. Diese Möglichkeit war Philipp verwehrt. Die Urquharts hatten zwar einen makellosen Stammbaum vorzuweisen, der bis ins 14. Jahrhundert zurückreichte, aber reich waren sie nicht mehr gewesen, seit der Ur-Ur-Großvater von Terence das Familiensilber beim Wetten verloren hatte. Anders sah es aus beim Sohn von Paulina Worthington, die gerade ihren Range Rover vor dem Schultor parkte (für Menschen wie sie schien immer gerade der gewünschte Parkplatz frei zu werden). Die gebürtige Tschechin war eines der Super-Models der Achtziger und hatte den dritten Sohn eines Earls geheiratet. Sie musste mittlerweile stramm auf die Vierzig