Strasse nach Andalusien. Chris Doelderer

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Название Strasse nach Andalusien
Автор произведения Chris Doelderer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783752952056



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so groß, weil Manolo da Silva ihr viele Reparaturen und schwere Arbeiten im Haus abgenommen hatte.

      „Señora Galino, Sie finden sicher wieder jemanden.“, tröstete er die alte Dame zum Abschied. Er ging zum Busbahnhof und fuhr in Richtung Süden seinem Schicksal entgegen.

      In Andalusien lief es für Manolo da Silva einige Jahre gut. Irgendwann verschlug es ihn nach Tarifa. Eine Bekanntschaft namens Marlena besuchte ihn von Zeit zu Zeit, wusch seine Wäsche und stand auch für speziellere Vergnügungen zur Verfügung. Manolo spürte, dass sie ihn mehr mochte als alle anderen Menschen in seinem bisherigen Leben. Mit Ausnahme von Bruder Egidius, einer der Ordensbrüder, aber das war schon illegal…

      Die Instandsetzung der Boote machte ihm Spaß, aber lieber mochte er, wenn einer der Fischer ausfiel und er mit einem Boot hinaus auf das Meer fahren konnte. Die Passatwinde waren zwar nicht ungefährlich, dafür brachten sie die Fische in Bewegung und in die Netze. Jeder erfolgreiche Fang wurde nach der Rückkehr ausgiebigst gefeiert. Mit der Zeit wurde die Auftragslage miserabler und Manolo musste sich erneut entscheiden. Er verfluchte den kommerziellen Fischfang der Großindustrie.

      Eine neue Gelegenheit bot sich ihm in Form eines Inserates einer lokalen Zeitung.

      Suche männliche Person, als Reisebegleitung ins Ausland. Einwandfreier Leumund und Flexibilität werden vorausgesetzt.

      Manolo da Silva trennte die Telefonnummer ab, steckte sie in seine Hosentasche, zog sie wieder raus, las nochmals die Nummer, während ein kleiner Windstoß den Rest der Annonce über den noch leeren Park hinweg wehte.

      … Dunkles, blauschimmerndes Licht empfing mich, als eine attraktive Frau die Tür Nr. 112 öffnete. Ich versuchte, meine Augen an den matten Lichtschein zu gewöhnen. Nachdem ich eingetreten war, bot mir die Frau einen Drink an. Als ich das Glas entgegennahm, fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Sie war die gut gekleidete Frau, die mir im Postamt über den Weg gelaufen war.

      „Señor?“

      „Entschuldigen Sie Señora, ich heiße Romero!“

      „Jesus Romero“, stellte ich mich vor.

      „Nicht verwandt mit dem großen Pepe Romero dem Flamencospieler!“, fügte ich ungefragt hinzu.

      „Nun Señor Jesus Romero, dann erzählen Sie mir, was Sie in letzter Zeit so gemacht haben?“ Begeben wir uns gleich „In medias res“, wie es so schön heißt.“

      Ich verstand zwar nicht, was sie mit „In medias res“ meinte, kam ihrer Bitte jedoch nach. Sie sah mich interessiert an, nippte an ihrem Glas, ohne wirklich zu trinken.

      „Kennen Sie Sticky Fingers Señora?“

      „Nie gehört, sollte ich?“, erkundigte sie sich mit gelangweiltem Unterton.

      „Rolling Stones 1971. Das Album mit dem Reißverschluss.“

      „Señor Romero … “, kam es leicht genervt, „solche Details sind für mich und Ihren zukünftigen Arbeitgeber nicht relevant … Sie verstehen, was ich meine?“

      „Kein Problem Señora, ich meinte damit, dass ich Plattenverkäufer war und das mit Erfolg!“, erklärte ich selbstbewusst.

      Die abgebrochene Lehre und die Gelegenheitsjobs

      davor erwähnte ich nicht. Sie bohrte auch nicht mehr nach.

      „Señora, nun würde ich gerne wissen, was es mit der Annonce auf sich hat, was ist das für ein Job?“

      Elegant angelte sie nach einer Zigarette, die sie aus einer edlen Holzschatulle entnahm und meinte: „Geduld Señor Romero, Geduld zählt nicht zu ihren Stärken, oder?“

      Mit fragender Bewegung hielt sie mir die Zigarettenbox hin.

      „Rauchen Sie?“

      „Danke, habe ich vor langer Zeit aufgegeben. Ich konnte mein morgendliches Hustenritual nicht mehr ertragen, Sie sollten sich auch davon befreien“, empfahl ich mit Genugtuung.

      „Sollte ich …“, kam es lapidar retour.

      Sie schenkte sich ein neues Kristallglas mit Wein ein, stellte das andere, das offenbar nicht ihren Geschmack getroffen hatte auf den Tisch zurück.

      In diesem kurzen ruhigen Augenblick, der

      möglicherweise absichtlich herbeigeführt worden war, suchten meine Augen den Raum nach Anhaltspunkten ab. Düsteres Ambiente dachte ich gerade, als ein Geräusch aus einer Ecke hinter mir mich herumfahren ließ. Meine Augen suchten panisch den Grund dafür. Quietschen durchbrach die Stille, es hörte sich an, als ob jemand mit gummibesohlten Schuhen auf einem Parkettboden gehen, nein eher schlurfen würde.

      Ein Schatten löste sich aus der Dunkelheit, es war ein gut beleibter Mann im Rollstuhl, der sich zu mir herschob.

      Mein erster Gedanke war: Sieht aus wie der Schriftsteller „Orson Welles“.

      „Entschuldigen Sie mein Benehmen Señor Romero!“, begrüßte er mich mit kräftiger, dunkler Stimme.

      „Sie heißen doch Romero?“

      Ich nickte. Er erklärte mir, dass er aufgrund einer

      Augenkrankheit helles Licht nicht ertragen konnte, und deshalb Stimmen für ihn oftmals aufschlussreicher seien als so mancher Lebenslauf.

      Ich fragte ihn, ob eine Brille nicht hilfreich wäre.

      „Es gibt einen Grund, warum nicht …, Eitelkeit, pure Eitelkeit! Kennen Sie Aristoteles Onassis?“

      „Ja klar!“

      „Solch starke und viel zu große Brillen müssten es sein, aber wie gesagt die Eitelkeit! Ja und auch dieses Gefährt habe ich mir nicht gewünscht!“

      „Wie kam es?“, wollte ich wissen und deutete auf den Rollstuhl.

      „Unfall!“, war die knappe Antwort.

      Die hübsche Frau, deren Namen ich nach wie vor nicht wusste, rauchte schweigend ihre Zigarette. Trotz des Qualms übernahm ihr Parfüm die Kontrolle im Zimmer.

      „Señor Romero, ich muss Sie bitten, sich bis morgen Abend zu gedulden. Ich erwarte noch eine Person und dann werde ich mich weiter erklären. Gehen Sie hinunter in die Bodega und genießen Sie den Abend, die Bedienung weiß Bescheid! Falls Sie es sich anders überlegen sollten, wäre das auch kein Problem, aber ich denke wir kommen ins Geschäft.“

      „Schön Señor, ich habe momentan nichts Besseres vor, ich werde auch noch bis morgen warten können!“, gab ich zur Antwort.

      „Buenas noches, Señor Romero!“, verabschiedete er mich und rollte in seine Ecke zurück.

      Die Señora begnügte sich mit einem schlichten „Adiós“ und hob verabschiedend ihr Glas.

      Plötzlich hielt sie inne.

      „Haben Sie eigentlich ein Zimmer für diese Nacht? Ansonsten kann ich Ihnen hier eines zurechtmachen lassen.“

      „Danke Señora, ich nehme Ihr Angebot sehr gerne an.“

      … Langsam rollte ein Bus der Iberostarlinie in das Fischerdorf Santa Rosita ein. Unten am Pier sollte für die Reisenden Endstation sein.

      Der Bus parkte und alle Ankommenden stiegen aus.

      Auf seinem vorgeschriebenen Kontrollgang blieb der Fahrer plötzlich stehen und fluchte. Mit einem kräftigen Fußtritt weckte er einen Schlafenden in der letzten Reihe.

      „“Endstation, raus hier, ich will endlich Feierabend machen!“

      Manolo da Silva glotzte ihn verdutzt an, rieb sich die Augen, nahm seinen Seesack und ging wortlos an dem Chauffeur vorbei. Im Freien warf er seinen Sack über die Schulter, und sog gierig die frische Meeresluft ein. Ein Griff in seine Hosentasche entlockte ihm ein zufriedenes Nicken. Er zog den Rest der Annonce, heraus, steckte sie wieder ein und schritt mit flotten Schritten hinauf ins Dorf. Eine streunende