Ad Personam - Die Selbsthilfegruppe. Anita Lang

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Название Ad Personam - Die Selbsthilfegruppe
Автор произведения Anita Lang
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783753187006



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die vielleicht auch hellblau ist.

      „Die zwei Nymphensittiche sind mein ein und alles“, säuselte sie schwärmerisch.

      „Das glaub ich dir ung‘schaut, dass du da nicht schlafen kannst“, meinte Jan. „Wenn deine Viecher trällern.“

      Also mit dem Schlaf hab ich selten Probleme. Was könnte die noch sein, Designerin oder Musikerin? Die keine Menschenseele zum Plaudern findet. Ich bin Künstler der modernen Art, designe Webseiten, gestalte Onlinespiele. Meine Ideen fliegen ein und setzen sich kurz. Bereit, von mir eingefangen zu werden. Dann muss ich sie rasch zu Papier bringen, sie skizzieren. Wenn du dein Bestes gegeben hast, folgt auf den Fuß ein Gefühl der Leere. Alles, was konstruiert ist, ist angreifbar und der Zerstörung preisgegeben. Schlicht ist mein Büro im Neunten eingerichtet, sonst kann ich nicht ungebremst denken. Ich brauche weiße Wände, nicht zu viel Firlefanz, der mich ablenken könnte. In einem Altbau riecht das Treppenhaus vertraut, heimelig nach Kartoffelgerichten und frisch gestrichenen Wänden.

      Jan, der Arzt, ist fünf Jahre älter als ich. Er kleidet sich wie ein Student. Jeans, rotes T-Shirt und trägt eine teure Markenuhr, die er des Öfteren poliert. Sicher ist er sehr tüchtig und wird von seinen Patienten geschätzt. Ihn hätte ich gerne zum Freund. Was er wohl für ein Anliegen hat? Den kann, glaube ich, gar nichts umhauen. Die Lehrerin, etwas unfrisiert, mit interessanten grünen Augen unter dünnen Augenbrauen. Sie wäre die trendy Obst- und Gemüseesserin, tolerant und Verständnis gebend. Sabine, jetzt fällt's mir wieder ein. Der jüngere Fußballspieler Horstl hat wenig von sich gegeben. Braun gebrannter Familienvater von zwei Kindern. Trägt einen Dreitagebart. Der eherne Arbeitsalltag habe ihn ernst werden lassen, sagte er.

      Von der U-Bahnstation aus geht Wigand zu Fuß. Sein dunkelgrüner Peugeot parkt wie ein treu wartender Gaul vor dem Apartmentkomplex. Öffis fahren bringt entschieden mehr Denkfreiheit. Ich muss mich weniger herumärgern. Wenn ich Stoßzeiten meide. Aus den gestutzten Gartenhecken und ihren Häusern ragt in der Ferne der Donauturm. Von seiner Spitze blinkt Licht, ringend um die Aufmerksamkeit vorbeifliegender Hubschrauber und Flugobjekte. Es ist still hier. In den Außenbezirken hört man das Zwitschern der Vögel, das Rauschen des Windes. Jetzt bin ich mein Unbehagen los geworden. Ein Anfang ist gemacht, ich bin nicht mehr so elendig allein mit meiner Misere. Mit ihrer Hilfe werde ich dahinter kommen. Was es auf sich hat. Ob mir meine Fantasie einen Streich gespielt hat.

      Einmal wieder so sorglos entspannt sein, wie vor zehn Jahren. Wenn ich mir die Nachrichten aus anderen Ländern reinziehe, die über die Weite des Himmels laufen, müsste ich eigentlich zufrieden sein. Hochwasser in Bangladesch, Erdbeben in Haifa. Ein Desaster mit dem Trinkwasser in Südafrika. Gedankensprung. Das haben wir hier erfreulicherweise nicht zu befürchten. Zudem ein Job, der mich ausfüllt, eine gesicherte Existenz. Ich sollte zufrieden sein.

      2. Kapitel

      Einer hat mein Auto umgeparkt. Ich bin mir absolut sicher: es stand direkt im Sichtfeld meiner Fenster. Ich dachte noch, als ich es abschloss, der Platz sollte für mich reserviert sein. Auf einmal fand ich es eine Ecke weiter. Rückspiegel und Sitz waren auf meine Größe eingerichtet. Der Buchplan lag auf dem Beifahrersitz. Zuletzt hatte ich ihn in der Kunststoffhalterung an der Wagentüre verstaut.

      „Wie könnte jemand an deine Schlüssel gekommen sein?“ Jan Kleister ist sichtlich interessiert, den Fall aufzuklären.

      „Die waren im Vorzimmer. Wer immer meine Autoschlüssel hat, müsste zuerst in meine Wohnung gelangt sein.“

      „Schau, mein Freund“, meint Jan. „Ich vergess auch oft, wo ich meinen SUV hingestellt habe. Das kann passieren.“ Er drücke dann bloß auf seine Fernbedienung, um ihn wiederzufinden.

      „Der Buchplan“, sage ich und zeige auf. „Wie ist der auf dem Sitz gelandet?“

      „Zerstreutheit.“ Abwägend neigt er den Kopf hin und her. „Ich bin zwar Orthopäde, doch während des Studiums haben wir uns mit psychischen Phänomenen beschäftigt.“

      Bei Erwähnen der Universität ist Frau Magistra Ahnvoll hellwach.

      „Herr Lebkuch“, sagt sie. „Wie ist es um ihre Essgewohnheiten bestellt?“

      „Wie jetzt, da hat sich kaum was verändert.“

      „Ich meine, essen sie regelmäßig? Haben sie Appetit?“

      „Ja sicher. Wenn ich in meine Arbeit vertieft bin, plagt mich oft der Hunger. Dann mache ich weiter, um fertig zu werden. Ich falle schon nicht vom Fleisch.“ Gertrud kritzelt auf ihr Board und hebt erneut an, zu fragen.

      „Und wie sieht es mit ihren Schlafgewohnheiten aus?“

      „Null Problemo.“ Als hätte das was mit meinem Auto zu tun. Das sich anscheinend geisterhaft umgeparkt hat. Demonstrativ schaue ich ins Leere, dann auf den dunkelroten Vorhang.

      „Herr Doktor Kleister.“ Ohne Umschweife reicht sie das Wort an Jan weiter.

      „Es kommt aus dem Nichts.“ Eben wäre noch alles okay. Doch als er, im Vorbeigehen, die Sonnenblumen in den Bodenvasen am Blumenkiosk gesehen hätte, bekam er schreckliche Beklemmungen. So eine Art Atemproblem, das ihm die Luft abschnürt. „Am liebsten würde ich wegrennen. So schnell ich kann. Wäre da nicht diese Befindlichkeit.“

      „Was fällt ihnen spontan dazu ein? Zu den Blumen.“ Es ist leise im Raum. Gitta scharrt mit den Zehenspitzen unter ihrem Sessel. Adele räuspert sich und fischt ein Bonbon aus ihrer Handtasche. Nur zu gerne wüsste ich, was sie mit sich herumträgt. Sicher die Notfallapotheke, Pflaster für die Kinder. Deodorant und Taschentücher. Nagelfeile. Ob es einen großen Unterschied macht – zwischen den Dingen, die eine ältere Dame mitnimmt oder einer jungen?

      „Ich vermisse den Respekt im täglichen Umgang“, meldet sich Jan nach der Denkpause zurück. „Ja, das wünsche ich mir.“ Selbst wäre er ein gehorsames Kind seines Vaters gewesen, der Professor im anatomischen Institut sei. Der keine Frechheiten geduldet hätte.

      „Wollen sie darüber erzählen?“

      „Es war so dies und das. Nichts von Belang. Ich musste mir überlegen, wie ich etwas sage. Da war er äußerst penibel und ist es immer noch. Ich wurde oft angeschrien.“

      „Sind sie der Meinung, dass sie das belastet?“

      „Das war schon in Ordnung so, jeder auf seinem Platz.“ Jedoch findet er, dass ihn seine Zustände unglücklich machen.

      „Ich kann ihnen ein Medikament empfehlen“, sagt sie. „Für die akuten Situationen.“

      „Danke, ich bin schon bei einem Therapeuten gewesen“, sagt Jan und senkt resignierend den Kopf. „Aber es hilft mir ein wenig, wenn ich darüber reden kann.“

      Gitta Monserat ist aufgetakelt und regt sich fürchterlich auf, dass sie den khakifarbenen Nagellack mit der Nummer elf in der ganzen Stadt gesucht habe.

      „Der ist jetzt total angesagt.“ Schrill leiert sie uns die Ohren voll. Ein Geschäft nach dem anderen habe sie abgeklappert und sie zählt sie auch noch auf. Jedes Mal die Parkplatzsuche, die Gebühr für die Kurzparkzone. Der spezielle Lack für ihre kultivierten Finger war jedoch ausverkauft.

      „Ich hätte einfach eine ähnliche Farbe genommen“, sagt Adele mit einem Augenzwinkern. „Problemchen gelöst.“ Zuversichtlich lächelt sie in Gittas trotziges Gesicht.

      „Das versteht ihr nicht, wie das ist im Showbusiness.“

      „Aus dem Publikum kannst du so eine Farbnuance gar nicht ausmachen. Was hast du nochmal gesagt, was du beruflich machst?“

      „Ja sag schon“, wirft Jan ein und richtet sich gerade, aus seiner bequemen Sitzposition. Auf einmal sieht er aus wie Euer Ehren aus der Gerichtsdoku.

      „Ich möchte hier nicht ins Detail gehen. Aber mein Erscheinungsbild ist äußerst wichtig.“

      Rasch richtet sie den Fokus auf ihr eigentliches Problem. Das wären ihre Albträume. Sie handeln von absurden Operationen,