Название | Rizin |
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Автор произведения | Lothar Beutin |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783847640813 |
Mit der Entwicklung biologischer Waffen seit den 1940 Jahren hat auch die biologische Forschung, wie vorher schon ihre Schwestern Physik (Atombombe) und Chemie (Gaskrieg) ihre Unschuld verloren. Politik, Militär und Geheimdienste interessieren sich seitdem für biologische Forschung und Institute unter militärischer Kontrolle wurden in vielen Ländern gegründet. Schon der Verdacht, gegnerische Staaten oder Terroristen könnten biologische Waffen entwickeln oder vorrätig halten, erzeugt den Bedarf nach Abwehrmaßnahmen und sogar nach kriegerischen Präventivschlägen wie in jüngster Zeit. In einem solchen Klima gedeihen geltungssüchtige und paranoide Charaktere, wie im Roman durch Professor Horst Griebsch dargestellt, und können in der Hierarchie schnell aufsteigen. Ähnlich wie im Film und Theater gibt es auch in der Wissenschaft nur wenige Stars, mit den dementsprechenden Allüren. Der Prototyp eines solchen Menschen im Roman RIZIN ist der Institutsleiter Professor Herbert Krantz. In dieser Gemengelage geraten eher naive Forscherpersönlichkeiten wie Leo Schneider und Beatrix Nagel aus ihren wissenschaftlichen Elfenbeintürmen und müssen im Strudel von Ereignissen sich Realitäten stellen, die sie zu Handlungen zwingen, die ihnen vorher gänzlich unvorstellbar erschienen. Aber auch der Mut vieler Menschen und der Wille gegen die sogenannten Sachzwänge ihre Menschlichkeit zu bewahren, bestimmt den Verlauf der Handlungen viel mehr, als es den Mächtigen und den Machern lieb ist.
Der Roman RIZIN ist mehr als ein bloßer Wissenschaftskrimi. Ich habe mir daher erlaubt, Sie in einzelnen Abschnitten auf einfache Art in die wichtigsten Fakten und mikrobiologischen Hintergründe einzuführen, ohne dass der Spannungsbogen zerrissen wird. Ich hoffe, es wird Ihnen sicher helfen, aktuelle Diskussionen um Biowaffen und Bioterrorismus besser zu verstehen und sich daran auch aktiv beteiligen zu können.
Berlin, im September 2011/Juni 2013
Lothar Beutin
PROLOG
Montag, der 25 April 20..
Leonhard Schneider ärgerte sich, dass er um zehn Uhr abends noch ins Institut fahren musste. Aber nach dem Anruf von Tanja war er zu besorgt, um zu Hause am Kamin weiter sitzen zu bleiben. Es war Ende April, der Himmel war schon seit Stunden dunkel und Schneider fuhr über die regennassen Straßen durch die Berliner Innenstadt zu seinem Arbeitsplatz am Institut für experimentelle Epidemiologie. Als er nach einer halben Stunde das Institutsgelände erreichte, sah er nur ein paar Lichter durch die Flurfenster des vierstöckigen Laborgebäudes scheinen. Natürlich, selbst die hartnäckigsten Forscher waren inzwischen nach Hause gegangen, in den Büro- und Laborräumen war kein Licht mehr zu sehen. Der Anruf von Tanja war kurz gewesen und plötzlich abgebrochen.
„Leo? Tanja hier! Du, alles ist durcheinander und die Rizinpräparate ...“, dann ertönte das Besetztzeichen.
Schneider versuchte Tanja zu Hause anzurufen, nichts! Dann ihr Handy und danach die drei Nummern in den Büro- und Laborräumen. Wieder nichts. Tanjas Handy war abgeschaltet. Er sprach eine Nachricht auf ihre Mailbox. Nach ihren Worten schien es klar, dass sie vom Institut aus angerufen hatte. Schneider wusste, dass Tanja diese Tage alle acht Stunden ins Labor kommen musste, um die Botox-Produktion in Gang zu halten. Jedenfalls wollte er zuerst zum Institut fahren, und falls sie dort nicht wäre, bei ihr zu Hause vorbeischauen. Nachdem er noch ein paar Minuten überlegt hatte, zog er seine Regenjacke an, setzte sich in sein Auto und machte sich auf den Weg.
Schneider war schon oft nachts im Institut gewesen, manchmal war das arbeitstechnisch notwendig. Jedes Mal war es eine eigenartige Stimmung, weil niemand in dem sonst so belebten Gebäude unterwegs war. Durch die Abwesenheit der Menschen waren die Geräusche der Maschinen und des ganzen Gebäudes plötzlich sehr präsent. Ein wenig unheimlich war es, wenn man allein durch die leeren Flure lief, oder im Labor arbeitete.
Als Schneider durch die Pforte des Instituts ging, saß da der Nachtwächter in dem Glaskasten, wo am Tag der Pförtner Anrufe entgegen nahm. Nachdem Schneider sich in das Besucherbuch eingetragen hatte, durchquerte er eine zweite Tür, die sich hinter der Pforte befand. Er kam in das bei Tag so hellerleuchtete Foyer mit dem glänzenden Marmorboden. Es lag jetzt im Halbdunkel, nur schwach erleuchtet von den roten Dioden der Lichtschalter. Schneider lief an der Marmorbüste des Institutsgründers vorbei, bis zu der Treppe, die ihn zu einer Passage führte, welche den Altbau mit dem Neubau verband. Durch die Fenster der überdachten Passage konnte man auf den nur spärlich beleuchteten Innenhof schauen. Auf der linken Seite im Erdgeschoss des Neubaus sah man die dunklen Fenster der Kantine, daneben lag der Eingang, den man nur vom Hof aus betreten konnte. Noch weiter rechts lag das Büro von Hartmann, der die Elektronenmikroskopie leitete. Dort brannte noch Licht. Von der Passage aus konnte Schneider nicht soweit in das Büro hineinschauen, um zu sehen, ob Hartmann dort noch saß. Auf dem Hof standen zwei Autos, auch das war nichts Ungewöhnliches, manche ließen ihre Wagen die ganze Nacht auf dem Gelände stehen. Vielleicht waren doch noch einige da, die jetzt arbeiteten. Als er den Durchgang überquerte, konnte er das dreistöckige Nebengebäude sehen, in dem sich die Wohnungen des Hausmeisters und der Institutsgäste befanden. Aus der Wohnung des Hausmeisters leuchteten die flackernden, kalten Strahlen eines Fernsehers durch die geschlossenen Vorhänge. Nur in einer der darüber liegenden Gästewohnungen brannte Licht.
Nachdem Leo Schneider durch den Verbindungsweg in den Neubau gelangt war, befand er sich in einem Vorraum, der mit Briefkästen für die einzelnen Arbeitsgruppen bestückt war. Wer weiter zu den Laborräumen wollte, musste durch eine Tür, die nur mit Chipkarte zu öffnen war. Das Licht an der kleinen Box wechselte von Rot nach Grün, als Schneider seine Karte davor hielt. Die Tür öffnete sich geräuschlos. Dahinter verliefen zwei dämmrige Flure strahlenförmig voneinander ab, um im rückwärtigen Teil des Gebäudes, dessen Grundriss wie ein Dreieck aufgebaut war, auf die Seiten eines dritten Flurs zu treffen. Von diesem Flur aus gelangte man in die Labore und das Büro von Schneider. Alle Wege lagen im Halbdunkel, nur spärlich erleuchtet von dem Licht, das die kleinen grünen Kästen, die die Fluchtwege anzeigten, aussandten.
Schneider hätte die Flurbeleuchtung einschalten können, aber ein besorgtes Gefühl, das sich nach dem Anruf von Tanja eingestellt hatte, hielt ihn davon ab. Er wollte seine Ankunft nicht durch deutliche Signale ankündigen. Außerdem entschied er sich, über den rechten Flur zu gehen. Eigentlich war das ein Umweg, wenn man direkt zu seinem Labor wollte. Aus der geöffneten Tür des im Innentrakt gelegenen Zentrallabors kamen brummende Maschinengeräusche. Dort standen die Ultrazentrifugen. Schneider schaute vom Flur aus in den dunklen Raum und konnte die Positionen der wuchtigen Zentrifugen an den kleinen Lämpchen, die auf ihren Konsolen in verschiedenen Farben leuchteten, schemenhaft erkennen. Ein Gerät lief pfeifend auf hohen Touren, ein auf Dauer schwer erträglicher Ton, deshalb machte man solche Zentrifugenläufe gerne nachts, wenn kaum jemand da war.
Schneider lief den Flur weiter entlang und horchte in die Dunkelheit. Manchmal hörte er ein Knacken, ein Kühlschrank sprang an, ein Ventilator sirrte, immer gab es