Tor für die Liebe. Elena MacKenzie

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Название Tor für die Liebe
Автор произведения Elena MacKenzie
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742733573



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Euro hatte dieses wundervolle Paar gekostet. Es war das einzige wundervolle Paar, das ich besaß. Nein, das ging gar nicht.

      Ich öffnete die Schnallen der Sandalen und glitt behutsam aus den kobaltblauen High Heels. Dann öffnete ich die Tür und stellte meine Füße angewidert in den weichen Schlamm, der sich sofort zwischen meine Fußzehen stahl.

      »Oh«, seufzte ich erstaunt. »Das ist gar nicht so schlecht.« Ich stieg aus dem Auto und stapfte etwas im Schlamm herum, der warm und feucht meine Fußsohlen umspielte. »Das ersetzt glatt jede Pediküre und kostet nicht mal was.«

      Auf dem Display meines Handys zeigte sich noch immer kein Balken. Ich bewegte mich etwas weg vom Auto, den Weg hinauf, der leicht anstieg, und hielt das Telefon gen grauen Himmel.

      Dicke Regentropfen klatschten mir ins Gesicht. Aber was sollte ich mich denn wegen meiner Frisur aufregen? Gerade hatte ich schlimmere Probleme. Hinter mir hörte ich das Brummen eines Motors näher kommen. Ich wandte mich dem Geräusch zu und sah dem Motorrad erleichtert entgegen. Wenigstens könnte es mich bis ins Camp bringen. Dann könnte ich von dort aus einen Abschleppdienst bestellen. Ich platzierte mich in der Mitte des Matschpfades und wedelte mit den Händen, als Zeichen, dass der Fahrer anhalten soll. Vielleicht hätte ich besser den Daumen seitlich rausstrecken sollen und meinen Oberschenkel entblößen. Das Motorrad schoss geradewegs auf mich zu und noch bevor ich mich wundern konnte, dass es nicht langsamer wurde, donnerte es an mir vorbei und ließ mich schockiert in einer Fontäne Matsch stehen, die mein dunkelblaues Seidenkostüm von oben bis unten mit Dreck besudelte.

      »Du Idiot, ich stehe nicht aus Spaß hier«, brüllte ich dem Fahrer hinterher. Den schien mein Ausbruch nicht zu interessieren, denn im nächsten Augenblick waren er und sein fahrbarer Untersatz verschwunden. Ich sah an mir herunter und wollte nur noch heulen. Die Natur konnte mich genauso wenig leiden wie ich sie.

      Aber ich hatte Glück, wenn man das so nennen durfte in dieser Situation. Ein Traktor näherte sich mir tuckernd und blieb neben mir stehen. Ein rundlicher Mann mittleren Alters grinste von oben auf mich herab – mir entging nicht, dass seine Augen nicht auf mein Gesicht sondern auf meine Körbchengröße DD gerichtet waren, aber das war ich gewohnt. »Haben Sie eine Panne?«

      Wonach sieht das hier denn sonst aus? »Ja. Haben Sie ein Seil?«

      »Nein«, rief er gegen den Wind und das Motorengeräusch des in die Tage gekommenen Fendt an. Ich kannte die Firma Fendt, weil ich mal einen Artikel über eine wohlhabende Landfamilie und ihr riesiges Anwesen geschrieben hatte. Die Männer der Familie waren Fans der Firma Fendt, so wie Unsereins Fan von Apple oder Manolo ist.

      »Aber ich könnte Sie mitnehmen. Wo soll es denn hingehen?«

      »In das Trainingscamp. Ich bin Reporterin. Aber Sie haben ja keinen Platz mehr auf Ihrem Traktor.«

      »Auf meinem Schoß ist immer ein Plätzchen«, sagte er und wackelte mit den Augenbrauen.

      Ich schnappte entrüstet nach Luft und wollte ablehnen, aber mittlerweile war ich durch und durch nass und fror. Der Frühling war dieser Tage sehr wechselhaft. Heute Morgen noch strahlte die Sonne von einem wolkenlos blauen Himmel. Und jetzt regnete es schon seit Stunden - so wie übrigens auch die ganzen letzten Tage; fünf Minuten Sonne, und 23 Stunden und 55 Minuten regen. Ich könnte also noch die ganze Nacht hier verbringen, oder mich auf den Schoß dieses Lustmolchs setzen und mich von ihm dorthin fahren lassen, wo es hoffentlich ein Telefon gab.

      »Also gut. Lassen Sie mich nur noch meine Handtasche holen und das Auto zuschließen.« Ich stapfte durch den Matsch, der sich gar nicht mehr so gut anfühlte, zu meinem Auto, angelte nach meiner Handtasche und zog den Schlüssel aus dem Schloss.

      Am Traktor angekommen reichte der Herr mir eine Hand nach unten und half mir auf den kleinen dunkelgrünen Fendt. Ich setzte mich seitlich auf seinen Schoß, so dass er noch freien Blick auf das hatte, was eine Straße sein sollte, und ignorierte die schmutzige, nach Kuhmist riechende Kleidung. Mein Kostüm war ohnehin hinüber.

      Hüpfend und ruckelnd ging es an einer weiteren Kuhweide, einer in die Tage gekommenen Scheune und einem Bauernhof vorbei. Ich musterte die kleine weiße Kapelle am Wegrand lächelnd, weil sie so nett anzusehen war. Am Ende der Huckelpiste führte uns der Weg an riesigen Stapeln mit Baumstämmen vorbei und schließlich in einen Wald hinein.

      »Ich bin übrigens der Horst. Wenn wir schon so nah beieinander sitzen, sollten wir doch zumindest unsere Vornamen kennen. Und ich wüsste gerne, wie so ein hübsches Mädchen heißt.«

      Ich unterdrückte ein unbehagliches Herumrutschen auf dem Schoß von »Horst«. »Jennifer.«

      Dank des dichten Blätterdaches war es von oben und von unten deutlich trockener. Ich sah zu den Wipfeln der Bäume hinauf und sog tief die würzige Waldluft ein. Als Kind war ich mit meinen Eltern oft im Wald gewesen. Mir war gar nicht bewusst gewesen, dass ich den Geruch vermissen könnte. Aber offensichtlich tat ich es, denn ich genoss den Duft. Dieses kurze Aufflackern von Akzeptanz für die Natur wurde aber sofort wieder zunichte gemacht, als mich eine Mücke in meine Wange stach. Ich schlug nach dem Miststück und ohrfeigte mich selbst.

      »Kein Grund sich zu schlagen, Mädchen. Wir sind gleich da.« Horst deutete mit seinem Kinn auf eine lichter werdende Stelle vor uns.

      Ich strich meine Haare glatt, aber in dem Moment, wo ich das tat, fiel mir sofort ein, wie sinnlos das sein musste. Wahrscheinlich sah ich aus wie eine begossene Vogelscheuche mit Waschbärenaugen. Ich versuchte zumindest etwas von der garantiert verlaufenen Wimperntusche aus meinem Gesicht zu wischen. Aber ohne Spiegel konnte ich nicht einmal sagen, ob das überhaupt etwas brachte. Wir verließen den Wald und fanden uns in etwas wieder, das mich stark an ein Feriencamp erinnerte, in dem ich mal als Kind gewesen war.

      Es gab keine Umzäunung, was mich wunderte, dafür fünf im Kreis angeordnete längliche braun bemalte Blockhütten. In der Mitte einen freien Platz mit Bänken, einer Tischtennisplatte, Basketballkörben und einem Pavillon. Von irgendwo hinter den Hütten hörte ich laute Rufe und Pfeifen. Der Traktor hielt und sofort kam ein in Fußballtrikot und kurzen Hosen gekleideter Mann auf uns zu.

      »Habt ihr euch verfahren?«, wollte er wissen und als er näher kam erkannte ich den Ersatztorwart Steve Behrens. Sein Gesicht war knallrot und er schwitzte.

      »Nicht verfahren«, sagte Horst. »Ich bringe Besuch. Die Dame hatte eine Autopanne, weiter unten Richtung Dorf.«

      Steve Behrens sah mich an und ich wartete schon auf dieses Aufflackern in seinen Augen, wenn er mich erkannte. Und da war es auch schon! Ich wappnete mich. Wahrscheinlich würde er mich gleich von dem Traktor zerren und mich persönlich wieder ins Dorf zurückbringen. Aber das tat er nicht, stattdessen fuhr er sich durch sein rötlich blondes Haar und begann lauthals zu lachen. Ich kniff die Lippen aufeinander und hoffte, dass er sich schon beruhigen würde. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich noch immer auf dem Schoß des Bauern saß. Ich bedankte mich kurz bei ihm und kletterte etwas umständlich vom Fendt. Woran lag es, dass es nach oben immer leichter ging als nach unten?

      Als ich vor Steve stand, verschlug es dem das Lachen. Er musterte erstaunt meine nackten Füße und dann mein schmutziges Kostüm und mein Gesicht.

      »Das muss ja eine heftige Autopanne gewesen sein.« Dann wandte er sich nach hinten um und brüllte in die Richtung, aus der die Rufe drangen. »Luca! Du hast Besuch.«

      »Danke«, entgegnete ich bitter. »Ich bin nicht wegen Luca hier.«

      »Ist wohl auch besser so.« Steven wandte sich mehreren Spielern zu, die den freien Platz betraten. Unter ihnen Luca Rodari. Mein Herz machte einen Satz und ich schluckte gegen die Panik an, die sich in mir ausbreitete. Ich hatte die ganze Zeit gewusst, dass unsere erste Begegnung seit dem Skandal nicht einfach werden würde. Aber jetzt breitete sich gerade eine zentnerschwere Decke über mir aus. Alle mentale Vorbereitung der letzten Tage hatte nichts gebracht. Jetzt in diesem Moment wurde mir vor Panik so übel, dass ich kurz in Erwägung zog, wieder zu Horst auf den Schoß zu klettern und mich von ihm wegbringen zu lassen.

      Luca blieb vor mir stehen und ich biss mir vor lauter Nervosität auf die Unterlippe.