Название | Unter der Sonne geboren - 2. Teil |
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Автор произведения | Walter Brendel |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783966511872 |
Seit Jahrhunderten war es üblich, dass die Zeugen der königlichen Hochzeitsnacht bis nach dem Vollzug der Ehe anwesend blieben. Doch Anna sorgte dafür, dass es diesmal anders war. Zu quälend war die Erinnerung an den Beginn ihrer eigenen Ehe, als sie die neugierigen Augen der Höflinge hinter dem angestrengten Gesicht ihres Ehemannes gesehen und nicht gewusst hatte, wer ihr Schlimmeres antat: ihr Gemahl, der ihren Körper verletzte, obwohl er es eigentlich nicht wollte, oder diese Fremden, denen sie jeden Tag begegnen würde und die sie mit ihren Blicken demütigten.
Ihrem Sohn und seiner Gemahlin wollte Anna diese Erfahrungen ersparen. So wartete sie, bis sie sich unter die Decke gelegt hatten. Dann küsste sie die beiden auf die Stirn, segnete sie und Ihren Bund und zog dann eigenhändig die Vorhänge zu. Danach wandte sie sich an die enttäuschten Zeugen. „Unsere Aufgabe ist erfüllt!“, entschied sie mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete. „Wir wollen uns nun zurückziehen.“
Erst am nächsten Morgen kehrten die Zeugen zurück. Man öffnete die Vorhänge wieder und blickte auf das junge Paar, das an die vielen Kissen gelehnt in seinem Bett saß. Ludwig verzog keine Miene, doch Maria Theresia erstaunte alle, weil sie, viel weniger schüchtern als erwartet, ihre kleinen, weißen Hände aneinander rieb und dann liebevoll lächelnd auf ihren Gemahl blickte. Alle wunderten sich noch über die Veränderung, die mit der scheuen Infantin vorgegangen war, da fing sie plötzlich, wie nach einer gelungenen Theateraufführung, an zu klatschen. Die Zeugen tauschten betretene Blicke und entschlossen sich dann einer nach dem anderen, ebenfalls Bei-fall zu spenden.
Nur Anna beteiligte sich nicht. Stattdessen nahm sie sich vor, mit ihrer Schwiegertochter behutsam über das Verhalten einer Königin zu sprechen.
Maria Theresia legte ihre Händchen auf die Bettdecke. „Ich möchte gerne die Heilige Kommunion empfangen, liebe Mutter“, erklärte sie, zu Anna gewandt. „Man muss dafür beten, dass der Himmel nach der gegebenen Frist Frankreich ein Kind schenkt.“
Einige Schriftsteller und Historiker halten Maria Theresia für eine Haremssultanin, weil sie gern Stofftiere um sich hat und Zwerge, und weil sie morgens beim Lever in die Hände klatscht, um den Hof darüber zu unterrichten, dass der König sie in der Nacht mit seinem Besuch beehrt hat. Aber Maria Theresia ist auch eine ihren Mann abgöttisch liebende Frau, eine Kindfrau, die in ihrer Naivität und ihrer Unkenntnis des Französischen inmitten dieses grausamen Hofs wie eingemauert lebt. Einige bedauern die in ihre Kindlichkeit und Liebe verstrickte Gefangene. Nach der Hochzeitsnacht nimmt der König die erste Mahlzeit ohne sie ein. Man kann sich vorstellen, mit welchen Glossen die Höflinge das Ereignis kommentieren. Um allen Spöttereien ein Ende zu machen, beschließt Seine Majestät, während der Rückreise mit seiner jungen Frau zusammenzuwohnen.
Dennoch entzieht sich Ludwig XIV. diesem Paradezug unter Triumphbogen, mit denen Frankreich ihn als Symbol des Friedens feiert. Am 27. in Bllintes verkündet er gebieterisch, die Königinnen und der Hof sollten den Weg bis Saint-Jean-d'Angely fortsetzen, während er sich zur Inspektion mich La Rochelle begeben würde. Anna von Österreich und Mazarin sind entsetzt, sie ahnen, dass er an Marie Mancini denkt und dass die Wunde noch nicht geheilt ist. Der Kardinal versucht sich einzuschalten; er führt den Titel eines Statthalters der Saintonge. Ihm käme die Ehre zu, Seine Majestät durch seine Provinz zu geleiten. Doch der König lehnt dieses zu fadenscheinige Angebot ab. Er nimmt nur Philippe Mancini und zwei andere Edelleute mit.
In La Rochelle besichtigt der König einige Schiffe. Am 28. Juni verbringt er die Nacht in Brouage, in dem Bett, in dem Marie so viel und so oft an ihn gedacht hat. Ludwig liegt lange schlaflos, er ist nicht mehr der König, sondern ein von Tränen überwältigter junger Mann, der seiner Verzweiflung nachgibt.
Ein endloser Tränenstrom, der tief aus der Jugend kommt und seine Pflichten überflutet, die letzten Tränen reiner Liebe eines Mannes, der nur sich selbst gehört und die gleichen Freuden und Schmerzen wie der bescheidenste der Menschen empfindet. Hier am Meeresufer erlebt er seinen Ölberg, die verzweiflungsvolle Nachtwache, während der die letzten Schwächen von ihm abfallen. Am folgenden Tag, als er in Saint-Jean-d'Angely wieder mit dem Hof zusammentrifft, ist er der König, hart geworden, gepanzert, bereit, sein Kreuz zu tragen.
Am 25. August 1660 ziehen der König und die Königin feierlich in Paris ein. Gott steigt auf die Erde herab, um den Menschen die Ordnung und den Frieden zu bringen. Es ist der Triumphzug des Sonnenkönigs, der die in vierundzwanzig Unglücksjahren zusammengeballten Wolken teilt und die Menschheit mit Licht überflutet. Dem Volk von Paris, bis zum letzten Lastenträger, scheinen alle diese Bilder aus dem Musenhimmel zu kommen und durch die Straßen zu ziehen. Die abstrakten Bilder verschwinden, der König erscheint „so wie die Dichter uns jene Menschen schildern, die sie vergöttlicht haben“.
An der Porte Saint Antoine, wo Conde und Turenne ihr brudermörderisches Duell ausgefochten haben, erhebt sich, um dieses erinnerungsschwere Ereignis zu überdecken, ein monumentaler Triumphbogen. Der König und die Königin sitzen auf zwei Thronsesseln und nehmen aus den Händen des Vorstehers der Kaufleute die Schlüssel der Stadt in Empfang. Dann besteigt Seine Majestät einen spanischen Falben, der unter einem Brokatbaldachin tänzelt. Die Königin steigt in ihre offene, ebenfalls von einem Baldachin überdeckte, dem Prachtwagen der Göttinnen gleichende Karosse. Unter unbeschreiblichen Begeisterungsausbrüchen setzt sich der Zug nach Paris hinein in Bewegung. Als sollte das während der Fronde vergossene Blut unsichtbar gemacht werden, haben die Pariser die Pflastersteine, die einst zur Errichtung der Barrikaden dienten, mit einem so dicken Teppich von Blüten und Blättern bedeckt, dass von den Rädern der Kutschen Wohlgerüche aufgewirbelt werden.
Der Zug braucht am Nachmittag vier Stunden, um von der Place du Trone, über die Ile de la Cite zum Louvre zu gelangen.
Der Hofstaat Mazarins, der Hofstaat des Königs und der beiden Königinnen, die Kanzlei, die Chevaulegers, die Beamten der Krone, der König selber, von Gold und Edelsteinen funkelnd, sein Bruder, Monsieur, die Prinzen von Geblüt, die lächelnde Königin, deren Karosse von einem Schwärm weißgekleideter Pagen umgeben ist, diese ganze Märchenpracht zieht durch Paris, das sich in einen Garten betäubender Düfte verwandelt hat. Der prächtigste Triumphbogen steht auf der Place Dauphine, Le Brun, der spätere Hofmaler und Hofdekorateur, hat ihn errichtet, anscheinend mehr zum Ruhm Mazarins als zum Ruhm des Königs. Die Allegorien stellen den Eifer dar, mit dem der Kardinal die Staatsgeschäfte und Friedensverhandlungen geführt hat. Verherrlichung des Königs, Triumph des Ministers. Neben dem König und der Königin ist der dritte Anziehungspunkt dieser Kavalkade „der Aufzug Seiner Eminenz“.
Mazarin entfaltet bei dieser Inszenierung die Kunst der klugen Steigerung. Zuerst zweiundsiebzig Maultiere, von fünfundzwanzig grünlivrierten Männer geführt. Vierundzwanzig dieser Maultiere tragen einfache rote Decken sowie „Federn und gewöhnlichen Kopfschmuck“. Die nächsten vierundzwanzig tragen Schabracken „aus feinstem Seidengewebe mit eingewirkten goldenen Figuren“, Glöckchen, Kopfgeschirre und Zaumzeug aus massivem Silber. Die letzten vierundzwanzig sind geschmückt mit „großen karminroten Samtdecken, auf denen Wappen und Wappensprüche eingestickt sind, daneben Füllhörner, aus denen Früchte und Blumen quellen“, Auf dem Kopf tragen sie „prächtige weiße und rote Straußenfedern“, aus denen wiederum Reiherfedern sprießen. „Dann kamen“, erzählt der venezianische Gesandte, „der Stallmeister Seiner Eminenz mit vierundzwanzig reichgekleideten und wohlberittenen Pagen, dann zwölf prächtige, mit karminrotem, gold- und silberbe-sticktem Samt bedeckte Pferde, die von zwölf Männern an der Hand geführt wurden; danach andere Pferde und Reiter in der Livree des Kardinals.“ Dann eine weitere Steigerung in der Reihe der Herrlichkeiten: elf sechsspännige Karossen, „die Pferde jeweils in gleicher Größe und Farbe ausgesucht, und nach ihrem Geburtsort“, welch Raffinement!
Zum Schluss, wie bei den Raketen eines Feuerwerks, das große Bukett, das sich in Sterne auflöst, aus denen wiederum Sterne fallen und dann, nach einer winzigen Pause, die schönste Himmelsperle.
Fünfzig Reiter, alle von hohem Rang, in reicher Kleidung auf unglaublich wertvollen Pferden“. Nun aber, als letzter und endgültiger Höhepunkt, auf