Spanische Literaturwissenschaft. Maximilian Gröne

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Название Spanische Literaturwissenschaft
Автор произведения Maximilian Gröne
Жанр Документальная литература
Серия bachelor-wissen
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783823300113



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nachvollziehen und ggf. kritisieren können. Eine korrekte StrukturanalyseStrukturanalyse steckt den Bedeutungsspielraum ab, den anschließende InterpretationenInterpretation haben, da sie offenkundigen SinnstrukturenStruktur des Textes natürlich nicht widersprechen dürfen; oft aber erschließen sich literarische Texte nicht rein strukturellStruktur und textimmanenttextimmanent, so dass die InterpretationInterpretation eine wichtige literaturwissenschaftliche Arbeitstechnik für ein adäquates Textverständnis darstellt. Wir werden in den Einheiten 10–12 näher darauf eingehen.

      Aufgabe 4.1 ? Grenzen Sie in Ihren eigenen Worten nochmals die Begriffe ‚Verstehen‘, ‚Analyse‘, ‚InterpretationInterpretation‘ voneinander ab. Wie ist es zu begründen, dass trotz wissenschaftlicher ObjektivitätObjektivität verschiedene und nicht selten konträre InterpretationenInterpretation zu einem Text existieren? Können Sie sich Kriterien vorstellen, aufgrund derer man InterpretationenInterpretation qualitativ beurteilen kann?

      4.2 Ebenen der StrukturanalyseStrukturanalyse

      Ausdrucksseite vs. Inhaltsseite Sie haben im Zusammenhang mit der Medialität von Literatur als besondere Form geschriebener Sprache (Einheit 1) bereits Ferdinand de Saussures Gegenüberstellung von Ausdrucksseite (SignifikantSignifikant/Signifikat) und Inhaltsseite (SignifikatSignifikant/Signifikat) kennengelernt. Als Grundkomponenten jeglicher Art von Zeichen stecken diese beiden Begriffe natürlich Ebenen auch der literarischen Kommunikation und damit der StrukturanalyseStrukturanalyse literarischer Texte ab. Die Dichotomie von Ausdrucks- und Inhaltsseite ist, bezogen auf Einzelerscheinungen, keine absolute: Ein Element, sagen wir: das Konzept ‚Hund‘, ist der Inhalt (SignifikatSignifikant/Signifikat) der span. Zeichenfolge /pɛrro/ (SignifikantSignifikant/Signifikat), kann aber zugleich als Ausdruck (SignifikantSignifikant/Signifikat) für andere Konzepte wie ‚Unterwürfigkeit‘, ‚Treue‘ u.ä. dienen. Hier zeichnet sich bereits ab, wie komplex sprachliche und insbesondere literarische BedeutungsstrukturenStruktur sein können (und meistens auch sind). Bedenken wir dies mit, wenn wir im Sinne einer ersten Annäherung und eines Wegweisers für die Textbeschreibung dennoch sagen: Eine StrukturanalyseStrukturanalyse hat sich auf zwei Ebenen zu beziehen, die Ausdrucksebene mit der sprachlichen und gattungspoetischen Form und die Inhaltsebene mit dem Thema, den Motiven und Figuren, die ein Text entwickelt. Sehen wir uns das näher an.

      Abb. 4.3

      Sprachzeichen: Ausdrucks- und Inhaltsseite

      Ausdrucksseite: sprachliche Realisierung vom Laut bis zu formalen GattungsregelnGattungen Sprachliche Äußerungen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie eine begrenzte Zahl kleiner sprachlicher Einheiten (etwa Phoneme, also Laute) zu größeren (etwa Morpheme, d.h. Wörter bzw. ihre bedeutungstragenden Teile) kombinieren und diese wiederum zu noch größeren (Sätze, Texte), wobei die Zahl der verfügbaren Ausdrucksmittel jeweils exponentiell ansteigt. Eine Beschreibung der sprachlichen Form (Ausdrucksseite) eines Textes berücksichtigt idealerweise jede dieser Ebenen, wobei freilich nicht alle möglichen Befunde auch relevant für das Funktionieren des Textes sind, auf das wir ja hinauswollen. In umgekehrter Reihenfolge formuliert gilt das Interesse der Formbeschreibung also:

       der Verknüpfung von Sätzen und Absätzen zum Gesamttext,

       dem Satzbau (Syntax), d.h. der Komposition von Satzteilen,

       der Wortwahl und Wortbildung (Lexik, Morphologie),

       der Lautung.

      Die antike RhetorikRhetorik (Theorie der Redekunst) hat zur Beschreibung und Vermittlung schmuckvoller Rede ein begriffliches Raster entwickelt, das als Hilfsmittel zur Beschreibung auch literarischer Texte als Sonderfall von ‚Rede‘ dienen kann und das Ihnen sicherlich teilweise bereits bekannt ist. Wenn wir an dieser Stelle ausführlicher auf dieses Raster eingehen, dann liegt dies nicht allein an der Notwendigkeit, sich innerhalb einer Fachwissenschaft terminologisch korrekt ausdrücken zu können, sondern auch daran, dass man erfahrungsgemäß leichter einen Sachverhalt erkennt, wenn man einen Begriff dafür hat.

      Beschreibung der Ausdrucksseite Die wichtigsten ausdrucksbezogenen rhetorischenRhetorik Stilmittel – geordnet von der Laut- über die Wort- bis hin zu Satz(teil)ebene:

      Alliteration (aliteración): gleicher Anlaut aufeinanderfolgender Wörter. RhetorischeRhetorik Stilmittel I: Gestaltung des AusdrucksBeispiel: En el silencio sólo se ’scuchaba / un susurro de abejas que sonaban. (Garcilaso de la Vega)

      Anapher (anáfora): Wiederholung des gleichen Wortes oder mehrerer gleicher Wörter am Anfang mehrerer Sätze oder Satzteile (Gegenteil Epipher). Beispiel: Hora de ocaso y de discreto beso; / hora crepuscular y de retiro; / hora de madrigal y de embeleso. (Rubén Darío)

      Assonanz (asonancia): Gleichklang von Vokalen, bedeutsam insbesondere am Versende als assonantischer ReimReim, d.h. Vokalgleichheit ab dem letzten betonten Vokal. Beispiel: agua – ramas – canta.

      Homoioteleuton (homeotéleuton, m.): Gleichklingender Wortauslaut (Vorform des ReimsReim). Beispiel: Con natas al gusto gratas. (Juan de Salinas)

      Paronomasie (paronomasia): Zusammenstellung von gleich oder ähnlich klingenden Wörtern unterschiedlicher Bedeutung. Beispiel: De medio arriba, romanos / de medio abajo, romeros. (Lope de Vega)

      Onomatopöie (onomatopeya), adj. onomatopoetisch: Klangnachahmende, lautmalende Wörter. Beispiele: tic, zigzag.

      Anagramm (anagrama, m.): Buchstabenumstellung. Beispiel: cosa – caso – asco. Häufig bei Pseudonymen. Beispiel: Gabriel Padecopeo (= Lope de Vega Carpio). Salvador Dalí wurde in Anspielung auf seine Geldgier von dem frz. Schriftsteller André Breton mit dem Anagramm „Ávida Dollars“ bedacht.

      Akkumulation (acumulación): Worthäufung; Nennung mehrerer Unterbegriffe anstelle eines Oberbegriffs. Beispiel: Desmayarse, atreverse, estar furioso, / áspero, tierno, liberal, esquivo, / alentado, mortal, difunto, vivo, / leal, traidor, cobarde y animoso (Lope de Vega). Bei geordneter oder vollständiger Aufzählung spricht man von einer Enumeration (enumeración).

      Anadiplose (anadiplosis, f.): Wiederholung des letzten Wortes oder der letzten Wortgruppe eines Verses oder Satzes am Anfang des folgenden Verses oder Satzes zur semantischen oder klanglichen Intensivierung. Beispiel: Mi sien, florido balcón / de mis edades tempranas, / negra está, y mi corazón, / y mi corazón con canas. (Miguel Hernández) – Mitunter auch als echoartige Wiederholung nur der letzten Silbe: El Soberano Gaspar / par es de la bella Elvira / vira de amor más derecha, / hecha de sus armas mismas. (Sor Juana Inés de la Cruz)

      Asyndeton (asíndeton, m.): Aneinanderreihung ohne Konjunktionen (vgl. Polysyndeton). Erweckt häufig den Eindruck einer Beschleunigung. Beispiel: Pasó, pasé; miró, miré; vio, vila; / dio muestras de querer, hice otro tanto; / guiñó, guiñé; tosió, tosí; seguíla; / fuese a su casa y, sin quitarse el manto, / alzó, llegué, toqué, besé, cubríla, / dejé el dinero y fuime como un santo. (Anon.)

      Polysyndeton (polisíndeton, m.): Aneinanderreihung mit stetiger Setzung der Konjunktion (vgl. Asyndeton). Beispiel: Soy un fue y un será y un es cansado. / En el hoy y mañana y ayer junto / pañales y mortaja y he quedado / presentes sucesiones de difunto. (Francisco de Quevedo)

      Pleonasmus (pleonasmo): Übertriebene und unnütze (redundante) Anhäufung von Wörtern gleicher oder ähnlicher Bedeutung, die keine neuen Merkmale hinzufügen. Beispiel: Pobre ciego que no ve … (Romance). Heute meist gleichbedeutend gebraucht, aber positiver konnotiert ist der Begriff Tautologie (tautología).

      Figura etymologica (figura etimológica): Verbindung zweier oder mehrerer Wörter gleicher Wortherkunft (vgl. auch → Polyptoton).