Der Salamander. Urs Schaub

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Название Der Salamander
Автор произведения Urs Schaub
Жанр Языкознание
Серия Simon Tanner ermittelt
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783857919046



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und stellte sie zurück auf den Unterteller. Tanner griff nach ihr.

      Soll ich nachfüllen?

      Ja. Gerne. Wenn es Ihnen nichts ausmacht.

      Tanner erhob sich. In diesem Moment kam Bodmer zurück.

      Entschuldigen Sie, dass ich Sie so lange allein ließ. Geben Sie her, Tanner. Ich mache das schon. Für Sie auch?

      Tanner nickte und setzte sich wieder hin. Sie schwiegen, bis Bodmer die beiden Tassen brachten.

      Wie gesagt, es tut mir leid, dass ich so hysterisch reagiert habe und Sie beide vergebens hierher gebeten habe …

      Sie winkte ab.

      Vergessen Sie’s. Ich schreibe ins Protokoll, dass ich mit dem berühmten Tanner einen Kaffee getrunken habe. Wir hätten uns sehr nett unterhalten, über Intuition und so …

      Ich schulde Ihnen zum Dank für Ihre Bemühungen ein Nachtessen …

      Er blickte von Tanner zur Beamtin und zurück.

      … vielleicht passt Ihnen ja sogar ein gemeinsamer Termin?

      Sie lachte.

      Sie wissen aber, dass Kuppelei strafbar ist, oder?

      Bodmer lachte.

      Ich meinte ja nur, weil ihr im Grunde ja irgendwie – wie soll ich sagen? – Kollegen seid, oder? Immerhin war Tanner ja auch einmal …

      Tanner winkte ab.

      Geben Sie sich keine Mühe, Bodmer. Wir haben Sie verstanden. Wir danken Ihnen für Ihr Angebot. Wir werden darauf zurückkommen. Oder? Frau, äh … pardon, Kollegin wollte ich natürlich sagen.

      Sie nickte lächelnd und erhob sich.

      So. Jetzt muss ich aber.

      Sie blickte zu Tanner.

      Geben Sie Michel Bescheid?

      Ja, ja. Das mach ich. Er wird mir zwar den Kopf abreißen, aber einmal mehr oder weniger, darauf kommt es auch nicht mehr an. Ich hoffe, man sieht sich wieder.

      Sie hob die Hand zum Gruß.

      DREI

      Es war wie verhext. Am anderen Morgen erwachte Tanner wieder kurz vor sechs. Diesmal ohne Telefonanruf. Auf jeden Fall durch keinen realen. Er hatte noch unter der Dusche das vage Gefühl, dass er geträumt habe, Bodmer habe schon wieder angerufen und er deswegen um die gleiche Uhrzeit aufgewacht sei. Aber nach der Dusche war alles in seiner Erinnerung verblasst, und er wusste nicht mehr, ob er sich das bloß eingebildet hatte oder ob es wirklich ein Traum gewesen war.

      Draußen herrschte noch tiefschwarze Nacht. Kein Mond und keine Sterne. Fröstelnd stand Tanner für einen Augenblick am offenen Fenster und zog die nasskalte Luft durch die Nase tief in seine Lunge. Immerhin klärte sich dadurch sein Kopf ein wenig. Plötzlich hatte er das Gefühl, er müsse irgendetwas tun, und sei es auch nur, die monatelang verwaiste Wohnung zu putzen. Er holte tief Atem und entschloss sich zu einer ausführlichen Putzaktion seiner nun monatelang verwaisten Wohnung. Gegen Mittag durchschritt er stolz und zufrieden sein auf Hochglanz poliertes Reich, und dachte, dass er jetzt wirklich angekommen sei. Das Reinigungsritual hatte ihn irgendwie erneut mit diesem Ort geerdet. Wie auf Verabredung klingelte in diesem Augenblick die Hausglocke.

      Beschwingt trabte er hinunter, nahm zwei Stufen aufs Mal, und schloss die schwere Haustür auf.

      Draußen stand, bibbernd vor Kälte, Jean D’Arcy. Immer noch bloß mit diesem dünnen grauen Anzug bekleidet. Den Koffer hielt er in der Hand.

      Er hob linkisch die freie Hand zum Gruß und lächelte.

      Guten Tag, Herr Tanner. Entschuldigen Sie bitte vielmals, äh … die Stör…

      Tanner fasste ihn kurzerhand am Arm und unterbrach ihn.

      Wissen Sie was? Sie kommen jetzt erst mal rein an die Wärme. Entschuldigen können Sie sich immer noch.

      D’Arcy nickte und trat bereitwillig ins Haus. Tanner schloss die Tür und ging die Treppe hoch.

      Kommen Sie. Ich gehe vor.

      Setzen Sie sich einfach ins Wohnzimmer, ich mache uns einen Kaffee.

      Als Tanner ins Wohnzimmer kam, saß D’Arcy am Tisch. Den Koffer hatte er am Boden zwischen die Beine gestellt.

      Hier. Bitte bedienen Sie sich.

      D’Arcy nahm Zucker und Milch. Seine Hand zitterte leicht. Dann atmete er mit geschlossenen Augen den Duft des Kaffees ein. Trank aber nicht.

      Ja, äh … was ich sagen … ich meine, ähm … was ich Sie fragen wollte … es ist eine, äh … große Bitte.

      D’Arcy blickte kurz zum Fenster und fuhr sich fahrig durch die blonden Haare.

      Also, äh … vielleicht ist es schwer zu verstehen, aber …

      Lieber Herr D’Arcy, sagen Sie mir einfach, was ich für Sie tun kann. Wenn es in meiner Macht steht, werde ich es tun.

      D’Arcy blickte ihn mit großen Augen an.

      Sie sind sehr liebenswürdig. Es tut mir leid, dass ich Sie störe, Sie haben sicher viel zu tun und äh …

      Tanner fuhr mit der Hand durch die Luft.

      Machen Sie sich keine Sorgen. Also, was kann ich für Sie tun?

      D’Arcy griff unter den Tisch und brachte den Koffer zum Vorschein.

      Darf ich Sie bitten, diesen, äh … Koffer für mich aufzubewahren? Es ist nur für ein paar Tage. Natürlich nur, ähm … wenn es Ihnen nichts ausmacht.

      Tanner stand auf und wollte nach dem Koffer greifen. D’Arcy hielt ihn aber noch zurück.

      Ich will Ihnen noch sagen, äh … dass in dem Koffer nichts ist, was äh … irgendwie illegal ist, verstehen Sie. Das schwöre ich bei meinem Leben. Und ich hoffe, Sie können mir glauben. Es ist etwas, was mir persönlich sehr wertvoll ist, aber ohne, ähm … materiellen Wert.

      Dann überreichte er den Koffer. Tanner nahm ihn. Er war überraschend leicht.

      Gut, ich glaube Ihnen. Wissen Sie was, D’Arcy? Kommen Sie, ich zeige Ihnen, wo ich ihn aufbewahre. Nur für alle Fälle.

      Tanner ging in eines der praktisch leeren Zimmer seiner großen Wohnung. Es war ein relativ schmaler Raum mit nur einem Fenster zur Straße hin. Auf der einen Längsseite bestand das Zimmer aus lauter eingebauten Wandschränken mit massiven Türen. Er öffnete einen der Schränke, stellte den Koffer hinein und schloss den Schrank. Den Schlüssel nahm er ab und bot ihn D’Arcy an.

      Schauen Sie, D’Arcy. All diese Schränke sind leer. Ich brauche den Schrank nicht. Nehmen Sie den Schlüssel mit. Wenn Sie den Koffer holen, müssen Sie allerdings den Schlüssel wieder mitbringen.

      D’Arcy nahm den Schlüssel mit beiden Händen entgegen, als empfange er eine heilige Reliquie.

      Das ist sehr großzügig von Ihnen, Herr Tanner. Sie können sich nicht vorstellen, ähm … wie froh ich bin, ja, wie erleichtert und froh.

      Sie setzten sich beide wieder an den Tisch, und D’Arcy rührte erneut in seinem Kaffee, trank aber nicht. Er sah dabei gedankenverloren zum Fenster hinaus.

      Tanner räusperte sich.

      Haben Sie Familie, Herr D’Arcy? Ich meine, haben Sie jemanden, zu dem Sie gehen können?

      Er lächelte.

      Ja, wissen Sie, an Familie herrscht an sich kein Mangel. Im Gegenteil.

      Jetzt lachte er gequält.

      Die gibts sogar im Überfluss, aber äh …, die haben mich schon länger abgeschrieben, wissen Sie.

      Weil Sie im Gefängnis waren?

      Nein, nein, das hat andere Gründe.

      Er nahm den Kaffeelöffel