Название | Windhauch und Wein |
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Автор произведения | Georg Schwikart |
Жанр | Религия: прочее |
Серия | |
Издательство | Религия: прочее |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783429065386 |
Du siehst, wohin du siehst, nur Eitelkeit auf Erden.
Was dieser heute baut, reißt jener morgen ein:
Wo jetzt noch Städte stehn, wird eine Wiese sein,
auf der ein Schäferskind wird spielen mit den Herden.
Was jetzt noch prächtig blüht, soll bald zertreten werden.
Was jetzt so pocht und trotzt, ist morgen Asch’ und Bein,
nichts ist, das ewig sei, kein Erz, kein Marmorstein.
Jetzt lacht das Glück uns an, bald donnern die Beschwerden.
Der hohen Taten Ruhm muss wie ein Traum vergehn.
Soll denn das Spiel der Zeit, der leichte Mensch, bestehn?
Ach! Was ist alles dies, was wir für köstlich achten,
als schlechte Nichtigkeit, als Schatten, Staub und Wind;
als eine Wiesenblum’, die man nicht wieder find’t.
Noch will, was ewig ist, kein einzig Mensch betrachten!
Gryphius verfasste diese Verse während des Dreißigjährigen Krieges. Darin sind sich alle Kriege gleich: Neben der Zerstörung von Leben, Natur und Kultur vernichten sie auch jene Stabilität, die zum Gedeihen notwendig ist. Doch auch ohne kriegerische Auseinandersetzungen verändern sich die Lebensgrundlagen immer wieder gravierend. Nichts bleibt, wie es ist.
Da wurde mir das Leben vollständig verleidet, denn es ist alles so sinnlos, als wolle man den Wind fangen. Ich hasste meine Anstrengungen, die ich unternommen hatte, um etwas zu erreichen – ich muss ja doch alles meinem Nachfolger hinterlassen! Und wer weiß, ob dieser weise oder töricht sein wird? Und dennoch wird ihm alles gehören, was ich durch Klugheit und harte Arbeit erworben habe. Das ist so sinnlos! Ich verzweifelte fast, als ich mir alle Mühe und Arbeit vor Augen hielt, die ich mir hier auf der Erde gemacht hatte. Denn es ist so: Ein Mensch müht sich ab, gibt Weisheit, Einsicht und sein ganzes Geschick daran, etwas zu erreichen. Dann aber muss er alles, was er erreicht hat, einem Menschen hinterlassen, der nichts dafür getan hat. Das ist völlig sinnlos und ungerecht. (Prediger 2,17–21)
„Was dieser heute baut, reißt jener morgen ein“, das ist für Gryphius traurige Realität, Kohelet sieht es übertragen in einem Menschenleben. Du baust etwas auf, aber nach dir wird es nicht fortgeführt. Das kennen viele, die sich in ihrer Arbeit, einem Ehrenamt oder für eine Idee mit Herzblut engagieren. Eines Tages scheint das alles nichts mehr wert zu sein. Technologien haben sich überholt, gesellschaftliche Trends gewandelt, der Geschmack ist ein anderer geworden, der Bedarf fällt weg, das Interesse erlischt.
Das kann einem das Leben verleiden, das kann man als sinnlos und ungerecht empfinden. Man muss es jedoch nicht. Wenn Kohelet auf meinem Sofa säße und mir sein Leid klagte, dann würde ich auch entgegnen: „Du hast ja so Recht! Doch den Anspruch zu erheben, alles müsste immer so weitergehen, wie du es gemacht hast, ist einfach unangemessen.“
Wir hinterlassen etwas, wenn wir von dieser Welt gehen. Übrigens mitunter nicht nur Gutes. Doch wir haben auch etwas vorgefunden, als wir auf die Welt kamen. Nicht nur Schlechtes. Nachfolgende Generationen müssen ihren Weg zu leben finden, den dürfen wir nicht vorherbestimmen. Auch wir wollten unsere Vorstellungen verwirklichen, als wir antraten die Gegenwart zu gestalten.
Aus dem Bereich Kirche kenne ich das zur Genüge. Mancher Pfarrer meint, ohne ihn würde die Kirche zusammenbrechen. Weit gefehlt, sie hat alle Geistlichen überlebt. Und dass die jungen Nachfolger überzeugt sind, sie wüssten endlich, wie man es richtig macht: So soll es sein!
Ein wenig von Herrn Lipko steckt in uns allen: Alles ist eitel! Und alles ist vergänglich. Das ist wahr und das ist gut so.
Wofür ist Essen da?
Schokolade könnte als Medikament für die Nerven verschrieben werden, ein Riegel Traubennuss wirkt Wunder. Auch Gummibärchen tun gut. Es gibt Tage, da hilft nur ein Gyros komplett. Das Glas Wein relativiert manches Problem, der Marillenschnaps löst Spannungen. Und bei frischem Bienenstich könnte man fast vergessen, wie sinnlos das Leben ist.
Als ich beim runden Geburtstag eines Freundes auf den Nachschlag verzichten will, weil ich mir vorgenommen habe abzunehmen (und von dem grandiosen Büffet kann man einfach nicht alles probieren), sieht mich die Partnerin eines Bekannten mitfühlend an: „Ausnahmen machen das Leben schön!“ Und in Überlingen am Bodensee wehre ich die Dessertkarte im Gasthaus ab; ich sei satt, versichere ich mit einem Grinsen, und essen ohne Hunger sei die Todsünde der Völlerei. Da kontert die Bedienung schlagfertig: „Dafür ist Essen da!“
Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen, heißt es. Wer hungert und dürstet, weil ihm nichts zur Verfügung steht, der leidet brutal. Bei uns leiden die Menschen eher, weil sie zu viel zu sich nehmen, über Hunger und Durst hinaus, aus Langeweile und Frust. Es gibt Leute, die spüren sich selbst nur, wenn sie konsumieren. Andere fasten sich krank. Ernährung ist ein aufgeladenes Thema. Es betrifft nicht nur die Gesundheit, sondern die ganze Weltsicht: Was darf man überhaupt guten Gewissens verzehren?
Mitunter vergeht uns der Appetit, weil uns Sorgen belasten. Beim Sohn einer Frau, einem jungen Mann Mitte zwanzig, wurde Krebs diagnostiziert. Früh genug. Die Heilungschancen stehen gut. Aber die Sorgen der Frau sind mächtig. Sie erzählt mir davon. Ich kann nicht viel für sie tun. Wochen später bedankt sie sich für das Gespräch, das hätte ihr so gutgetan. Dabei habe ich ihr nur aufmerksam zugehört und sie ernst genommen. Und ihr geraten, gut für sich zu sorgen, um bei Kräften zu bleiben.
Mir selbst geht es ja ähnlich: Wenn mich etwas plagt, dann spreche ich darüber mit einem Menschen, dem ich vertraue. Dann will ich nicht hören: „Alles halb so schlimm!“ Ich brauche das Gefühl, in meiner Not gesehen zu werden. Und wenn ich darüber hinaus spüren darf, es gibt nicht nur meine begrenzte Sicht, man kann das alles auch anders einschätzen, dann wirkt das beruhigend.
Schon als Jugendlicher sang ich im Gottesdienst gern das Lied von Georg Neumark „Wer nur den lieben Gott lässt walten“. Die zweite Strophe lautet: „Was helfen uns die schweren Sorgen, / was hilft uns unser Weh und Ach? / Was hilft es, dass wir alle Morgen / beseufzen unser Ungemach? / Wir machen unser Kreuz und Leid / nur größer durch die Traurigkeit.“ Das geht tiefer als der platte Slogan von Dale Carnegie: „Sorge dich nicht – lebe!“ Denn das Lied aus dem 17. Jahrhundert integriert die Sorge in das Vertrauen auf Gott. Das ist die größere Perspektive, die über die eigene enge Wahrnehmung hinausreicht.
Was hat der Mensch letztendlich von seiner schweren Arbeit und von all seinen Sorgen? Er müht sich ab, jeden Tag leidet er, seine Arbeit bringt ihm nur Ärger ein, und selbst nachts findet er keine Ruhe mehr. Es ergibt keinen Sinn. Es gibt nichts Besseres für den Menschen, als sich an dem zu freuen, was er isst und trinkt, und das Leben trotz aller Mühe zu genießen. Doch ich erkannte, dass auch das ein Geschenk Gottes ist. Denn wie kann man sich am Essen oder Trinken freuen ohne sein Zutun? (Prediger 2,22–25)
Schwere Krankheiten hatten meine Schwiegermutter lange gepeinigt. Irgendwann verweigerte sie die Nahrungszufuhr. Es dauerte ein paar Wochen, bis sie starb. Essen und Trinken sind Zeichen von Lebenswillen. Es geht nicht darum, gegen die Beschwernisse des Daseins anzuessen und anzutrinken. Aber trotz aller Mühsal dürfen wir genießen. Die Probleme bleiben, werden jedoch für Momente der Freude gezähmt.
Mit meinem besten Freund esse ich gern zusammen, denn er futtert mit Hingabe. Wir können uns geradezu tierisch über beste Speisen hermachen, aber auch eine Dosensuppe löffeln oder die Pralinenschachtel leeren. Wir lassen uns nicht kleinkriegen, versichern wir uns gegenseitig durch unser Tun. Wenn wir die großen Zusammenhänge auch nicht verstehen, von Genuss verstehen wir etwas.