Tribometrie. Markus Grebe

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Название Tribometrie
Автор произведения Markus Grebe
Жанр Математика
Серия
Издательство Математика
Год выпуска 0
isbn 9783816900207



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oberflächenanalytischer Verfahren möglich ist (siehe Kapitel 9) - so erkennt man, dass die für die tribologische Beanspruchung wichtige Oberfläche in ihrer Zusammensetzung und ihren Eigenschaften nicht dem Grundmaterial entspricht (Abbildung 6).

      Jede reale Oberfläche ist in der Praxis von einer Adsorptionsschicht bedeckt, die nur wenige Nanometer dick ist, aber bereits einen signifikanten Einfluss auf das tribologische Verhalten hat.

       Abbildung 6: Aufbau metallischer Oberflächen.

      Ein bekannter Tribologe, der GfT-Vogelpohl-Ehrenpreisträger Werner Stehr, bezeichnet diese Schicht gerne als „Schlonz“. Dieser schwäbische Begriff verdeutlicht sehr schön, wie wenig man in der Praxis über die Zusammensetzung dieser oberflächennahen Schichten weiß.

      Untersuchungen an Pressverbänden von Turboladern am Kompetenzzentrum Tribologie haben gezeigt, dass bereits das Berühren von zuvor gereinigten metallischen Bauteilen Haftreibwerte um den Faktor zwei reduzieren können. Für die praktische Anwendung bedeutet dies, dass der Reinigungszustand sehr genau beschrieben werden muss. Für anwendungsnahe tribologische Versuche muss man sich Gedanken machen, wie der Oberflächenzustand in der Praxis ist. Eine chemisch optimal gereinigte Oberfläche ist für die Wiederholbarkeit eines Laborversuchs vielleicht vorteilhaft, kann aber vollkommen andere Ergebnisse liefern als real kontaminierte Bauteile.

      Unterhalb dieser Adsorptionsschicht findet man bei Metallen eine Oxid- oder Reaktionsschicht, die man heute beispielsweise im TEM oder im FIB/XB gut nachweisen kann (Abbildung 7 und Abbildung 8).

       Abbildung 7 TEM-Darstellung einer Reaktionsschicht [Quelle: NMI Reutlingen]

       Abbildung 8 FIB/XB-Darstellung des OF-nahen Gefüges [Quelle: NMI Reutlingen]

      Die Oberfläche ist aber nicht nur chemisch schwer zu beschreiben, auch die Bestimmung der wahren Kontaktfläche ist kompliziert. Die wahre Kontaktfläche ist immer um Größenordnungen kleiner als die geometrische Kontaktfläche, die sich beim ebenen Kontakt aus Länge mal Breite berechnet. Die wahre Kontaktfläche hingegen ist die Summe aller Mikrokontakte, die sich aus der elastisch/plastischen Deformation in Abhängigkeit der Normalkraft ergibt.

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       Abbildung 9: Wahre Kontaktfläche

      Betrachtet man einmal, wie sich die wahre Kontaktfläche in Abhängigkeit der Normalkraft ändert, so erkennt man, dass die tatsächliche Berührungsfläche annähernd im selben Maß wächst, wie die Normalkraft. Das bedeutet, dass die reale Flächenpressung quasi immer gleichbleibt (Abbildung 10). Diese Aussage basiert zwar auf einer sehr idealisierten Annahme, sie verdeutlicht allerdings das grundsätzliche Phänomen.

       Abbildung 10: Tatsächliche und scheinbare Berührfläche (nach [GÄNS1960])

      Wie die wahre Kontaktfläche mit der Normalkraft steigt, lässt sich schön mit einem transparentem Silikonstempel auf einer rauen Oberfläche zeigen (Abbildung 11).

       Abbildung 11: Ausbildung der wahren Kontaktfläche zwischen einem Silikonstempel und einer rauen Oberfläche [PERS2009]

      Um die wahre Kontaktfläche berechnen oder zumindest abschätzen zu können, ist eine genaue Beschreibung der Oberflächen notwendig. Die entsprechenden 2D- und 3D-Rauheits- und Topografiekennwerten werden im Kapitel 8 behandelt.

      Wie Grund- und Gegenkörper miteinander in Kontakt kommen, wird vom Kontaktzustand beschrieben. Hier unterscheidet man die geometrische Konformität, die Form der Tribokontaktfläche und das Eingriffsverhältnis (Abbildung 12).

       Abbildung 12: Beschreibung des Kontaktzustandes

      Die geometrische Konformität (Schmiegung) beeinflusst vorwiegend die Pressung und im Falle eines geschmierten Systems das hydrodynamische Verhalten. Hier unterscheidet man konforme und kontraforme Kontakte. Ebenfalls für die Pressung und das Schmierungsverhalten relevant ist, ob ein Flächen-, Linien- oder Punktkontakt vorliegt. Die Schmierung und die Kontaktart beeinflussen die Pressung im Bereich von mehreren Zehnerpotenzen. So liegen typische Pressungen für technische Systeme im Flächenkontakte im Bereich unter 150 N/mms2; für Linienkontakte unter 1500 N/mm2 wohingegen Punktkontakte häufig Pressungen deutlich über einem Gigapascal aufweisen.

      Die Pressung in einem Punkt- oder Linienkontakt lässt sich relativ einfach mit den Formeln nach Hertz berechnen [HERT1881]. Obwohl diese nun über 140 Jahre alt sind, ergeben sich mit diesen Formeln bereits sehr gute Näherungswerte, die für Abschätzungen in aller Regel vollkommen ausreichen.

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       Abbildung 13: Pressungsberechnung mit den Formeln nach Hertz (in Anlehnung an [WITT1991])

      Die Hertzschen Formeln wurden erst im Jahre 1971 von JOHNSON, KENDAL und ROBERTS um die Adhäsionskräfte erweitert (JKR-Theorie [JOHN1971]). Weitere Forscher entwickelten ähnliche Theorien, die sich aber nur gering in den Ergebnissen unterscheiden, sodass sich die JKR-Theorie durchgesetzt hat. Der wesentliche Unterschied zum nicht-adhäsiven Kontakt besteht darin, dass an den Rändern des Kontaktgebietes die Spannung nicht null ist, sondern einen unendlich großen negativen Wert annimmt. Die Berücksichtigung der endlichen Reichweite der Adhäsionskräfte beseitigt in der Realität diese Singularität. Dennoch erreichen die Spannungen laut POPOV an den Rändern eines adhäsiven Kontaktgebietes relativ große Werte in der Größenordnung der theoretischen Festigkeit der Van-der-Waals-Bindungen [POPO2009].

      Neben den absoluten Pressungen ist auch die Spannungsverteilung für die Beanspruchung entscheidend. So tritt bei einem statisch belasteten Walzenpaar die Maximalspannung in einer Tiefe von 0,78-mal der halben Kontaktbreite auf (Abbildung 14). Das bedeutet, dass der Ort der Rissentstehung voraussichtlich