Mord oder Absicht?. Lothar Schöne

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Название Mord oder Absicht?
Автор произведения Lothar Schöne
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783827184122



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den Kopf, bestimmt schmeckt’s mir dann.

      Born lehnte sich zurück: „Wir haben über die Aufgewachten geredet. Ich bin sehr kritisch, wie Sie wissen, aber man darf sie nicht über einen Kamm scheren.“

      Vlassi nickte nachdenklich, sagte aber nichts.

      „Es gibt da einen Mann, der ist wahrlich aufgewacht“, sprach Born weiter.

      „Tatsächlich?“, flocht Vlassi ein.

      „Ja, ja, ich habe ein Seminar von ihm besucht, es war hochinteressant.“

      Vlassi sandte Born einen neugierigen Blick.

      „Er sprach über die Banken und ihre unlauteren, ja verbrecherischen Methoden“, fuhr Born fort, „Sie werden diesen Mann nicht kennen. Aber Sie sollten ihn kennenlernen, er ist eine Bereicherung für uns alle.“

      Eine Bereicherung, dachte Vlassi, in dem Wort Bereicherung steckt reich, ist das vielleicht einer, der mich reicher macht? Es muss ja nicht unbedingt in Penunze sein, neue Erkenntnisse sind auch was Schönes.

      „Wenn Sie ihn sehen würden“, sprach Volker Born weiter, „würden Sie nicht denken, dass der so ungewöhnliche Gedanken hervorbringt. Er sieht ganz unscheinbar aus.“

      „Ein Typ wie Albert Einstein?“, wollte Vlassi wissen.

      „Na ja, nicht ganz, sein Haar ist nicht weiß und flattert nicht durch die Gegend, er ist relativ jung, etwa Mitte vierzig, sein Haupt ist kurz geschoren, und er trägt einen Vollbart, der seinem Gesicht einen schwarzen Rahmen gibt.“

      In Vlassis Oberstübchen klickte es: „Trägt er eine Brille, eine randlose Brille?“

      „Ja, genau, so eine Intellektuellen-Brille, wie wir früher sagten.“

      In dem Moment kam die Kellnerin mit dem bestellten Schlupfkuchen. Sie stellte die Teller auf den Tisch und wünschte guten Appetit. Doch genau der schien Vlassi vergangen. Er rutschte auf seinem Stuhl zusammen, wirkte auf einmal wie ein Zwerg, und sein Gesicht verfärbte sich ins Weißliche.

      „Was ist denn mit Ihnen los?“, fragte Born mit besorgter Stimme, „macht Sie der Anblick des Kuchens krank?“

      Vlassi antwortete nicht, es schien geradezu, als wollte er überhaupt nicht mehr reden. Doch nach einer Weile bewegte er den Kopf verneinend hin und her.

      „Was ist denn?“, wiederholte Volker Born, dessen Neugier erwacht war.

      Es dauerte einen weiteren langen Moment, bis Vlassi stockend mitteilte: „Ich bin … aufgewacht …“

      „Aufgewacht, was soll das heißen?“, unterbrach ihn Born.

      Vlassis Gesicht sah nun nicht mehr nur weiß aus, es wirkte geradezu tot.

      „Ich bin aufgewacht“, wiederholte er, „ich habe … mich erinnert … dieser Mann heißt Reinhardt …“

      „Sehr richtig. Frederick Reinhardt heißt er“, bestätigte Volker Born, „kennen Sie ihn?“

      Vlassi ließ einen Ton hören, der sich nach Verzweiflung anhörte: „Ja … meine Erinnerung … ist wieder da … ich weiß … wieder alles …“

      Er machte eine Pause, um dann mit bitterer Miene zu erklären: „Ich habe diesen Mann ermordet.“

      7 Da erfreut sich jemand eines

      üblen Rufs

      Während Vlassi auf ungewöhnliche Art seine Erinnerung wiederfand, saßen in Eltville im Café Schwab zwei Männer zusammen und unterhielten sich angeregt bei Kaffee und Kuchen. Sie hatten sich gerade über den Mord in Frankreich ausgetauscht, jene Enthauptung, begangen von einem Islam-Anhänger, und einer der beiden nicht mehr ganz jungen Männer im Café sagte gerade: „Die Ablehnung unserer Werte, der Meinungsfreiheit vor allem, ist bei den Islamisten doch gang und gäbe.“

      Der andere stimmte ihm zu: „Nicht nur bei den Islamisten. In Frankfurt haben sich muslimische Mütter beschwert. Ihre Kinder seien durch den Besuch eines Klosters beschmutzt worden.“

      „Tatsächlich? Da sieht man mal, dass diese Leute in unserer Gesellschaft nicht angekommen sind und vermutlich auch gar nicht ankommen wollen.“

      Die beiden Männer schienen sich einig in der Beurteilung der Lage. Nachdem sie unisono von ihrem Kaffee getrunken hatten, sagte der eine: „Übrigens, der Bursche, den du mir geschickt hast, hat sich als Hallodri entpuppt.“

      Sein Tischnachbar wusste sofort Bescheid: „Hallodri würde ich ihn nicht gerade nennen, obwohl mir das Wort gefällt.“

      „Wie würdest du ihn denn nennen?“

      „Also Kommissar Spyridakis ist doch eher ein schusselig-verträumter Typ.“

      „Verträumt? Mein lieber Wolfgang, der Mann wollte mir weismachen, dass er seit Jahren unter Gedächtnisschwund leidet.“

      Der Angesprochene nickte: „Ich habe mich schon oft gefragt, wie dieser Mensch in den Polizeidienst geraten konnte, aber Gedächtnisschwund …“

      Sein Gegenüber trumpfte auf: „Gedächtnisschwund zieht sich nicht über Jahre hin. Das ist unmöglich. Obwohl ihm schließlich doch etwas einfiel. Mit dir will er vor langer Zeit mal Kaffee getrunken haben …“

      „Vor langer Zeit? Seltsam“, überlegte der andere. „Du weißt ja, er ist ein Kollege meiner Tochter, und es ist noch gar nicht so lange her, dass wir hier in diesem Café zusammengesessen haben.“

      Bei den beiden Männern handelte es sich um Wolfgang Hillberger und Dr. Niebergall, die sich mal wieder zu einem Kaffeeplausch getroffen hatten.

      „Ich musste ihn hinauswerfen“, sagte Niebergall, „ich hatte das Gefühl, dass er sich einen Spaß machen wollte. Und ich habe ihm den Teufel empfohlen, mit dem er offenbar auf gutem Fuß steht.“

      Hillberger ließ ein leises Lachen hören: „Etwas rabiate Methode, mein lieber Ernst, aber das wird er verkraften.“

      „Durch Alkohol meinst du?“, fragte Dr. Niebergall.

      „Nein, nein, der Spyridakis ist so gut wie abstinent, der trinkt doch meist nur diese scheußlichen Gesundheits­tees.“

      Niebergall legte den Kopf leicht nach hinten: „Da liegt er eigentlich richtig. Bloß keinen Alkohol.“

      Hillberger streckte den Kopf vor: „Du wirst mir doch jetzt nicht mit deiner Familiengeschichte kommen?“

      Dr. Niebergall nahm mit der Gabel den Rest seiner Schwarzwälder Torte und führte ihn zum Mund, um ihn sich genüsslich auf der Zunge zergehen zu lassen. Dann sagte er: „Die Familiengeschichte ist immer sehr wichtig, ich weiß, wovon ich rede. Sie verfolgt uns bis ins fünfte Glied.“

      Wolfgang Hillberger konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen: „Bis ins Glied, noch dazu ins fünfte?“

      Niebergall verstand die Ironie in seinen Worten: „Ich spreche als Psychiater, lieber Wolfgang. Psychiater wissen über diese Dinge mehr als Schulmeister.“

      „Aber natürlich, mein lieber Ernst, und ich weiß ja auch, dass du familiär … wie soll ich sagen …“

      „Du kannst es ruhig aussprechen“, nahm ihm Niebergall das Wort, „ich bin vorbelastet.“

      „Und diese Vorbelastung gereicht dir zur Ehre“, erwiderte Hillberger und griff zu seiner Tasse.

      „Ich heiße aus gutem Grund Ernst Niebergall, mein Vorfahr, auf den du anspielst, dagegen Ernst Elias Niebergall. Der zweite Vorname ist mir erspart geblieben. Elias war ein Trinker vor dem Herrn und mit Sicherheit auch ein Schnorrer.“

      „Mag sein, Ernst. Aber du vergisst das Wichtigste. Er war ein Dichter. Er hat den Datterich geschrieben! Ein Schauspiel, das ich zu meiner aktiven Zeit in der Schule mit Vorliebe durchgenommen habe.“

      „Was gibt es am Datterich durchzunehmen?“

      „Ich