Das Konzerthaus. Maike Rockel

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Название Das Konzerthaus
Автор произведения Maike Rockel
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783827184115



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Einzelgänger, keine Familie, aber einen Haufen Geld auf dem Konto.“

      Sie nickte Tanja Richter lobend zu.

      „Dank Tanja sind wir auch bereits im Besitz der Kontounterlagen. Zwischen 2007 und 2015 gibt es Kontenbewegungen, kleinere Beträge, aber regelmäßig. Sowohl Einzahlungen als auch Abhebungen. Bülow hat regelmäßig Bareinzahlungen vorgenommen. Auch hob er regelmäßig monatlich 1500 Euro ab. Es ist aber unklar, von wem er das Geld bekommen haben könnte.“

      Während sie zum Board lief, um ein neues Dokument aufzurufen, stolperte sie über ihre Füße. Es war ihr unangenehm, kurz errötete sie und setzte dann aber ihren Vortrag fort.

      „Hier ein WhatsApp-Chatverlauf aus Bülows Handy von November 2015, der ist fundamental.“

      Nora las die Nachricht vor, die übersät war mit gelb leuchtenden, lächelnden Emojis.

      „Wir müssen uns noch mal treffen. Irgendwie, denke ich, sollte es angesichts der für Sie lohnenden Kostenexplosion noch mal eine Aufstockung geben, Smiley. Das ,Flow‘ ist teuer. Smiley.“

      Nora wandte sich der Runde zu, die an dem langen Bürotisch saß und sich Notizen machte.

      „Wir müssen herausfinden, wem diese Nachricht galt, aber ich mache mir da nicht viel Hoffnung.“

      Nora setzte ihren Vortrag fort.

      „Jetzt wird es spannend. Die Kontaktlinse, die wir bei der weiblichen Leiche gefunden haben, kann Frank Meister zugeordnet werden. Wir haben einen ,Spuren-Personen-Treffer‘ der DNA-Kartei des Bundeskriminalamtes erhalten. Polizeilich ist er bekannt als Zuhälter, und außerdem ist er mehrfach vorbestraft. 2005 wurde er aus der Haft entlassen. Und jetzt kommt der Clou: Er ist seit seiner Haftentlassung in der Sicherheitsabteilung von Gernot Melzer beschäftigt.“

      Nora machte eine Kunstpause und sah erneut in die Runde. Die Blicke ihrer Kollegen waren weiterhin aufmerksam auf sie gerichtet.

      „Gernot Melzer ist Inhaber der Baufirma Melzer. Er baut, wie ihr wisst, federführend die Elbphilharmonie. Das Konzerthaus ist kurz vor der Eröffnung. Versteht ihr? Der für das Vergabeverfahren des Bauvorhabens Elbphilharmonie zuständige Sachbearbeiter ist Stammkunde im ,Flow‘ und wird dort von Frank Meister abgeknallt. Es liegt auf der Hand, dass Bülow auf der Gehaltsliste von Melzer stand. Welche Rolle die Prostituierte spielt, ist noch unklar. Vielleicht war sie Zeugin und musste beseitigt werden?“

      „Aber warum tötet Frank Meister Bülow nicht an einem Ort ohne Zeugen?“, gab Alexander zu bedenken.

      „Ob dort noch weitere Zeugen waren, werden wir noch klären“, entgegnete Nora. „Wird sich finden. Möglicherweise hatte er mit ihr eine andere Rechnung offen? Immerhin ist oder war er ja im Zuhältermilieu tätig.“

      Sie überlegte kurz.

      „Ich werde über die Staatsanwaltschaft einen Haftbefehl gegen Frank Meister beantragen lassen und versuchen, gegen Gernot Melzer eine Telefonüberwachung zu erwirken. Pieter, übernimmst du die Recherche und Beantragung der Telefonüberwachung?“ Er nickte und trank den letzten Schluck kalten Kaffee.

      Nach der Besprechung erhob sich Michael Kloss aus dem Drehstuhl und ging langsamen Schrittes auf Alexander zu, der von ihm abgewandt gerade an der Kaffeemaschine stand. Leise schimpfte er über den verkrusteten Schmutz, den er seinen faulen Kollegen verdankte, während er die Maschine reinigte. Als Alexander seinen Kollegen bemerkte, drehte er sich um.

      „Hör mal, Alexander, dein Bruder wird vermisst, seine Freundin war eben hier. Hast du es schon gehört?“

      „Nein“, antwortete Alexander. „Aber mein krimineller Bruder war schon häufiger mal verschwunden. Der taucht schon wieder auf.“

      Mit diesen Worten wandte er sich wieder der Kaffeemaschine zu, aber bei Michael Kloss blieb das mulmige Gefühl.

      ***

      „Ja“, meldete sich Albert Berend am Telefon. Der Wind pfiff so laut zwischen den Gebäuden, dass Berend kaum zu verstehen war. Die nordöstlichen Böen zerrten gewaltig an der royalblauen Europafahne, und das rhythmische Klappern des Seils am Fahnenmast tat das Übrige.

      „Ich bin es, Anne“, meldete sich die PUA-Vorsitzende Fliege-Schulz. „Ich muss dich sofort sprechen. Wo bist du?“

      Ihr helle Stimme verriet große Aufruhr.

      „Direkt vor der Elbphilharmonie. Ich habe hier zu tun, komm doch her, dann zeige ich dir die Plaza und die längste Rolltreppe Westeuropas. 82 Meter lang … “ Albert Berend platzte vor Stolz, aber Anne unterbrach ihn.

      „Ich versteh dich kaum. Muss dir was Wichtiges erzählen. Du glaubst es nicht, der Senator hat mich angesprochen“, schrie sie durchs Telefon, damit Albert sie verstand.

      Sie verabredeten sich, und nach einer Viertelstunde erblickte er seine Freundin, wie sie mit schnellen, kleinen Geisha-Schritten auf ihren hochhackigen Stiefeln über die Brücke lief. Er war fasziniert und belustigt von ihrer Art zu gehen und lauschte dem „Klack-Klack-Klack“ ihrer Absätze.

      Albert schlug den Kragen seines Kaschmirmantels hoch, steckte sich eine Zigarette an und ging ihr grinsend entgegen. Er wollte sie in den Arm nehmen, aber sie machte sich ganz steif. Sie wand sich aus seiner Umarmung, woraufhin er seinen Kopf zur Seite legte. „Komm, bevor du mir deine Geschichte erzählst, zeige ich dir die Plaza. Geht wirklich schnell“, versuchte er sie zu beruhigen.

      Er schob sie auf die sich in Bewegung setzende surrende Rolltreppe, und sie verfolgte mit ihrem Blick den Bogen des weißen Tunnels. Die Wände waren aus weißem Putz und durchbrochen von unregelmäßig angeordneten runden Glasscheiben, die das Licht reflektierten. Der illuminierte Handlauf gab der „Anfahrt“ zur Plaza den Anschein, als würde man in eine andere Zeit hinübertreten, gewissermaßen die hanseatische Weiterentwicklung der amerikanischen Serie „Time Tunnel.“

      Für einen Moment war Anne durch das gebogene Bauwerk eingenommen, dann aber erhob sie ihre Stimme.

      „Albert, genau deswegen habe ich jetzt einen Haufen Ärger. Die wissen von uns. Der Senator Maybach hat gesagt, wenn ich nicht die Stellungnahme des Ausschusses zugunsten Melzers Baufirma ausfallen lasse, wäre er gezwungen, unser Verhältnis den PUA-Mitgliedern zur Kenntnis zu bringen. Das würde zu meiner Ablösung führen und sicherlich meinen Mann nicht besonders erfreuen.“

      Anne war außer sich. „Begreifst du? Das demokratische Prinzip wird ins Gegenteil verkehrt. Jetzt kontrolliert der Senator den PUA. Ich bin so unendlich wütend und ...“

      Sie stutzte. „Woher weiß der das überhaupt, und wie kommt er dazu, sich so für Melzer zu positionieren?“

      Sie schaute Albert an, und ihr war klar, dass Albert nicht begeistert darüber sein würde, was sie ihm gleich zu sagen hatte.

      „Mir ist es egal, wer an der Baumisere Schuld hat. Ich will den Vorsitz auf jeden Fall behalten, und wenn der Senator Maybach will, dass sein ,Liebling‘ Melzer besser wegkommt, dann in Gottes Namen werde ich meinen Einfluss geltend machen, wenn die Stellungnahme verfasst wird.“

      „Was heißt das denn? Krieg ich nun den Schwarzen Peter? Bist du jetzt total übergeschnappt? Du zerstörst mein Lebenswerk!“

      Albert konnte es nicht fassen. Er dachte an den Beginn des Projektes und über die intensive Zeit nach, als sich der Ideengeber Gérard vom Projekt der Elbphilharmonie zurückgezogen und Albert erfahren hatte, dass die Stadt Hamburg nicht mit dem Architektenbüro Herzog und de Meuron, sondern mit ihm weitermachen wollte. Ein noch nie erlebtes Glücksgefühl hatte ihn damals erfüllt. Mit ihm hatte die Stadt zusammenarbeiten wollen. Ihm hatten sie dieses große Bauvorhaben anvertraut. Und jetzt wollte Anne ihm alles nehmen. Das würde er nicht zulassen.

      „Anne, ich habe die Chance meines Lebens bekommen. Ich habe mich mit meinem Architekturkontor durchgesetzt. Ich habe die weiteren Ausführungen geplant und dieses atemberaubende Wahrzeichen geschaffen. Ich ...“

      „Ja“, unterbrach sie ihn. „Ich, ich, ich. Aber es war dein exquisiter Geltungsdrang mit deinen ewigen