Das Gemeindekind. Marie von Ebner-Eschenbach

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Название Das Gemeindekind
Автор произведения Marie von Ebner-Eschenbach
Жанр Языкознание
Серия Reclams Universal-Bibliothek
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783159618883



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auch die Baronin. »Hat dich jemand zum Raub der Federn angestiftet? Denn im Grund«, setzte sie nach kurzer Überlegung hinzu, »was solltest du mit ihnen?«

      »Freilich, was? ein solcher Bettler mit Pfauenfedern …«

      Jedes Mal, wenn das Wort »Federn« ausgesprochen wurde, überrieselte es den Burschen; als ihm aber der Lehrer nun mit der bestimmten Frage zu Leibe ging: »Wer hat dich angestiftet? war’s nicht die saubere Vinska?« da überkam ihn eine Todesangst vor den schlimmen Folgen, welche dieser Verdacht für die Tochter des Hirten haben könnte, und fest entschlossen, ihn abzuwenden, sprach er mit dumpfer Stimme: »Es hat mich niemand angestiftet; ich hab’s aus Bosheit getan.«

      [64]Die Baronin stieß ihren Stock heftig gegen den Boden und erhob sich: »Da haben Sie’s«, sprach sie zum Schullehrer, »da hören Sie ihn … den geben Sie auf, der ist verloren.«

      »Erbarmen sich Euer Gnaden!« flehte der Alte. »Glauben ihm nicht. Der unsinnige Tropf lügt sich zum Schelm; der Tropf weiß nicht, was er tut, Euer Gnaden!«

      Sie winkte ihm zu schweigen und trat dicht an Pavel heran. Ihre müden Augen maßen den Wildling mit traurigem Ausdruck: »Und das ist der Bruder meines lieben Kindes«, sagte sie tief aufseufzend. »Sooft das Kind an mich schreibt und sooft ich es sehe, fragt es: ›Wie geht’s meinem Pavel? Wann wird mein Pavel zu mir kommen?‹ … Es weiß, dass ich mit ihm nichts zu tun haben will, ich habe es erklärt und bleibe dabei, aber es fragt doch, das Kind …«

      Pavel war zusammengefahren, er riss die Augen weit auf, seine Nasenflügel bebten: »Welches Kind? – die Milada?«

      »Wann wird mein Pavel zu mir kommen?« wiederholte die Baronin erregt und gerührt und mit den Tränen kämpfend. »Aber kann ich dich zu ihr schicken, Dieb, schlechter Bub, schlechtester im Dorfe! … kann ich denn?«

      »Schicken Sie mich«, sagte Pavel leise.

      Der Lehrer zog die Schultern in die Höhe, schob die Kinnlade vor und machte ihm die eindringlichsten Zeichen: »Haben Euer Gnaden die Gnade, ich bitte untertänigst, Euer Gnaden! So spricht man.«

      Pavel aber zermarterte seine verschränkten Finger; seine Brust hob sich keuchend; mit einem trockenen Schluchzen sprach er noch einmal: »Schicken Sie mich.«

      Die Baronin wandte sich dem Lehrer zu: »Es scheint ihm Eindruck zu machen.«

      »Es macht ihm einen außerordentlichen Eindruck. Euer [65]Gnaden haben das Rechte getroffen mit diesem weisen Beschluss …«

      »Beschluss? Von einem Beschluss ist noch gar nicht die Rede.«

      Den Einwand überhörend, fuhr der Lehrer fort: »Das unschuldige Kind wird besser als irgendwer auf sein Gemüt zu wirken verstehen, das Kind …«

      »Das Kind«, fiel die Baronin ein, »ist der Stolz und der Liebling des Klosters.«

      »Sehen Euer Gnaden! … Und was könnte für den verwahrlosten Jungen heilsamer und aneifernder sein als der Anblick seiner wohlgeratenen Schwester, als ihr Beispiel, ihre Ermahnungen?«

      »Vielleicht«, entgegnete die alte Dame nachdenklich. »Und so wollen wir es denn in Gottes Namen versuchen … Ein letztes Mittel. Schlägt das fehl, dann – mein Wort darauf: Bei seiner nächsten Übeltat kommt er nicht mehr vor mein – sondern vor das Bezirksgericht.«

      »Hörst du’s?« rief der Lehrer, und Pavel murmelte ein ungerechtfertigtes »Ja«. In Wirklichkeit wusste er nicht, was und ob überhaupt gesprochen worden, seitdem man ihm Hoffnung gemacht hatte, dass er seine Milada wiedersehen solle. Das unerreichbare Ziel seiner jahrelangen Sehnsucht stand plötzlich nahe vor ihm; sein heißester, in tausend Schmerzen aufgegebener Wunsch war ihm auf das unerwartetste erfüllt. Das Herz hüpfte ihm im Leibe; ein Jauchzen, das er nicht unterdrücken konnte, drang aus seiner Kehle; er wandte sich auf den Fersen: »Und jetzt geh ich zur Milada!« sagte er.

      »Halt!« rief die Baronin, »bist närrisch? So ohne weiteres geht man nicht zur Milada. Jetzt trollst du dich nach Hause, [66]und am Samstag kommst du ins Schloss und holst einen Brief für die Frau Oberin ab. Den wirst du ins Kloster tragen und bei der Gelegenheit vielleicht deine Schwester zu sehen bekommen.«

      »Gewiss! Ich werde sie gewiss zu sehen bekommen – wenn ich nur einmal dort bin!« sprach Pavel und schürzte mit einer unwillkürlichen Bewegung die Ärmel auf.

      »Nicht gar zu viel Zuversicht«, versetzte die Baronin. Sie war müde geworden und schickte sich an, ihren früheren Platz wieder einzunehmen. Da sprang Pavel auf sie zu, schob sie hastig zur Seite und den Lehnsessel aus dem Bereich des Kronleuchters hinaus: »So«, rief er, »jetzt setzen Sie sich.«

      Die Greisin war nahe daran gewesen, umzusinken, als sie statt des Stützpunktes, den sie suchte, einen Stoß erhielt. Mit einem Schrei der Angst klammerte sie sich an den in tiefster Ehrfurcht dargereichten Arm des Lehrers, der die gnädige Frau zu ihrem Sitz geleitete und dann bebend vor Unwillen die Faust gegen Pavel erhob: »Was tust? was fällt dir ein – Spitzbube?«

      Pavel deutete ruhig nach der Schnur des Lüsters: »Wenn das Strickerl reißt, ist sie ja tot«, sprach er.

      »Esel! Esel! – fort! hinaus!« rief Habrecht, und der Junge gehorchte, ohne mit Abschiednehmen Zeit zu verlieren.

      Die Baronin beruhigte sich allmählich und sagte: »Er ist blitzdumm, aber er hat wenigstens eine gute Absicht gehabt.«

      »Das weiß Gott«, rief der Lehrer, »– wenn Euer Gnaden nur nicht so erschrocken wären!«

      »Ach was! Daran liegt nichts.« Sie zog das Taschentuch und drückte es an ihre Stirn. »Viel schlimmer ist, viel [67]schlimmer, dass ich einmal wieder inkonsequent gewesen bin … Wie oft habe ich mir vorgenommen: Es bleibt dabei, meine Milada darf ihren Bruder nicht mehr sehen – und jetzt schicke ich ihn selbst zu ihr! … Keine Willenskraft mehr, keine Energie – der geringste Anlass, und – mein festester Vorsatz ist wie weggeblasen.«

      »Kommt vom Alter, Euer Gnaden«, fiel Habrecht in liebenswürdig entschuldigendem Tone ein – »da können Euer Gnaden nichts dafür … Der Mensch ändert sich. Bedenken nur, Euer Gnaden! auch die Zähne, mit denen man in der Jugend die härtesten Nüsse knackt, beißt man sich im Alter an einer Brotrinde aus.«

      »Ein unappetitlicher Vergleich«, erwiderte die Baronin; »verschonen Sie mich, Schullehrer, mit so unappetitlichen Vergleichen.«

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