Chaosköniginnen. Valentina Brüning

Читать онлайн.
Название Chaosköniginnen
Автор произведения Valentina Brüning
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783864295454



Скачать книгу

Winter.«

      Er wirft einen Blick auf seine Liste. »Sie stehen hier drauf, sie gehen hier rein.«

      »Aber …«

      »Kein Aber.«

      »Na toll, allein unter Honks, super Fritzi«, murmelt Fritzi.

      »Wie war das?«, fragt der Lehrer.

      »Dann komme ich mal mit in Ihre Klasse!«, antwortet sie lauter als nötig und betritt den Raum.

      Sofort stürmen alle Schüler zu den besten Plätzen. Torben, Yessin und Bo sichern sich die letzte Reihe. Oberstreberkuh Petruschka Nowak hat sich den Tisch genau vor dem Lehrerpult ausgesucht und Billa Jahnson fordert den Platz neben ihr ein. Widerwillig nimmt Peti ihren Rucksack zur Seite. Jeder weiß, dass sie eine Einzelgängerin ist. Gerade kann Fritzi sie nur zu gut verstehen. Das pummelige Mädchen von eben setzt sich auf einen freien Platz in die zweite Reihe, Fritzi lässt sich zögerlich am Nebentisch nieder und schiebt das Longboard unter ihren Stuhl. Niemand macht Anstalten, sich zu ihr zu setzen, und Fritzi schiebt erleichtert ihren Rucksack auf den Stuhl neben sich.

      Was ist da eigentlich gerade passiert? Ihr Plan wäre doch aufgegangen! Warum hat Lou sich umentschieden und warum, zur Hölle, hat sie ihr nichts davon gesagt? Ihre neuen Mitschüler reden laut durcheinander. Sie spürt, hier gehört sie nicht hin. Aber gibt es jetzt noch einen Weg hier raus? Vielleicht lässt Frau Doktor Fleck mit sich reden? Wenn ihr jemand helfen kann, dann die Schulleiterin.

      »Ruhe!«, fordert ihr Lehrer Herr Mollenhauer, nachdem er seinen Namen unleserlich an die Tafel gekritzelt hat.

      »Namensschilder raus und zuhören«, verlangt er. Die Klasse gehorcht. Überall ziehen die Schüler Schreibblöcke und Federmäppchen hervor und schreiben ihre Namen auf. Das pummelige Mädchen am Nebentisch stellt sein Schild als Erste auf.

      Herr Mollenhauer liest: »Vanzetti, Chiara Vanzetti.«

      Sie nickt und wirft ihre langen, dunklen Haare über die Schulter.

      »Fetti-Vanzetti!«, johlt Torben aus der letzten Reihe. Gelächter bricht im Klassenzimmer aus.

      »Du bist so ein krasser Honk, wenn ich du wär, würde ich schön die Klappe halten!«, sagt Fritzi laut. »So ätzend, wie du dich an den Schwächen anderer stärkst. Findet ihr nicht?« Sie blickt sich in ihrer neuen Klasse um, alle machen große Augen, doch niemand pflichtet ihr bei. Fritzi brodelt innerlich. »Wenn du mich fragst, Torben, bist du ’n armes Würstchen!«

      Wieder bricht Gelächter aus, dieses Mal auf Fritzis Seite. Und prompt macht es wieder: BATSCH!

      Ein weiteres spuckfeuchtes Papierkügelchen landet mitten auf ihrer Stirn. Die Klasse kann sich nicht mehr halten vor Lachen. Sie wischt das Kügelchen weg – Torben schickt ihr einen Handkuss.

      Mit einem strengen »Ruhe!« bringt Herr Mollenhauer die Klasse zum Schweigen, streicht die Spitzen seines spärlichen fettigen Haares glatt und spricht wieder Chiara an: »Tochter vom italienischen Friseur Vanzetti am Marktplatz, nehme ich an?«

      Chiara nickt.

      »Schön. Sie beherrschen die italienische Sprache?«

      Chiara nickt noch einmal.

      »Wunderbar. Sie werden sehen, Latein wird eine der leichtesten Übungen für Sie sein.« Er wendet sich zufrieden ab.

      Fritzi guckt ihren Lehrer ungläubig an. Kriegt Torben keins auf die Mütze? Keinen Tadel? Keine Ermahnung? Nicht ein Wort? Herr Mollenhauer lächelt selbstgefällig und fragt dann die Klasse: »Wer kann mir sagen, was der Satz an der Tafel bedeutet?«

      »Dass sie ein unfairer Idiot sind«, schießt es Fritzi durch den Kopf. Alle drehen sich zu ihr um. Ach du Schande! Hat sie das etwa laut gesagt? Hat sie? Nein, bitte nicht! Bitte, bitte nicht!

      Herr Mollenhauer zieht die Brauen hoch. »Fräulein Winter, wie war das?«

      Ihr wird heiß und kalt. Der Lehrer kommt auf sie zu, beugt sich zu ihr hinunter, atemberaubender Mundgeruch schlägt ihr entgegen. Sie versucht, einen jähen Würgereiz zu unterdrücken. Herr Mollenhauer hält ihr die Kreide vor die Nase, ohne eine Miene zu verziehen.

      »Schreiben Sie die Übersetzung an. Schön leserlich, bitte.«

      »Ich, ähm …«

      Herr Mollenhauer stößt eine zweite Welle Mundgeruch aus. Fritzi eilt zur Tafel, aber nur um ihrem Klassenlehrer nicht geradewegs ins Gesicht zu brechen.

      An der Tafel steht mit weißer Kreide: Faber est suae quisque fortunae.

      »Vorlesen und übersetzen!«, fordert Herr Mollenhauer ungeduldig. Fritzis Knie werden weich. Die Worte sehen nicht so aus, als könne man sie aussprechen. Sie wirft dem Lehrer einen prüfenden Blick zu und hat einen Geistesblitz! Was hat ihr Vater heute Morgen noch mal gesagt: »Was willst du mit einer Sprache, die man nicht einmal sprechen kann?«

      Sie räuspert sich. »Latein wird doch gar nicht gesprochen, oder?«

      »Sie meinen, weil Latein als tote Sprache gilt, könne man sie nicht sprechen?«

      Fritzi nickt, ohne zu wissen, ob das nun wirklich genau das ist, was sie meint.

      Herr Mollenhauer wendet sich an die Klasse: »Wer kann erklären, warum Latein als tote Sprache deklariert wird?«

      Einige Hände schnellen in die Höhe.

      »Petruschka, Sie waren wohl die Erste.«

      Petruschkas Antwort klingt wie aus dem Lehrbuch: »Latein ist keine tote Sprache, weil man sie nicht sprechen kann, sondern, weil es kein Land und keinen Teil eines Landes mehr gibt, wo ursprünglich Latein gesprochen wird. Somit ist Latein auch nicht die Muttersprache von irgendeiner Bevölkerungsgruppe der Erde, alle lateinischen Muttersprachler sind tot, daher tote Sprache.«

      Herr Mollenhauer lächelt zufrieden. »Da hören Sie es, Fritzi. Verstanden?«

      Sie nickt.

      »Na, dann bitte, lesen Sie vor.«

      Sie wendet sich wieder der Tafel zu und versucht, die einzelnen Worte auszusprechen, wie es ihr in den Sinn kommt: »Faba es sui kiske fortunä?« In ihrem Kopf klingt es wie eine Fantasiesprache.

      »Ich nehme an, die Übersetzung kennen Sie nicht?«

      Fritzi schaut sich Hilfe suchend im Klassenzimmer um, von dieser Gurkentruppe braucht sie aber scheinbar keine Hilfe zu erwarten. Einzig die freundlichen braunen Augen von Chiara halten ihrem Blick stand, doch ihre Lippenbewegungen ergeben für Fritzi ebenso wenig Sinn wie die Worte an der Tafel. Sie schüttelt niedergeschlagen den Kopf.

      Herr Mollenhauer seufzt. »Schade, setzen, Winter. Petruschka, würden Sie es noch mal probieren?«

      Petruschka, auch Peti genannt, ist das wohl durchgeknallteste und schlauste Mädchen der ganzen Stufe. Sie trägt ihre glatten Haare als kurzen Bubi-Schnitt mit Pony. Hinter der riesigen Opa-Brille auf ihrer Nase versteckt sie hübsche große Augen und eine ebenmäßige glatte Pfirsichhaut. Sie hat immer eine Strickjacke an, sowohl bei strahlendem Sonnenschein als auch bei Schneegestöber. An ihren Ohren baumeln auffällige Federohrringe. Manche behaupten, sie wäre so schlau, dass sie sich für etwas Besseres hielte. Hin und wieder kommt sie mit ihren Eltern und ihrem Bruder Jannik zum Essen in die Grüne Gans. Jannik geht schon in die Neunte und fast alle Mädchen sind in ihn verliebt. Er ist größer als die anderen, hat warme dunkelbraune Augen und rotbraune, wuschelige Haare. Petis Vater ist Kommissar Nowak, man behauptet, kein Geheimnis in Neustadt sei vor ihm sicher.

      Als Peti jetzt vorliest, was an der Tafel steht, betont sie jedes Wort am Ende und verzieht dabei komisch den Mund. »Jeder ist seines Glückes Schmied«, übersetzt sie dann und schreibt es unter den lateinischen Satz.

      Herr Mollenhauer klatscht begeistert Beifall. »Toll! Petruschka, toll!«

      Fritzi schüttelt den Kopf und hebt ihre Hand in die Höhe. »Ähm,