Название | Speyerer Altlasten |
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Автор произведения | W. W. Pook |
Жанр | Зарубежные детективы |
Серия | |
Издательство | Зарубежные детективы |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783939434238 |
„Erinnerst du dich an ihn?“, flüsterte Ulla.
„Oh ja, der Oskar Metzger, an den erinnere ich mich sehr gut. Er hat mir den Hof gemacht, aber seine feuchten Hände machten mir eine Gänsehaut!“
Und doch füllen sich die Augen meiner Freundin mit Tränen. Lange betrachtet sie das alte Bild, bis sie es auf den kleinen Beistelltisch zurückstellt und eine Kerze entzündet, als Gedenken für die Toten.
Auch mich erfasst ein Schauer und mein Blick wandert erneut zum Dom, als könnte er mich vor der Traurigkeit bewahren, die über die Frauen kommt. Gretchen liest den Zeitungsbericht.
„Da steht nichts darin wie Liesel und Maria ihr Leben verloren haben!“, aber ihr fragender Blick zu Ulla macht ihr Hoffnung, dass diese vielleicht eine Ahnung haben könnte.
„Ich kenne die Putzfrauen vom Kloster, die haben mich genau informiert“.
Gretchen hält die bedeutungsschwere Pause kaum aus, die Ulla zum Luftholen braucht. Schnaubend wie ein Pferd sammelt die starke Frau all ihren Grips und fährt dann endlich fort.
„Wie bei Oskar, Kopf ab bis zur Wirbelsäule. Einen Draht mit zwei Holzgriffen, im Genick verdreht und ein Blutbad wie in einer Schlachterei!“
Mir wird übel bei der sachlichen Schilderung und ein intensiver Blutgeruch steigt mir in die Nase. Die Frauen haben eine Gabe, das Leid und die nackten Tatsachen so voneinander zu trennen, als seien sie alte Polizisten.
„Also derselbe Täter?“, stellte Gretchen eiskalt fest und Ulla nickt.
Mit einem Blick zu mir vergewissert sich meine alte Freundin, ob ich auch ja alles gehört und verstanden habe, aber ich winke sofort ab. Dieser und auch die anderen Fälle, gehören nicht in meinen Zuständigkeitsbereich. Wenn ich auch in Holland von den Behörden ab und an zur Mitarbeit gebeten werde, so lehne ich eine Einmischung hier kategorisch ab.
Enttäuscht wendet sie sich dem schweren Holztisch zu, der das Zentrum des gemütlichen Wohnzimmers bildet, zieht sich einen Stuhl heran und studiert die Zeitungsausschnitte und handgeschriebenen Zettel, die durcheinander liegen.
Mir wird der Boden zu heiß und bevor Gretchen mich mit ihrem Dackelblick dazu bringt meinen festen Standpunkt zu überdenken, ziehe ich mich lieber in das kleine Schlafzimmer zurück, das Ulla für mich gerichtet hat.
Es ist ja so eine Sache mit fremden Betten und ich bin da keine Ausnahme, aber als ich das uralte Bett sehe, 180 cm lang und 100 cm breit muss ich grinsen. Gott sei Dank, dass ich nicht so groß bin wie Maarten, der hätte sich wie ein Rollmops zusammendrehen müssen. Aber für meine 160 cm reicht das alte Ding bestimmt.
Doch im Bad muss ich weiter grinsen, denn auch hier scheinen die letzten hundert Jahre spurlos an allem vorübergegangen zu sein.
Neugierig drehe ich am Wasserhahn und tatsächlich fließt Wasser heraus. Keine Schwengelpumpe, wie ich fast befürchten musste, als ich die Zinkbadewanne auf geschwungenen Füßen erblickte. Ein Brausekopf hängt darüber und ein Plastikvorhang schützt den alten Holzboden.
Doch die Toilettenspülung ist das Tollste. Eine uralte Zugvorrichtung mit Keramikgriff an einer Kette, die ich mich fast nicht zu benutzen traue. Doch sie hält meinem Zug stand. Die Decke bleibt, wo sie ist, aber der Rheinfall von Schaffhausen macht nur halb soviel Getöse wie die Toilettenspülung.
Zurück in meinem feinen Schlafzimmer beschließe ich meine Koffer erst morgen auszupacken.
Ich öffne das Fenster, wie ich das immer tue, und werfe mich juchzend in das quietschende Bett. Sofort versinke ich in den dreiteiligen Matratzen, kämpfe mit den dick gefüllten Federbetten und befreie mich von dem Federballast, der für einen sibirischen Winter geeignet wäre. Jetzt ist alles urgemütlich und während ich in dem schaukelnden Bett noch an meine Pritsche auf Vaters Lastkahn denke, bin ich eingeschlafen.
Kapitel 2
Tatortbesichtigung
Das Sechsuhrläuten der vielen Kirchen um mich herum macht mir sofort klar, wo ich bin. Doch ich mag die schaukelnde Kuschelkiste noch nicht verlassen.
Draußen auf der Hauptstraße ist es noch mäuschenstill und ich genieße die leichte Brise, die meinen Vorhang bewegt.
Aus meiner Handtasche angle ich mein Handy und wähle Maarten an, der bestimmt schon hinter seinem Steuerrad steht und mit seinen Adleraugen die Fahrrinne beobachtet.
Und so ist es dann auch. Einmal Klingeln und ein lautes:
„Hoi mijn Meid!“, donnert mir entgegen. Ich sehe sein verschmitztes Grinsen vor mir und lasse das Bett schaukeln, als stände ich neben ihm am Steuer, mit einer Tasse Kaffee in der Hand.
Es dauert eine Weile bis ich alles berichtet habe, was sich in den letzten Tagen zugetragen hat. Wie von einem Schiffsjungen fordert Maarten genauen Bordbericht von mir und lauscht konzentriert meinen Erzählungen.
Als ich meinen Aufenthalt in Speyer schildere, wie es dazu kam und was ich bisher gesehen habe, überrascht mich seine Frage nicht, ob ich in den Fall einsteige. Ein tiefes Atmen ist sein ganzer Kommentar und trotz meiner psychologischen Ausbildung bin ich nicht imstande, seine Reaktion zu deuten. Ich müsste sein Gesicht jetzt sehen, dann wüsste ich Bescheid.
Die Abschiedsworte sind wie immer liebevoll, aber kurz und knapp. So ist er eben.
Mit einem neuerlichen Grinsen begrüße ich mein Spiegelbild im vorsintflutlichen Bad. Ich stelle fest, hervorragend geschlafen zu haben und in meinem Gesicht zeigen sich noch immer keine Falten oder Knitter. Die Haut ist lupenrein wie immer, vielleicht etwas blass, was bei blonden Menschen wie ich es bin, oft vorkommt. Die grünen Augen glänzen, die Zähne sind makellos, was will ich mehr. Meine jugendliche Figur mit harmonischen Rundungen habe ich mir auch bewahrt, obwohl ich dem guten Essen gerne zuspreche.
Gretchen sagte immer, ich entspringe der Rasse der Babajagas, die alle schlank waren, hoch aufgeschossen und essen konnten, soviel und was sie wollten.
Nur die Größe habe ich von meiner Mutter, oh, und auch die psychologische Ader. Eine spezielle Kunst, im Umgang mit Menschen und ihren Schattenseiten, die an keiner Universität gelehrt wird. Ein vererbtes Talent, eine angeborene Schnüfflernase, gepaart mit einem Gehirn, das Assoziationen und Verknüpfungen herstellen kann, die uns von allen anderen unserer Zunft unterscheidet.
Ich wähle für den Tag eine helle Leinenhose und eine bunte Bluse und da draußen die Sonne scheint, schlüpfe ich in meine neuen Basler Sandalen, die mir Maarten mitgebracht hat.
In der Küche sitzen die alten Mädchen bereits beisammen.
„Inger, mein Mädchen, hast du gut geschlafen?“, tönt mir Ullas Ruf entgegen und ich nicke freundlich in ihre Richtung.
Auch Gretchen thront am Esstisch, die Nase hinter der Tageszeitung verborgen. Ich gebe ihr ein Küsschen und richte Maartens Grüße aus.
„Ohh, das Mädchen hat einen Freund?“, ruft Ulla zu Gretchen, die wie eine Schlange den Hals reckt, über den Zeitungsrand lugt und erwidert:
„Und was für einen. Zwei Meter lang, dünn wie eine Bohnenstange, Beine wie ein Storch, Hände und Füße so groß wie Windmühlenflügel und das Gesicht unter lauter rauen Stoppeln vergraben. Der Kerl ist über sechzig und wenn er mal was sagt, was selten vorkommt, dann sind das messerscharfe wohlbedachte Worte, die selbst dich und mich mit einem Schlag mundtot machen!“
Damit verschwinden die blitzenden Augen wieder hinter der Zeitung und Ullas offener Mund und staunender Blick schießen zu mir herum, als hätte sie unerhörte Dinge über mich gehört.
„Mijn Vader!“, sage ich schnell zwischen zwei Schlucken Kaffee, womit sich Ullas Blick entspannt und Gretchen von der Freundin einen Knuff erhält.
„Au!“, schreit Frau Doktor. „Wodurch habe ich den verdient? Ich sagte nichts weiter als die Wahrheit, die reine Wahrheit, so rein wie der Rhein bei Rheinhausen!“
Gekicher wird laut und ich esse