Traumafolge(störung) DISsoziation. Zora Kauz

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Название Traumafolge(störung) DISsoziation
Автор произведения Zora Kauz
Жанр Медицина
Серия
Издательство Медицина
Год выпуска 0
isbn 9783969405482



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nicht ausreichend belegt, da die Krankheiten zu komplex und die Forschung in diesem Bereich zu jung ist, jedoch gibt es im Kleinen Fortschritte und Erkenntnisse, auch wenn noch viele Unsicherheiten, Fragezeichen und Streitpunkte, auch das Folgende betreffend, bestehen.

      Frühe und heftige Umwelteinflüsse können zu epigenetischen Veränderungen führen, unsere Stressreaktionen werden geprägt. Grenzverletzungen in der Kindheit können ein Gen hemmen, seine Aktivität herabsetzen, das für die Produktion eines Faktors verantwortlich ist, welcher hilft, Cortisol zu neutralisieren. Umgekehrt bedeutet dies, dass genetische Dispositionen kein unumkehrbares Schicksal sind, weil die Gene für psychische Erkrankungen, mal sehr gewichtig, mal weniger, jedoch immer nur ein Faktor sind. So sind im Gegensatz zur Erbinformation selbst deren epigenetische Prozesse, dadurch Aktivierung bzw. Ablesbarkeit mit Dynamik verbunden, also beeinfluss- und veränderbar. Wohl ist eine Gravur der Epigenome nie wieder so gut/leicht zu setzten wie während der Schwangerschaft, in den ersten drei Lebensjahren und teilweise auch noch mal im Umbaualter der Pubertät, trotzdem ist unser Organismus nicht statisch, da ist immer Bewegung, Lernen, Regeneration, Evolution. Doch auch wenn vieles davon immer und ganz ohne unser Wissen stattfindet, ist große Bewegung, entfaltende Entwicklung, horizontweitendes Lernen und heilsame Flexibilität nichts, was einfach so von allein passiert. Das mag uns (emotional) sehr fern scheinen, doch ist es für uns – und hoffentlich für viele – auch hoffnungsvoll, denn es bedeutet, dass vieles möglich ist. Es bedeutet, dass wir, wohl nicht grenzenlos und einiges betreffend bestimmten, schwer einschränkenden Erfahrungen leider unterlegen, aber in vielen Bereichen mehr Möglichkeiten zur Entwicklung haben, als wir vielleicht glauben können. Manche Gegebenheiten, primär früh und oder heftig prägende Erfahrungen, setzten hier eben leider Grenzen, weil frühe, tiefe Spuren nicht zu löschen sind. Immer schwieriger wird es bei chronischen und gezielt gesetzten Prägungen, aber was innerhalb der Grenzen möglich ist, ist meist mehr, als wir es wagen würden, uns vorzustellen. Und wenn wir uns trauen (wollen/können), diese Grenzen kennenzulernen, dann können wir auch unseren Möglichkeitsraum entdecken und uns in darin ein Leben wachsen lassen. Wir brauchen Menschen, die uns ermutigen (nicht überreden!), neue Erfahrungen zu machen, und uns offen einladen, Begeisterung und Interesse zu entwickeln, denn dann können neuroplastische Botenstoffe für eine nachhaltigere Koppelung und dadurch Verinnerlichung des Neu-gelernten sorgen. Ich glaube, dass bei den meisten psychischen und oder auch neurologischen Krankheiten, ebenso wie bei Ausgrenzung, Diskriminierung und anderer Gewalt, das Wissen um Neurodiversität und -plastizität sehr hilfreich ist, um sich davon wegbewegen oder andere Lösungen finden zu können. Sich dessen gewahr zu sein, dass andere anders wahrnehmen und anders von der Umwelt beeinflusst werden, hilft manchmal, Unverständnis und impulsive Abwertung zu hinterfragen oder ganz ruhen zu lassen. Bei psychischen Krankheiten kommt es zu Störungen bestimmter Kommunikationssysteme und oft auch dadurch zu einer Hemmung der Neuroplastizität, bzw. ist es so, dass funktionelle Verbindungen weniger oder instabiler modulübergreifend vernetzt sind, natürlich in verschiedenen Bereichen bzw. verschiedene Kommunikationswege schwerer oder geringer betreffend. Das Wachstum neuer Nervenzellen, das im Gehirn ständig passiert, sowie das Entstehen neuer Synapsen und eine Veränderung der Myelin-Beschleunigungs-Isolierung sind neuronale Regeneration. Und damit auch psychobiologisch heilsam, weil z. B. neue Wege der Stressbewältigung erlernt/angewandt, schneller (auch langfristig adaptive) Lösungen gefunden und Zufriedenheit und Aufmerksamkeit gesteigert werden können. Ferner ist unser Neurotransmitter-Haushalt mehr im Gleichgewicht, wodurch wiederum die Hemmungen der Plastizität sinken. Wenn wir das wirklich wollen und es eben innerhalb unserer Möglichkeits-Grenzen liegt, können wir die Plastizität unseres Gehirns aktiv nutzen, um festgefahrenen Muster verändern (oder schädigend konditionierte zumindest hemmen) und – im Rahmen mancher Gegebenheiten – Krankheiten1 mildern oder heilen zu können. Alles, was neuronale Plastizität stimuliert, macht flexibel, ist heilsam.

      1 Gemeint ist bspw. die akute PTBS-Symptomatik oder eine Komorbidität bzw. Erkrankungen im Allgemeinen, nicht Traumatisierungen und unsere dissoziative Identitätsstruktur als solche.

      2 Differentialdiagnosen

      Eine Frau erzählte mir, sie habe etwas an ihrem Fahrrad kaputt gemacht. Beim Putzen. Seit dem klickere es. Im Tretlager. Da stimme etwas ganz und gar nicht. So könne sie damit nicht fahren. Es fühle sich unsicher an. Da sei irgendwie was lose. Ich sagte ihr, dass ich leider keine passende Nuss als Kurbelabzieher hätte und auch kein Tretlagerschlüssel.

      Hoffnungslos.

      Sie musste es wohl in eine Werkstatt bringen, die das richten würden.

      Aber sie hatte Glück, denn ich erklärte mich bereit, es mir vorher nochmals anzuschauen. Vielleicht gab es ja eine andere Erklärung für das Problem. Ein solches Geräusch kann auch andere Ursachen haben. Vielleicht. Vielleicht wären dann nämlich andere Lösungswege möglich. Vielleicht.

      Es war nicht das Tretlager. Und es war genau genommen auch kein Klickern, sondern ein Streifen. Es streifte unregelmäßig und darum schien es wie ein Klickern. Da war nichts lose. Da war was fest. Da war was fest, was nicht fest sein sollte. Es war Dreck zwischen ihrer Scheibenbremse und den Bremsbelägen, zudem lief die Scheibe nicht parallel durch. Ich baute das Vorderrad aus, nahm die Bremsbeläge raus, machte weg, was nicht da sein sollte, baute es wieder ein und stellte den Bremssattel richtig ein. Kein Klickern mehr.

      War doch nicht hoffnungslos.

      Uns ist etwas Ähnliches passiert. Uns wurde gesagt, dass etwas ziemlich kaputt sei. Da stimme was nicht. So könnten wir auf jeden Fall nicht rumlaufen. „’ne Schraube locker.“ Zu uns sagten sie: schizophren. Es sei sehr unsicher und kritisch. Sie sähen keine Möglichkeit, uns zu helfen.

      Hoffnungslos.

      Wir müssten wohl in eine andere Klinik, die das dann richten würden.

      Aber wir hatten dort kein Glück. Niemand war bereit, sich das noch mal anzuschauen. Schade, denn die Symptome konnten auch für etwas anderes sprechen. Wir bekamen Medikamente zum Stilllegen einer akuten Psychose. Wir lagen auf einem Bett mit Fixiergurten. Natürlich nur zu unserer Sicherheit. Erniedrigung und Ausgeliefertsein, das kannten einige ja schon. Wir wurden für unzurechnungsfähig erklärt. Die wenigen Worte, die noch gesprochen werden konnten, lächelnd abgenickt. Zudem wirkte ich meist auch noch antriebslos und depressiv. Seltsam eigentlich bei solch hemmenden Medikamenten, wenn ich davon irgendwie „hier gehalten“ wurde. Vielleicht hätte es eine andere Erklärung gegeben. Vielleicht war das Problem gar nicht das Problem. Vielleicht war das Problem ein Zeichen von Prozess. Vielleicht wären andere Lösungswege möglich gewesen.

      Vielleicht.

      Es war keine Schizophrenie. Und genau genommen war es sogar auch keine Psychose. Es war Dissoziation und Trauma. Und das ist manchmal komplex und scheint wie eine Psychose. Aber da ist nichts Psychotisches. Da ist was Traumatisches. Es sind amnestische Barrieren zwischen einigen von uns. Und da läuft nicht alles ganz parallel in der Spur.

      Und auch wenn es mir oft so erscheint, es ist nicht hoffnungslos.

      3 Ein Einstieg zu uns

      Wenn ich Dinge lese, um ein Grundwissen zu erlangen, um mich und unser Nervensystem besser kennenzulernen zu können, denke ich manchmal, ich habe es verstanden. Ich lese und denke darüber nach und schreibe die Ergebnisse sogar auf und bilde mir also wirklich ein, es verstanden zu haben. Aber zur Wissensaufnahme fähig, also kognitiv nicht völlig hängengeblieben zu sein, hat überhaupt nichts mit (geistiger und oder kognitiver) Flexibilität, also Anpassungsfähigkeit, im Bezug auf das eigene Leben zu tun. Wissen aneignen bedeutet nicht, Dinge begreifen zu können. Und um mich nachhaltig anders zu ver-halten, muss ich be-geifen, was ich da halte.

      Es ist wie mit unserer Biografie. Irgendwie sind wir so durch die Jahre gekommen und dann blicken wir irgendwann zurück und fragen uns, wie es möglich war, so viel abzuspalten, ohne es zu bemerken. Wie es möglich war, so viel nicht zu verstehen,