Название | Traumafolge(störung) DISsoziation |
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Автор произведения | Zora Kauz |
Жанр | Медицина |
Серия | |
Издательство | Медицина |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783969405482 |
Dissoziative Störungen/Symptomatiken sind in den Diagnose-Werken kategorisiert und aufgeteilt, wobei in der DSM (Diagnostic ans Statistical Manual of Mental Disorders), für den englischsprachigen Raum, anders differenziert wird als in der ICD (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems). Jeder dissoziativen Störung im Bereich der Strukturellen Dissoziation liegen ein oder mehrere Traumata zugrunde. Die dissoziativen Störungen im Bereich der Tertiären Strukturellen Dissoziation werden in verschiedener klinischer Literatur als die komplexesten Formen einer Posttraumtischen Belastungsstörung, PTBS, beschrieben. Ich verstehe das prinzipiell, empfinde aber die PTSB als akute Symptomatik (von deren Hauptsymptomen auch nicht alle im System etwas spüren). Etwas, das akut sehr viel Leidensdruck und Beeinträchtigung verursacht. Und die DIS als etwas, das alle im System betrifft, auch wenn nicht alle es wissen oder als solches benennen können. Unsere Persönlichkeitsstruktur als etwas, das, auch wenn sich die Kommunikation verbessern soll und ein Zusammengehörigkeitsgefühl angestrebt wird, im Grunde bleibt/bleiben kann (weil Anteile nicht verschwinden, sondern sich bzw. ihre Strategien verändern und gleichermaßen unsere Zusammenarbeit, unser Zusammensein), worunter wir dann an sich ja auch nicht (mehr) leiden, nur an dem, was dadurch (noch) entsteht, bzw. an dem, woraus sich das entwickelte. Das, was künftig im ICD als Komplexe Posttraumatischen Belastungsstörung klassifiziert werden soll, beinhaltet verschiedene Formen von Dissoziationen oder Stufen der Strukturellen Dissoziation sowie Affektregulationsstörungen, negative Selbstwahrnehmung und Beziehungsstörungen. Nicht des Titels wegen ist es wichtig die Komplexität zu verstehen, sondern um Entstehungskontexte und Möglichkeiten der Zusammenarbeit erkennen zu können, also um Wege zu mehr Integration und weniger Leid gestaltbar zu machen.
Schizophrenie ist eine wohl nicht seltene Fehldiagnose, die Menschen mit dissoziativer (in dem Fall dann meist Identitäts-) Störung erhalten. Vermutlich ist die wörtliche Übersetzung von Schizophrenie, gespaltene Seele, ein Grund dafür, dass es weiterhin den Vergleich/die Verwechslung gibt. Zumindest in der Alltagssprache, wird „schizophren“ als Synonym für „gespalten“ oder „höchst ambivalent“ verwendet. Allerdings liegen grundlegend andere neurobiologische und psychologische Prozesse vor. Die Schizophrenie ist eine deutlich seltenere Krankheit als dissoziative Störungen, die keine Seltenheit sind, jedoch entspricht die Gewichtung der wissenschaftlichen Betrachtung offensichtlich anderen Interessen. „Sie finden [in PubMed, Suchmaschine für wissenschaftliche Studien] 264 Studien zur Dissoziativen Identitätsstörung und 90 251 über Schizophrenie. Wenn Sie jetzt noch die Anzahl der Studien mit bildgebenden Verfahren vergleichen zwischen DIS und Schizophrenie, dann zeigt sich dieselbe Schieflage innerhalb von Sekunden: 18 für DIS und 940 für Schizophrenie. Ist diese fehlende Betrachtung gerechtfertigt?“, fragt Traumaforscher, Therapeut und Autor Ellert R. S. Nijenhuis.
Nach Kurt Schneider kann eine Schizophrenie mit hoher Wahrscheinlichkeit durch Auftreten der Symptome ersten Ranges diagnostiziert werden, wenn andere Ursachen, wie körperliche Erkrankungen oder Drogeneinnahmen, ausgeschlossen sind. Diese Symptome treten jedoch anscheinend im Falle einer dissoziativen Identitätsstörung häufiger auf als bei Schizophreniekranken. Also sollte Dissoziation in diesen Fällen definitiv in Betracht gezogen werden. Zudem wirken bei uns Medikamente sehr unterschiedlich, je nach Erregungszustand, und machen Symptome nicht weg, wenn sie dissoziativer Natur sind. Sowohl bei Schizophrenie als auch DIS kommt es also z. B. zum Hören von Stimmen, Bedroht- und/oder Aufgefordertwerden, zu Wahrnehmungen, deren Auslöser nicht im Hier-und-Jetzt für Außenstehende erkennbar ist, zu Empfindungen, für die es keine direkte Ursache gibt, Gedankenabbrüche oder -eingebungen sowie (scheinbare) Willensbeeinflussung. Und schließlich und nicht unwichtig: Beide Krankheiten leiden unter Stigma und sind nicht heilbar mit Äußerungen wie: „Du weißt, es ist nicht echt“ oder „Es ist doch schon vorbei“, oder einfach durch die Zeit.
Falls eine ungeordnete, sprunghafte (auf Themen bezogen) Ausdrucksweise, gestörte, also nichtlineare, Gedankengänge oder unkontrollierte Bewegungen vorkommen, ist dies bei uns nicht psychotisch bedingt, sondern kann vereinzelt auftreten, weil wir dissoziieren. Es ist unmöglich – für mich zumindest nicht vorstellbar, vielleicht auch abhängig davon, wer geht und wer kommt, aber dann ggf. eben fast unmöglich –, einen Satz in oder nach einem Switch zu Ende zu führen, weil ein anderer Anteil das Bewusstsein übernimmt oder sich in das unsere einmischt. Manchmal fühlt es sich auch so an, als würden andere ihre Gedanken über meine „darüberschütten“ oder mir die ihren hinwerfen, mit denen ich dann etwas anfangen muss, auch wenn es nicht meine Gedanken sind. Es ist anstrengend, beim Thema zu bleiben, wenn sich verschiedene Stimmen einmischen, weil sie uns nicht zustimmen oder Gedanken darum wegbrechen. Ein unterbrochener Satz oder abrupter Themenwechsel ist manchmal einfach nicht zu vermeiden. Dissoziierte Persönlichkeitsanteile sind keine Halluzinationen, sondern wirklich Teile der Persönlichkeit, und alle zusammen ein Mensch. Innen-Stimmen z. B. sind „positive“ dissoziative Symptome. Positiv im Sinne von Addition, weil sich etwas, das abgespalten ist, hinzufügt. Viele davon sind nicht nur sich wiederholende Verfolgungs-Mantras. Zwar kann es sein, dass Anteile teilweise das wiederholen, was (uns) während einer traumatischen Situation gesagt oder gelehrt wurde, aber dann hat es dort seinen Ursprung und eine Bedeutung und ist kein Wahn. In jedem Fall sind wir viele, mehr als nur Stimmen. Wir existieren tatsächlich. Die meisten von uns können (wenn sie dürfen/in der Situation können) in Kontakt treten, Gespräche führen, wir alle fühlen, wenn auch sehr unterschiedlich, oder teilweise nicht, wir hoffen, verzweifeln und je nachdem, wie komplex bzw. autonom jemand ist, handeln und denken wir, wie es Menschen eben können oder nicht. Nur eben je nachdem in einem begrenzten oder eingeschränkten Bereich. Intrusionen sind welche dieser positiven dissoziativen Symptome, es sind Empfindungen oder Wahrnehmungen, für die es objektiv nicht unbedingt einen passenden äußeren Reiz als Auslöser gibt. Jedoch passt der Trigger immer, auch wenn das von außen nicht unbedingt als schlüssig zu erkennen ist, weil es um nicht integrierte Originale geht. Original bedeutet nicht objektiver, juristischer Fakt, sondern original das, was wir damals wahrgenommen haben. Sie sind also nicht psychotisch bedingt, sondern weil sich eine Amnesie auflöst bzw. einzelne Aspekte das Bewusstsein erlangen, als Gegenstück zur Dissoziation quasi. Unser Nervensystem reproduziert die Bilder, Geräusche, Gerüche, Geschmäcker, Empfindungen, die wir abgespalten haben. Sie sind also auch echte innere Wahrnehmungen, die durch triggernde Reize erneut ausgelöst werden. Falsche Überzeugungen, veränderte Wahrnehmungen von realen Sachverhalten oder verzerrte Weltanschauungen: „Illusionen“ sind im Falle einer dissoziativen Störung entweder auch Erinnerungen, die aktuell erscheinen, oder Lernerfahrungen bzw. introjizierte Meinungen der Täter_innen oder auch eine antrainierte Alarmbereitschaft, die aus gutem Grund entstand. Diese Weltbilder können psychotisch scheinen, da sie mitunter sehr extrem sind oder ihr Entstehen nicht verstanden wird, doch sind sie keine Einbildung, sondern Ansichten, die durch die Traumata geprägt und gefärbt sind. Welche allerdings noch irrealer scheinen, indem verschiedene Anteile polare Weltanschauungen oder Werte haben (können). Es kommt also zu massiven Unterschieden.
Ich weiß, meistens, dass wir nur diesen einen Körper haben und dieser objektiv ziemlich anders ist, als die meisten von uns ihn wahrnehmen. Ich wusste von Anfang an, dass die Stimmen im Kopf sind und nicht von außen kommen, weil es, auch wenn es sehr laut sein kann, anders klingt als Sprache, die von außen kommt. So sind die aktuellen Bedrohungen etwas, das innen lebt, auch wenn ich lange nicht wusste, wo es herkommt oder warum es da ist. Das Gefühl, von außen verfolgt zu werden, ist auch „nur“ eine Erinnerung bzw. aufgrund unseres feststeckenden Nervensystems so echt, und die Macht dieser ständigen Angst so vehement, weil sie aus Todesangst geboren wurde. Unser Kontextlernen ist gestört, da der Hippocampus durch den chronischen Stress kleiner ist und die Bedrohung nicht sortiert und orientiert hat. Wir wissen lange nicht, was sicher ist, weil es viel Training braucht, um die Unsicherheit verlernen zu können. Die Angst verlässt uns nicht, weil einzelne Reize nicht in ihre Umgebung integriert sind. Es ist also kein psychotischer Verfolgungswahn, sondern neurobiologische Veränderungen, die uns im Gefahren-Modus festhalten.
Aber genau deshalb, weil es in uns ist und immer wieder die Macht über den Organismus übernimmt, fühlen wir uns so machtlos.