Die 1968er-Jahre in der Schweiz. Damir Skenderovic

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Название Die 1968er-Jahre in der Schweiz
Автор произведения Damir Skenderovic
Жанр Документальная литература
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Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783039198764



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neu zu formieren und Verbesserungen ihrer Situation zu fordern. Ein früher Vertreter dieser Bewegung ist der zwischen 1956 und 1964 aktive Mouvement démocratique des étudiants (MDE), der in Lausanne und Genf insgesamt etwa 100 bis 200 Studierende versammelt. Die hauptsächlichen Forderungen und Aktivitäten des MDE, der seinen Höhepunkt zu Beginn der 1960er-Jahre erlebt, beziehen sich vor allem auf eine Demokratisierung der Universitäten, studentischen Syndikalismus sowie auf den Algerienkrieg und Fragen des Antikolonialismus. Am 1. November 1960 organisiert der MDE in Lausanne ein erstes Treffen zum Thema des Algerienkriegs, das ein beträchtliches Publikum anzieht und in der Presse auf grosses Echo stösst. Ein Jahr später findet in Genf eine Solidaritätsveranstaltung mit den algerischen Studenten statt, an der eine Petition an den Grossen Rat verabschiedet wird, die eine Spitalbehandlung junger Algerier, die im Befreiungskrieg verletzt worden sind, und die Zusprechung von Stipendien an in die Schweiz geflüchtete Studenten fordert. Der MDE ist auch ein gutes Beispiel für die Bedeutung von organisatorischen und persönlichen Netzwerken. Während die Gruppe bei der SBgaA mitmacht, baut der Gründer des Centre Lénine, Nils Andersson, im Zuge der Solidaritätsaktionen für Algerien enge Beziehungen zum MDE auf. Zudem sind ehemalige Mitglieder des MDE später in der RML aktiv. Wichtige Nachfolgeorganisationen des MDE sind die 1962 in Genf gegründete Action syndicale universitaire, die im Mai 1968 eine wichtige Rolle spielen wird, und das Rassemblement des étudiants de gauche.

      Auch an anderen Universitäten entstehen in den 1960er-Jahren studentische Organisationen und Gruppierungen, die 1968 und in den darauf folgenden Jahren zu wichtigen Akteuren der 68er-Bewegung werden. Zu nennen ist etwa die 1963 gegründete Fortschrittliche Studentenschaft Zürich (FSZ), die sich 1967 zusammen mit der Jungen Sektion der PdA im Rahmen der Organisation zweier grosser Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg mit weiteren Gruppierungen zu den Fortschrittlichen Arbeitern und Studenten (FAS), später Fortschrittliche Arbeiter, Schüler und Studenten (FASS), zusammentun und ab Sommer 1968 einige beachtliche Mobilisierungserfolge erzielen. An der Universität Bern konstituiert sich 1966 das forum politicum, in dem vor allem Studierende der Soziologie aktiv sind. Sie beklagen sich über die undemokratischen universitären Strukturen und engagieren sich im Studentenrat und in anderen studentischen Gremien. Öffentliche Aufmerksamkeit erregt die Gruppe, als sie am 26. November 1966 eine Manifestation gegen den Vietnamkrieg organisiert, die von Couleur-Studenten gestört wird. Diese versuchen, das Verlesen dreier Resolutionen mit Burschenliedern zu übertönen. Dank diesem Zwischenfall schafft es die Vietnam-Demonstration, die als erstes Lebenszeichen der sich formierenden Studierendenbewegung in Bern gewertet werden kann, am nächsten Tag auf die Frontseite des «Blick». Im folgenden Jahr bemüht sich das forum politicum, die in der BRD entstehenden Diskussionen in die Schweiz zu tragen, als sie im Zusammenhang mit dem Schah-Besuch in der BRD Anfang Juni 1967 zusammen mit der FSZ eine Podiumsdiskussion zur Situation in Persien veranstaltet. Eingeladen ist der junge iranische Literaturwissenschaftler Bahman Nirumand, der am 1. Juni 1967, also einen Tag bevor Benno Ohnesorg in Berlin erschossen wird, im überfüllten Audimax der Berliner Freien Universität ein Referat hält.

      Trotz der Heterogenität der verschiedenen Szenen, Gruppierungen, Zeitschriften und Projekte der späten 1950er- und der 1960er-Jahre sind gewisse gemeinsame Deutungen und Anliegen kennzeichnend. Es besteht ein Unbehagen über das geistige und politische Klima in der Schweiz, das als erstarrt, konformistisch, langweilig, kleinkariert und konservativ empfunden wird. Viele, wenn auch nicht alle der Kritiker und Aufmüpfigen in diesen Jahren sind jung und in den 1940er-Jahren geboren. Ihr Ziel ist es, die Erwachsenengeneration und etablierte Kreise der Gesellschaft zu provozieren, sei dies durch radikale politische Forderungen oder durch ihren Lebensstil, durch Auftreten, Kleidung, Frisuren oder Musik. Während die aufkommende Pop- und Rockkultur Ausdruck einer Aufbruchsstimmung ist, die den Jugendlichen ein Gefühl des Ausbruchs aus der normierten Existenz der Nachkriegsschweiz gibt, beginnt der Vietnamkrieg als politischer Katalysator für eine ganze Generation zu wirken. Der Protest dagegen vereinigt die verschiedensten Akteurinnen und Akteure, und als er sich um 1968 radikalisiert, verändert er nachhaltig die Art und Weise, wie in der Schweiz politische Forderungen artikuliert werden. Derweil sind Konzerte, Musik, Drogen und Fanzines Teil einer entstehenden Gegenkultur und Akte der Befreiung, die ein neues Lebensgefühl vermitteln und einen umfassenden kulturellen Umbruch in der schweizerischen Gesellschaft ankündigen.

Kapitel Ein transnationales Ereignis

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