Название | Gestalttherapie mit Gruppen |
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Автор произведения | Stefan Hahn |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783897975101 |
Hier wird der Gruppenleiter Aktivitäten und Experimente wählen, die stimulieren und Raum geben für die entgegengesetzten Erfahrungen. Sei es, dass Teilnehmer ausprobieren können, wie es ist, wenn sie sich jemandem in der Gruppe zumuten oder sich trauen, mit einem Mitglied offen einen Konflikt auszutragen. Sei es, dass sie in der Gruppe ihre Unsicherheit und Lebensangst zeigen können, ohne dafür ausgegrenzt oder verachtet zu werden.
Der therapeutische Prozess in der Gruppe
Landkarte für Veränderungsprozesse in der Gruppe
Als Gestaltgruppenleiter habe ich eine innere Landkarte, wie Veränderungsprozesse vonstatten gehen, was sie begünstigt und was sie eher blockiert.
Abb. 6
Aufbau einer therapeutischen Beziehung
Die wichtigste Voraussetzung für Veränderung ist der Aufb au einer Beziehung zwischen mir und jedem einzelnen Gruppenteilnehmer und zwischen den Gruppenteilnehmern untereinander. Ein gelungener Aufb au von authentischen gleichberechtigten Beziehungen hat für sich bereits hohen therapeutischen Wert.
Was beinhaltet dieser Aufb au einer Beziehung? Meine Intention ist es, jedem Gruppenteilnehmer mit wachem Interesse und Neugier zu begegnen. Meine Bewertungen, diagnostische Vorannahmen, und Gefühlsreaktionen nehme ich zunächst wahr. Den Großteil davon speichere ich, wobei etwas davon natürlich in meine jeweilige Interaktion mit dem Gruppenteilnehmer mit einfließt.
Durch meine anfängliche Zurückhaltung und grundsätzliche Akzeptanz versuche ich eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich Gruppenteilnehmer sicher genug fühlen, sich so zu entdecken und zu zeigen, wie sie sind. Wichtig ist mir, eine Gruppenkultur zu schaffen, in der Unterschiedlichkeit Platz hat, ja sogar kultiviert wird. In der es kein richtiges und falsches Verhalten gibt.
Dies ist natürlich ein paradoxes Vorhaben, da auch unser Bewerten und Beurteilen Teil unserer Menschlichkeit sind. Wir können nicht umhin, zu bewerten und zu urteilen. Dies sind lebensnotwendige Fähigkeiten auch für unsere sozialen Zusammenhalte und sie kommen in jeder Gruppe zum Tragen. Gruppen, in denen sich alle miteinander wohl fühlen, haben einen besseren Zusammenhalt als solche, in denen starke Spannungen und Abneigungen zwischen einzelnen Gruppenteilnehmern oder dem Gruppenleiter gegenüber bestehen.
Entscheidend ist meine Handhabung von Bewertungen. Kann ich sie zurückhalten, einklammern, in Neugier umwandeln? Kann ich sie therapeutisch als Feedback nutzen (vgl. Kapitel »Feedback geben«)? Wie kann ich andere Gruppenteilnehmer darin unterstützen, eine Form für ihre eigenen Bewertungen zu finden, die förderlich für einen Beziehungsaufb au zu anderen Gruppenteilnehmern sind?
Wichtig für den Aufb au einer Beziehung zu den einzelnen Gruppenteilnehmern ist für mich auch, mich so klar und transparent wie möglich und nötig zu zeigen. Meine anfänglichen Vorannahmen und Vermutungen über die Gruppenteilnehmer gilt es zunächst als solche bewusst wahrzunehmen. Im Laufe der Zeit werden sie dann entweder widerlegt oder bestätigt.
Der Aufb au einer tragfähigen therapeutischen Beziehung ist gelungen, wenn die Gruppenteilnehmer Vertrauen gewonnen haben, sich zur Gruppe zugehörig fühlen, sie ihnen wichtig geworden ist und von innen heraus ein Gefühl von gegenseitiger Verbindlichkeit gewachsen ist.
Der Aufb au einer tragfähigen therapeutischen Beziehung zu allen Gruppenteilnehmern ist oft ein langwieriger Prozess und meist gelingt er nicht zu jedem Gruppenteilnehmer.
Kontakt und dessen Vermeidung
Eng verbunden mit dem Aufb au einer therapeutischen Beziehung ist meine Fähigkeit als Gruppenleiter, dem jeweiligen Gruppenteilnehmer kontaktvoll zu begegnen. Kontaktfähigkeit hat in der Gestaltsprache eine andere Bedeutung als umgangssprachlich. Jemand, der gemeinhin als kontaktfreudig bezeichnet wird, kann aus Gestaltsicht durchaus als kontaktgestört bezeichnet werden. Gestalt definiert Kontakt als die Fähigkeit, in einer Situation oder Begegnung vollständig präsent zu sein mit allem, was uns ausmacht: unsere Empfindungen, Wahrnehmungen, Bedürfnisse und Anliegen, Körperlichkeit, Gefühle, innere Bilder, Gedanken und Ausdrucks- und Handlungsfähigkeit.
Innerhalb der Gruppe haben die Teilnehmer unzählige Möglichkeiten, bewusster wahrzunehmen, wie sie Kontakt aufnehmen oder vermeiden und mit anderen Möglichkeiten zu experimentieren. Als Gruppenleiter lasse ich ganz gezielt Kontaktfunktionen üben – entweder in der Interaktion zwischen zwei Teilnehmern oder als Übung in der Gesamtgruppe (vgl. im Anhang »Vorschläge für Experimente und Gruppenaktivitäten«).
Das Wort ›Übung‹ erweckt vielleicht den Eindruck, dass es sich um ein Training handelt. Lang genug geübt, kann es dann bald jeder. Das ist nicht der Sinn dieser Übungen. Im Gegenteil, es ist fast immer zu erwarten, dass dabei Widerstände auftreten. Oder auch, dass Teilnehmer etwas gekonnt haben, es ihnen aber sehr fremd ist und als Erfahrung nicht in den Alltag integriert, sondern als zu Gestaltgruppen zugehörig abgespalten wird. Auch hier ist eine nicht-wertende Bestandsaufnahme der Kontaktfunktionen zunächst ausreichend sowie ein Vertrautwerden mit dem eigenen Kontaktstil und eine Neugierde für dessen Vor- und Nachteile.
Widerstand und offene Gestalten
Wie schon erwähnt, erwarte ich als Gruppenleiter Widerstände gegenüber meinen Anregungen, etwas vielleicht Neues auszuprobieren. Widerstand gegen neue Erfahrungen und Veränderung ist normal und zeugt zunächst von psychischer Gesundheit. Das Festhalten an Altem und Vertrautem gibt mir das Gefühl von Sicherheit, Kontinuität und Identität.
Bevor ich etwas Neues ausprobiere, ist es sinnvoll, zunächst innezuhalten und die Konsequenzen abzuwägen und nachzuspüren, ob ich genügend Stützung (orig.: »support«) habe, um dieses Wagnis einzugehen (Laura Perls 1989.) Bevor ich mich auf eine neue Erfahrung einlasse, muss ich bereit sein, Altes loszulassen, mit manchmal weitreichenden, vorher unbekannten Auswirkungen. Widerstand gegen Veränderung schützt unser Selbst vor Desintegration.
Aufgezwungene Veränderungen können traumatisch wirken. Die neuen Erfahrungen können überwältigend und nicht integrierbar sein.
Diese Widerstände sind vom Gruppenleiter oder Gruppenteilnehmern oft nicht nachvollziehbar, weil anscheinend Leichtes erwartet wird. Widerstände haben aber immer diese schützende Funktion und müssen als solche gewürdigt werden. Hier ist es wichtig, dass der Gruppenleiter eingreift, wenn Gruppenteilnehmer Druck auf ein Gruppenmitglied ausüben, sein Verhalten zu verändern, auch wenn es im Gewand des »Wir wollen doch nur dein Bestes« getan wird.
Von der Angst zur Erregung
Beeinträchtigend für die psychische Gesundheit wird Widerstand dann, wenn das Individuum in seiner Funktionsfähigkeit stark eingeschränkt oder gesundheitlich gefährdet ist, das Gefühl von Eingeengtheit und Unzufriedenheit vorherrscht und immer wieder Schwierigkeiten im Beruf und Privatleben entstehen. Chronischer Widerstand gegen bestimmte Verhaltens- und Ausdrucksweisen deuten immer auf nicht verarbeitete Ereignisse aus der Biographie (dort und damals) des Gruppenteilnehmers hin.
Diese offenen Gestalten können jetzt in der Gruppe in den Vordergrund kommen. Sie können lebendig erinnert, erzählt und inszeniert werden, unterbrochene Impulse, zurückgehaltene Emotionen, verwehrte – nicht erfüllte –Bedürfnisse können ins Bewusstsein kommen und zusammen mit der Gruppe kann diese Erfahrung zu einem Abschluss gebracht werden.
Dieser Abschluss unterscheidet sich von der ehemals offenen Gestalt dadurch, dass etwas Neues hinzugekommen ist, eine neue Handlungs- und Ausdrucksmöglichkeit, neue Gefühle, Körperempfindungen und