Название | SoulPassion |
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Автор произведения | Silke Naun-Bates |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783931560881 |
Nach einer gefühlten Ewigkeit taucht Pandora in ihrer betörenden Schönheit vor mir auf. Sie reicht mir erneut eine Blume aus ihrem Haarschmuck, zur Erinnerung an ihr beeindruckendes Spiel und verlässt anmutig die Bühne.
Verzweifelte, wütende Ohnmacht umklammert mein Innerstes, als ich beginne, mich von den Bildern und Eindrücken zu lösen. Ja, ich kenne dieses Gefühl – und ich hasse es. Ich hasse es, ohnmächtig zuzuschauen, wie meine Freundin seit Jahren im Wachkoma liegt, wie meine Mutter im Alkohol ertrinkt. Ich habe es gehasst, meiner Schwester beim Sterben zuzusehen. Mich erfasst Wut, wenn ich immer und immer wieder dieselben Szenarien in meinem Leben erlebe, unfähig, sie zu verändern. Genauso hilflos stehe ich Terror und Krieg gegenüber. Noch gut erinnere ich mich an den Tag, als die World Trade Center in sich zusammenbrachen und Tausende Menschen in den Tod rissen; vollkommene Ohnmacht gegenüber den Ereignissen, Verzweiflung und Antriebslosigkeit kennzeichneten meinen Alltag, weil es auch all die ohnmächtigen Momente und Situationen in meinem persönlichen Leben hervorrief. Nein, ich mag Pandora wirklich nicht, da kann sie sich noch so hübsch verkleiden und betörend singen. Ich will sie nicht in meinem Leben haben. Punkt und Ende! „Such dir einen anderen Spielgefährten!“, würde ich ihr am liebsten zurufen. Wie soll ich denn mich und auch noch die ganze Welt retten? Bei diesem Gedanken überkommt mich erneut pure Hilflosigkeit und bevor ich vor Wut um mich schlage oder in verzweifelter Stagnation verharre, beschließe ich, mir lieber die nächste Marionette anzuschauen, und verbanne Pandora aus meinen Gedanken.
Die Diva
Als ich die Bühne betrete, sehe ich, wie gerade eine zweite, etwas kleinere Bühne aufgebaut wird. Eine Marionette, gekleidet in einem eng anliegenden, nachtblauen Kleid, welches mit funkelnden Edelsteinen besetzt ist, dirigiert den Aufbau. Ich beobachte sie. Sie ist wunderschön. Ihr Dekolleté wird von einer Halskette mit einem tropfenförmigen rötlichen Stein als Anhänger geschmückt. Der Stein umschließt ein dunkelrotes Herz. Nachdem die Bühne aufgebaut ist, schreitet sie hinauf. Sie hält ein Mikrofon in ihren Händen und beginnt mit göttlicher Stimme einen der bekanntesten Songs von Whitney Houston „I will always love you“ zu singen. Begleitet wird ihr Gesang mit sanfter Klaviermusik. Ich könnte ihr stundenlang lauschen, so sehr berühren mich ihre Stimme und die Musik. Als der letzte Ton verklingt, verneigt sich die Sängerin auf ihrer Bühne, bittet mich zu ihr zu kommen. Mit tiefer Hochachtung folge ich ihrer Einladung. Als ich vor ihr stehe, zieht sie aus ihrem Dekolleté eine Karte, die sehr edel aussieht. Sie reicht sie mir und fordert mich auf zu lesen:
Künstlername: Diva
Ursprünglicher Name: Bedürftigkeit
Genre: Melodram
Kleidungsstil: extravagantes, glitzerndes Bühnenoutfit
Besonderes Merkmal: tropfenförmiger rötlicher Stein mit einem Herz
Berührt und nachdenklich reiche ich ihr die Karte zurück. Wieso sich diese Ausnahmekünstlerin Diva nennt, verstehe ich, doch ihr Ursprungsname soll Bedürftigkeit sein? Sie hat doch alles, was eine Frau sich wünschen kann: ein bildschönes Gesicht, einen Körper, für den Männer alles geben würden, um ihn auch nur ein Mal berühren zu dürfen, eine von Gott gegebene Stimme – und so, wie sie wirkt, scheint sie auch mit materiellem Reichtum gesegnet zu sein. Was soll das also mit der Bedürftigkeit? Ich verstehe es nicht! Bevor ich mich weiter meinen Gedanken widmen kann, hält sie mir ein extravagantes Abendkleid entgegen und bittet mich mit einer Geste, es anzuziehen, während sie den Vorhang der Bühne schließt. Gerne folge ich ihrer Bitte; noch niemals zuvor habe ich so ein wundervolles Kleid getragen. Ich fühle mich wie eine Königin. Erneut ertönt die Klaviermusik und sie reicht mir ein Mikrofon. Der Vorhang öffnet sich und ich blicke in einen Saal voller Menschen, die mich erwartungsvoll anblicken. Aufmunternd gibt mir die Diva zu verstehen, dass ich jetzt singen werde, und geht von der Bühne. Als die ersten Töne meines Gesanges erklingen, brechen die Menschen im Saal in begeisterte Jubelrufe aus. Was für ein Gefühl! Einfach unbeschreiblich! Ich bade regelrecht in der Anerkennung dieser vielen begeisterten Menschen. Nie mehr will ich dieses Gefühl missen. Ich singe Lied um Lied, bis ich mich, taumelig vor Euphorie, kaum noch auf den Beinen halte. Die Diva kommt hinter der Bühne hervor, lässt sanft den Vorhang fallen und führt mich in einen Raum, in dem ich mich etwas erholen kann. Gerade habe ich mich in einen tiefen, kuscheligen Sessel gesetzt, da klopft es an der Tür und ein Bote bringt Dutzende von Blumensträußen, Briefe und Geschenke. Die Welt liebt mich einfach, wie schön! Vor mir steht die Diva und schaut mich mit festem Blick an. Mit ruhiger Stimme fordert sie mich auf, das Kleid auszuziehen und ihr das Mikrofon zurückzugeben. Sie wirft mir meine alte Kleidung vor die Füße und sagt: „Anziehen!“ Ohne ein Wort gehorche ich und schlüpfe in meine Kleidung. Sie deutet mir, ihr zu folgen. Wir gehen wieder auf die Bühne. Ich höre die Menschen „Zugabe, Zugabe!“ rufen. Die Diva reicht mir erneut das Mikrofon, öffnet den Vorhang und verschwindet hinter der Bühne. Begeisterte Jubelrufe erklingen und ich beginne zu singen, doch meine Stimme hört sich an wie ein falsch gestimmtes Tasteninstrument und trifft keinen Ton. Die Menschen beginnen von ihrer Begeisterung aufzuwachen, schauen mich erstaunt an und die ersten lautstarken Buhrufe dringen zu mir auf die Bühne. Immer lauter werden die abfälligen Reaktionen, bis der ganze Saal erbebt. Ich sacke auf der Bühne zusammen und fühle mich so entsetzlich klein. „Bitte habt mich lieb, bitte, bitte habt mich doch lieb“, spreche ich immer wieder leise zu mir selber. Die Diva kommt auf die Bühne, in ihren Händen hält sie eine Sofortbildkamera. Sie stellt sich vor mich hin und drückt auf den Auslöser. Langsam bewegt sich das Foto unten aus der Kamera heraus und fällt zu mir auf