Lernen ist meine Sache (E-Book). Dagmar Bach

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Название Lernen ist meine Sache (E-Book)
Автор произведения Dagmar Bach
Жанр Документальная литература
Серия hep praxis
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783035506891



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und beschlagen im Internet navigiert, könnte beispielsweise Rezepte im Internet suchen, diese auf die Menge für ihre siebenköpfige Familie umrechnen und in einem persönlichen Kochbuch editieren.

      •Personalisierte[2] Lernplanung: Der Förderbedarf wird in aller Regel in Form individuell erhobener Defizitprofile erfasst (im Beispiel von soeben: Probleme bei Proportionen). Auch vermeintlich gleiche oder ähnliche Defizitprofile haben in ihren Ursachen und Implikationen sehr unterschiedliche Grundmuster. Folgerichtig muss auch die Förderplanung eine personalisierte sein, abgestützt auf die Erhebungsbefunde und die Implikationen. Darüber hinaus, weil Lernen nicht gegen den Willen der lernenden Subjekte erfolgen kann, sollte die Förderplanung eine einvernehmliche sein. Etwa die Gestaltung eines Kochbuches, um das mathematische Problem mit den Proportionen zu bearbeiten.

      •Einvernehmliche Förderplanung: Ausgangspunkt einer pädagogischen Lernförderung ist eine personalisierte, einvernehmliche Lernvereinbarung. Einvernehmlich heisst mehr als mit der Unterschrift des Lernenden versehen, es setzt voraus, dass die Zielsetzung genuin die der Lernenden ist und die Teilschritte auf das Ziel hin verstanden sind, und zwar inhaltlich und quantitativ. Der Dialog, der einer solchen Vereinbarung zugrunde liegt, muss neben der Einvernehmlichkeit auch sicherstellen, dass die Ressourcen (Interessen, Stärken, Vorlieben) gebührend zum Zuge kommen, will heissen, beansprucht werden. Für diesen Dialog muss man ausreichend Zeit einräumen, sich mit eigenen Lösungsvorschlägen zurückhalten und unbedingt darauf achten, dass die Grundregeln für das Erstellen von personalisierten Lern- und Entwicklungsplänen eingehalten werden:

      –Der Gesprächsanteil der beratenden Person soll nicht grösser sein als derjenige der lernenden Person.

      –Zwingend enthalten solche Pläne Ziele und idealerweise auch Optionen, die von der lernenden Person selbst stammen.

      –Unterschreiben müssen die Pläne vor allem diejenigen, die damit eine Verpflichtung eingehen. Das ist fast ausnahmslos die lehrende Partei, in seltenen Fällen die Lernenden, und nur in jenen Ausnahmefällen sind es Dritte wie Eltern oder Berufsbildner, wenn ihnen eine Funktion übertragen wird.

      –Lern- und Entwicklungspläne sind weder Kontrollinstrumente noch Lügendetektoren. Eine Berufsbildner-Unterschrift hat oft nur reinen Kontrollzweck. Und weshalb sollte die Lernende unterschreiben, wenn man ihr glaubt, dass sie das erreichen will, was geplant ist? Glaubt man ihr jedoch nicht, ist der Plan nichts wert.

      –Lern- und Entwicklungspläne müssen die jeweils aktuellen Lern- und Entwicklungsbedürfnisse wiedergeben. Wenn das nicht mehr zutrifft, sind sie neu zu justieren.

      Lern- und Entwicklungspläne eignen sich sehr gut als personalisierte Förderinstrumente in unterschiedlichen Unterrichts- und Lernsettings: in individualisierten Stützkursen, im Rahmen von institutionalisierter Aufgabenhilfe oder auch eingebettet in den obligatorischen Unterricht. Ein idealer Rahmen für die Erstellung einvernehmlicher Lern- und Entwicklungspläne sind Coachinggespräche (vgl. Text von D. Bach), detaillierte Ausführungen zum Inhalt finden sich im Text von J. Eigenmann.

      Konzeptionelle Lernförderung

      Pädagogische Lernförderung ist die zweckmässige Antwort auf prekäre Schulleistungen. Es wäre allerdings eine ziemlich technische Sicht der Dinge, wenn derlei Bemühungen sich auf die Anfangsphase der Ausbildung beschränkten im Glauben, ein erkanntes Defizit sei nichts als eine Lücke, die, einmal aufgefüllt, für alle Zeit geschlossen bleibe. Leistungsabfall, gesteigerte Lernhemmnisse und dergleichen können zu jeder Zeit manifest werden, es gibt keinen plausiblen Grund dafür, solches nur in der Anfangsphase zu beachten.

      Ein zweiter Kurzschluss aufgrund eines technisch verkürzten Bildungsverständnisses ist der, dass der Förderbereich eine zudienende Reparaturwerkstatt sei, abgekoppelt vom Normalbetrieb und mit einem unterschiedlichen pädagogischen Konzept. Diesen Kurzschluss vermeiden heisst in letzter Konsequenz, dass pädagogische Förderkompetenz in der Schulkultur verankert werden muss und nicht an einige wenige Spezialistinnen und Spezialisten delegiert werden kann.

      Soll Lernförderung als ein allgemeiner Bildungsauftrag einer Schule verstanden, sollen also die Grundregeln für erfolgreiches Lernen nicht in den abgesonderten Förderbereich verbannt werden, dann führt kein Weg an einer konzeptionellen Lernförderung vorbei. Das wäre nichts mehr und nichts weniger als ein schulweites pädagogisches Konzept, das Lernen und Entwicklung in den Vordergrund stellt. Was spricht dagegen? Vielleicht das, dass viele Gepflogenheiten überdacht und manches über Bord geworfen werden müsste, was bisher unbefragt als gültig angenommen wurde.

      Lernbehinderungen vermeiden

      Der Weg zum erfolgreichen Lehren führt über die Einsicht, dass der oder die Lernende das Subjekt des eignen Lernens ist, und über die Konsequenz daraus, dass nachhaltiges Lernen immer dann geschieht, wenn das Subjekt etwas können will, was ihm sinnvoll oder erstrebenswert scheint. Selbstbestimmtes Lernen halt, um des Könnens willen und nicht um des Lernens willen. Solche unspektakulären Aussagen sind so oft in der Literatur zu finden, dass allein die entsprechenden Quellenhinweise wohl Dutzende von Seiten füllen würden. Entscheidend und deshalb spektakulärer ist die Folgerung für die pädagogische Professionalität: Pädagogisches Handeln setzt den unerschütterlichen Glauben voraus, dass man es mit lernwilligen Subjekten zu tun hat. Und sollten doch mal Zweifel aufkommen, ersetze man das Wort lernwillig mit dem Synonym entwicklungswillig.

      Und gleich noch ein Tipp in Bezug auf den Sprachgebrauch: bitte sparsame Verwendung des Begriffs «Lernen» in Programmansagen an die Adresse von Schülerinnen und Schülern. Angesichts der Vorstellung, dass ich mich den nicht vorhersehbaren Mühen des Lernens aussetzen muss, sind Lernhemmungen ein urmenschlicher Reflex auf eine Lernerwartung, die von aussen an mich herangetragen wird. Viel unbeschwerter lässt sich der Begriff rückblickend verwenden. Über einen Lernerfolg freue ich mich auch dann, wenn mich der anfängliche Lernauftrag nicht in helles Entzücken versetzen konnte.

      Lernbehinderungen sind, bildhaft ausgedrückt, die Stolpersteine auf dem Weg zum Lernerfolg. Die Beseitigung dieser Steinbrocken, das Ebnen des Lernwegs oder aber die Wahl einer anspruchsvollen Route durch den Steinbruch, abgestimmt auf das Können und die Lust auf Herausforderung, zählen zu den wesentlichsten pädagogischen Aufgaben. Lehren heisst nicht für andere Lernen planen, sondern Lernen ermöglichen, Bedingungen schaffen, damit Lernen geschieht – oder auch nicht oder anders als vorgesehen, aber dennoch.

      Lehr-Lern-Irrtümer durchschauen

      Besonders gewagt sind weder diese zwei an sich gegensätzlichen Thesen noch die Behauptung, dass der scheinbare Widerspruch im Alltag locker geschluckt wird: 1. Unterrichtsprofis sind sich der gängigen Lehr-Lern-Irrtümer mehr oder weniger bewusst. 2. Lehr-Lern-Irrtümer sind weit verbreitet und prägen den Unterrichtsalltag auf allen Stufen. Ich stütze mich bei meiner Behauptung auf langjährige Selbst- und Fremdbeobachtungen. Solche Irrtümer prägen den Schulunterricht und erschweren dadurch erfolgreiches Lernen – unbeabsichtigt, aber höchst wirksam. Weshalb trotz guter Bekanntheit solchen Dysfunktionalitäten nicht beizukommen ist, wäre eine nicht uninteressante Forschungsfrage.

      Lehr-Lern-Irrtümer werden sich wohl nie ganz ausrotten, allenfalls auf ein erträgliches Mass schrumpfen lassen, indem man sie aufspürt und nach Möglichkeit aushebelt beziehungsweise aushält.

      Aushalten der Lehr-Lern-Irrtümer – oder vielmehr der Frustration beim meist verspäteten Gewahrwerden – könnte heissen, eigene Erwartungshaltungen mit der lernpsychologischen Erkenntnis in Einklang zu bringen, dass sich Lernen nicht von aussen steuern lässt. Als Lehrperson sollte man Abstand nehmen von der Vorstellung, alles Gelehrte müsse als exakte Kopie beim Lernenden abrufbar, das Lehrmittel müsse vollumfänglich verstanden sein. Es braucht eine Blickerweiterung, die Lernerfolg nicht ausschliesslich bezogen auf einen maximalen Wissensstand bemisst, die auch Lernfortschritte und die Qualität der individuellen Lernprozesse wertschätzt, die unerwartete Lernschritte und -ergebnisse erkennt, auch unbeabsichtigte, fragmentarische. Eine vollständige Reproduktion des vermittelten Stoffes in den Köpfen der Lernenden ist weder der Gradmesser für erfolgreiche Lehrtätigkeit noch notwendig für das Bestehen der jeweiligen Ausbildungsanforderungen. Wer daran zweifelt, erinnere sich an Abschnitte in der eigenen Bildungsbiografie, an den persönlichen