Neue Medien - neuer Unterricht? (E-Book). Stefan Hofer-Krucker Valderrama

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Название Neue Medien - neuer Unterricht? (E-Book)
Автор произведения Stefan Hofer-Krucker Valderrama
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783035514889



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neue Erfahrungen zu machen. Diese Erfahrungen ermöglichen es dann, eine selbstbewusste und reflektierte Haltung zu Fragen der Digitalisierung im Bildungsbereich einzunehmen, die man vor sich und anderen – der Schulleitung, dem Kollegium, den Schüler*innen, den Eltern, der Öffentlichkeit – überzeugt vertreten kann.

       Zum Aufbau des Buches

      Zum Auftakt machen wir uns im ersten Kapitel Gedanken zum Nutzen und Mehrwert digitaler Medien im Unterricht. Im Kontext dieser Überlegungen stehen dann die folgenden Kapitel. Ausgangspunkt der einzelnen Unterkapitel von Kapitel 2 ist jeweils ein Unterrichtsszenario, das unserer Erfahrung nach gegenwärtig häufig in der Praxis eingesetzt wird und den Ist-Zustand bezeichnet. Diese Alltagsszenarien sind mal ganz analog konzipiert, nicht selten aber bedienen auch sie sich bereits digitaler Medien: Sie nutzen also etwa Word, PowerPoint, eine Suchmaschine im Internet oder das Smartphone. Damit ist auch gesagt: Die Digitalisierung der Schule erfolgt nicht abrupt, sie ist vielmehr ein kontinuierlicher Prozess, an dem wir alle schon seit längerer Zeit beteiligt sind. Diese Einsicht rückt die Digitalisierung unseres Erachtens etwas zurecht und lässt sie handhabbarer erscheinen.

      Im Anschluss an das gängige Unterrichtsszenario stellen wir jeweils einige mögliche Alternativen vor, die stärker auf den Einsatz von digitalen Medien bauen. Dabei konzentrieren wir uns auf den Einbezug von kostenfreien Web-2.0-Anwendungen: Denn diese benötigen keine spezielle Software, die Installation und die Verwaltung von Lizenzen entfällt und die Handhabung ist intuitiv und unkompliziert, so dass Lehrkräfte und Schüler*innen innerhalb kürzester Zeit Produkte erstellen können. Und nicht zuletzt lassen sich Web-2.0-Anwendungen auf Computern, Tablets und Smartphones nutzen.

      Wir verzichten auf detaillierte technische Anweisungen: Denn zu allen gängigen Applikationen und Tools sind inzwischen auf dem Netz gut gemachte Tutorials zu finden, die selbsterklärend sind. Und wir konzentrieren uns auf wenige konkrete Applikationen und Tools: Diese können bekanntlich schnell auch wieder verschwinden, wobei in der Regel neue Applikationen die entstandenen Lücken umgehend füllen.

      Kapitel 3 zeigt, wie unter den gegebenen schulischen Bedingungen ein Unterricht gepflegt werden kann, der produktorientiert verfährt, dabei die Möglichkeiten digitaler Medien intensiv nutzt und die Schüler*innen auf diese Weise aktiv einbindet. In Kapitel 4 denken wir schließlich darüber nach, wie die Digitalisierung die Schule auch sehr viel grundsätzlicher verändern könnte, wenn gewisse Rahmenbedingungen angepasst würden. Der Band endet mit konkreten Tipps für einen gangbaren Weg, wie sich der eigene Unterricht schrittweise digitaler gestalten lässt. Schließlich sollen in diesem Band auch jene nicht fehlen, die von der Institution Schule am direktesten betroffen sind: Wir haben zwei unserer Klassen zur Digitalisierung der Schule befragt und geben die Ansichten und Überlegungen dieser Schüler*innen wieder.

       An wen richtet sich dieses Buch?

      Dieses Buch, als Handreichung von Lehrkräften für Lehrkräfte gedacht, ist aus der Praxis des Schulunterrichts entstanden und möchte Anregung für diese Praxis vermitteln. Es ist keine Studie, die den Einsatz digitaler Medien im Unterricht empirisch untersuchen oder den Mehrwert dieses Einsatzes wissenschaftlich fundiert diskutieren möchte. Wir argumentieren aber sehr wohl auf der Folie von Erkenntnissen aus der Lehr- und Lernforschung und der Mediendidaktik, die wir auf den Seiten hier bis hier knapp zusammenfassen.

      In erster Linie richten wir uns an Lehrkräfte, die sich den Herausforderungen der zunehmenden Digitalisierung der Schule stellen wollen oder müssen und auf der Suche nach Ideen und Anregungen sind. Ihnen könnte der vorliegende Band als Ergänzung zu Weiterbildungsveranstaltungen und zu sonstigen eigenen Bemühungen im Bereich digitale Medien dienen. Lehrkräfte, die den Unterricht schon stärker digital unterstützen, finden hoffentlich Ideen und Anregungen, um die eigenen Ansätze zu erweitern.

      Wir sind beide Geistes- und Kulturwissenschaftler und unterrichten an Gymnasien in der Schweiz. Deshalb sind Lehrkräfte, die ebenfalls auf der Sekundarstufe und in vergleichbaren Fächern im deutschsprachigen Raum unterrichten, unsere primäre Zielgruppe. Wir hoffen jedoch, auch Lehrkräften aus anderen Fächern und Schulstufen Impulse vermitteln zu können. Denn vieles lässt sich – bei entsprechender Anpassung – gut auf andere Unterrichtssituation übertragen. Wir versuchen auch zu berücksichtigen, dass Lehrkräfte sehr unterschiedliche Vorstellungen von Lehren und Lernen und unterschiedliche Unterrichtsphilosophien vertreten – und dass es für qualitativ hochstehenden Unterricht fundamental ist, wenn unterschiedliche Wege und Philosophien auch tatsächlich gewählt werden können. Entsprechend bauen wir darauf, dass unsere Anregungen mit unterschiedlichen Lehr- und Lernphilosophien kompatibel sind.

      Neben dem Unterricht an Gymnasien führen wir an der Universität Zürich Weiterbildungsveranstaltungen für Lehrkräfte zum Thema digitale Medien durch und sind an der gleichen Institution in der Ausbildung von angehenden Lehrkräften engagiert. Aus diesen Erfahrungen und aus den Gedanken, Überlegungen und Problemen, die sowohl angehende als auch erfahrene Lehrkräfte im Zusammenhang mit dem schulischen Einsatz von digitalen Medien umtreiben, haben wir fiktive Lehrer*innenzimmergespräche kreiert. Diese Gespräche erscheinen verteilt über den Band und sollen dazu dienen, die sehr unterschiedlichen Sichtweisen auf Digitalisierung an der Schule, die es gegenwärtig im Lehrkörper gibt, lebendig werden zu lassen. Sie helfen uns derart, den Blick auf neuralgische Punkte zu lenken.

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      Das BYOD-Konzept[1], das derzeit an den Schulen Einzug hält, stellt Lehrkräfte vor neue Herausforderungen und konfrontiert sie mit einer Reihe von sehr wesentlichen Fragen: Welche konkreten Lerninhalte müssen die Schüler*innen im digitalen Zeitalter beherrschen und über welche Fähigkeiten und Kompetenzen sollen sie dereinst verfügen? Wie gestalte ich meinen Unterricht, wenn die Schüler*innen alle mit einem Laptop oder Tablet im Schulzimmer sitzen? Und last but not least: Wie wird sich mein Beruf und meine Tätigkeit im Rahmen der Digitalisierung der Schulen verändern?

      Die fiktiven Lehrer*innengespräche, die wir einzelnen Kapiteln dieses Bandes voranstellen, sollen einen Einblick in Gedanken zu diesen Problemen eröffnen. Dabei geht es nicht um gute oder schlechte, moderne oder traditionelle, digitale oder analoge Typen und Lehr- und Lernphilosophien. Vielmehr soll das breite Meinungsspektrum abgebildet werden, das heute an den Schulen anzutreffen ist und worin sich eine kritische, aber auch konstruktive Auseinandersetzung mit den neuen technischen Möglichkeiten zeigt. Die Dialoge und Äußerungen der Lehrkräfte sind in diesem Kontext zu verstehen; sie thematisieren jeweils ganz spezifische Probleme.

       Humboldt-Gymnasium – große Pause

       Die Schulleitung hat die Lehrkräfte eben darüber informiert, dass im neuen Schuljahr BYOD eingeführt wird. Die Entscheidung wird im Pausengespräch im Lehrer*innenzimmer heftig diskutiert.

      Wagner: Jetzt ist es also so weit: Nun sollen bald alle Schüler einen Computer im Unterricht verwenden! Dabei gibt es keine einzige Studie, die beweisen würde, dass die Schüler damit mehr oder besser lernen …

      Fischer: Aber darum geht es doch gar nicht! Die Welt hat sich verändert, die Digitalisierung ist allgegenwärtig. Wir müssen die Schüler fit machen für diese digitale Welt. Unterricht mit Papier und Bleistift ist einfach nicht mehr zeitgemäß.

      Kühn: Ich sehe das gleich. Wir leben im 21. Jahrhundert: Zuhause warten Google Home oder Alexa auf mich; und die Jugendlichen können sich ein Leben ohne Handy gar nicht mehr vorstellen. Aber was tun die Schulen? Sie verbieten Handys auf dem Schulareal und arbeiten gleichzeitig Konzepte aus, um den Unterricht zu digitalisieren! Wie auch immer, ich freu mich jedenfalls über diesen Entscheid.

      Zellweger: Aber Walter hat nicht Unrecht: Die empirische