Tatort Oberbayern. Jürgen Ahrens

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Название Tatort Oberbayern
Автор произведения Jürgen Ahrens
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783734994944



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war ihr klar, dass sie es wissen musste, um endlich mit diesem Kapitel abschließen zu können. »Ja, ich bin froh, dass du es mir erzählst.«

      »Sag einfach, wenn es dir zu viel wird. Na ja, ich habe gemerkt, dass ich mich in sie verliebt habe. Es war damals echt schwierig für mich mit deiner Schwangerschaft, ich ohne richtigen Job und mit schlechtem Gewissen. Mit Jana gab es plötzlich Leichtigkeit. Wir haben auf einer Fete rumgeknutscht und sie hat mir gesagt, dass sie sich auch in mich verliebt hat. Ich habe sie gebremst, habe ihr gesagt, dass das nicht geht, dass ich Vater werde. Sie hat das verstanden, habe ich damals zumindest gedacht. Nur lockergelassen hat sie nicht, hat mir ständig SMS geschrieben, kleine Aufmerksamkeiten in die Arbeit geschickt und wir haben uns wiedergetroffen. Irgendwann wollte sie mit mir schlafen. Das habe ich abgelehnt, ich habe gesagt, ich will das nicht und ich will meine Familie nicht verlieren. Sie wurde plötzlich aggressiv und drohte mir, dir alles zu erzählen. ›Wenn du nicht mit mir schläfst, wirst du deine Familie in jedem Fall verlieren. Wenn du es tust, gibt es eine gute Chance, dass du sie behältst und mich gratis noch dazubekommst.‹ Das hat sie wörtlich gesagt, ich werde es nie vergessen.«

      Katharina schluckte und konnte die Tränen kaum noch unterdrücken. Am anderen Ende hörte sie ein kurzes Schniefen.

      »Tobias, wir müssen nicht …«

      »Ich bin fast fertig, jetzt erzähle ich es zu Ende, zum allerersten Mal übrigens. Ich habe mich so geschämt, dass ich nie mit jemandem darüber gesprochen habe.

      Ich habe an diesem Tag mit ihr geschlafen. Wie das ging, frage ich mich bis heute. Aber es ging. Und es ging auch die nächsten Male. Irgendwann konnte ich nicht mehr. Dann hast du es sowieso rausgefunden und ich habe danach direkt mit Jana Schluss gemacht. Ich war nur noch mit ihr zusammen, damit sie dir nichts sagt. Am Ende des Tages hatte ich eine schwangere Freundin und eine Geliebte weniger. Was Jana betrifft, war es die beste Entscheidung meines Lebens.«

      »Was mich betrifft, anscheinend nicht«, dachte Katharina und freute sich ein kleines bisschen.

      Beide schwiegen lange, ohne aufzulegen. Irgendwann berappelte sich Katharina und sagte:

      »Danke, Tobias. Möchtest du wissen, was wir über Jana herausfinden?«

      »Ja, würde mich interessieren. Meld dich.«

      Katharina legte nachdenklich den Hörer auf und fühlte sich erleichtert.

      Sie beschloss, noch kurz zu Hause zu bleiben und sich den Ordner »Lukas privat« vorzuknöpfen, den sie vom Adelhofer-Hof mitgebracht hatte.

      Als Erstes ging sie in die Küche, machte sich eine dritte Tasse Roibusch mit echter Vanille und nahm den leckeren Duft aus der Tasse wahr. Vor dem Telefonat war ihr der nicht aufgefallen. Der Ordner erschien zunächst wenig spannend. Er enthielt die üblichen Einlegeblätter wie »Bank« und »Versicherung«. Interessanter fand sie den Bereich »Freunde«: Das war offenbar das Telefonverzeichnis von Lukas’ Bekanntenkreis. Viele Namen waren durchgestrichen, offenbar gab es nur noch wenige Menschen, die es nach Lukas’ Meinung wert waren, hier aufzutauchen. Am Ende des Ordners kam das Kapitel »Fotos«: zwei Seiten mit alten Kinderfotos der Adelhofer-Brüder und sechs Seiten mit Fotos unterschiedlicher Frauen, mit Lukas und ohne. Alle schienen Exfreundinnen zu sein – sie lächelten glücklich den Fotografen an oder waren in trauter Zweisamkeit mit Lukas zu sehen.

      Von Jana Waldemat gab es in dem ganzen Ordner keine Spur.

      Er hatte sie offenbar komplett aus seinem Leben gelöscht.

      Redaktion »Fakten«, München

      »Ich glaube, ich bin auf dem richtigen Weg. Kann aber ein bisschen dauern, bis ich die Daten alle wiederhergestellt habe.«

      Birgit strahlte ihre Freundin an, seit diese ihr Büro betreten hatte.

      »Ich brauche Unterstützung, mich ruft nachher ein Kumpel zurück, Hacker für die gute Sache, du verstehst.«

      Katharina verstand nur zu gut. »Super, Birgit – und denk bei allem, was du tust, bitte daran, dass nichts von alledem so wichtig wäre, dafür ins Gefängnis zu gehen.« Diese Bemerkung konnte sie sich nicht verkneifen.

      »Alles klar, Chefin«, grinste Birgit. »Sonst noch irgendwelche wichtigen Botschaften?«

      »Ich weiß, wer die Frau auf dem Foto ist, wegen der Tobias so ausgerastet ist. Sie war wohl mal die große Liebe von Lukas Adelhofer und davor war sie die Frau, wegen der Tobias mich verlassen hat.«

      Birgit schaute entgeistert: »Welche Frau auf welchem Foto?«

      Katharina wurde klar, dass sie mit ihrer besten Freundin nicht über Tobias’ Ausraster gesprochen hatte. Sie begann, die Geschichte um das mysteriöse Foto zu erzählen, und schloss ihren Bericht mit der Bitte: »Wenn du bei deinen Internetrecherchen auf irgendwas im Zusammenhang mit dieser Jana Waldemat stößt, bitte sammeln. Vielleicht hilft sie uns nicht weiter, aber zumindest sollten wir mehr über sie wissen. Und vielleicht auch mit ihr selbst reden. Aber damit warten wir noch.«

      Birgit hatte – für sie ganz ungewohnt – die ganze Zeit nur zugehört. Sie sah nachdenklich aus.

      »Katharina, wie egal ist dir das wirklich? Dass plötzlich Tobias mit im Spiel ist und die alte Geschichte?«

      Katharina lächelte ihre Freundin an. »Ach, du Süße, alles gut, glaube ich. Das Telefonat mit Tobias war in Ordnung, vielleicht ist es sogar ein Weg, das Ganze endgültig abzuhaken. Lieb, dass du fragst.« Sie ging um den Schreibtisch herum und drückte ihrer Freundin einen dicken Kuss auf die Wange. Schmunzelnd sah sie zu, wie diese anschließend reflexartig ihren Schminkspiegel heranzog, um zu prüfen, ob der ungeplante Hautkontakt sich negativ auf ihr Make-up ausgewirkt hatte. Da dies nicht der Fall war, warf Birgit Katharina eine Kusshand zu und entließ sie mit der Info, ihre Recherchen zum Überleben in den Bergen lägen bereits auf Katharinas Mail-Account. Als sie gehen wollte, rief Birgit sie zurück. Missbilligend zeigte sie auf Katharinas legere Kleidung, dann auf den Schrank, in dem sie »Termin«-Klamotten ihrer Freundin aufbewahrte. »Bevor du zu Adelhofer gehst, solltest du noch mal bei mir vorbeischauen.« Katharina nickte brav und ging, um sich durch Birgits Bergwinter-Recherchen zu arbeiten.

      Punkt 15 Uhr stand sie perfekt gekleidet vor beautiful Roberts Assistentin. Birgit hatte sie in eine hippe, enganliegende dunkelblaue Jeans, ein hellblaues Shirt und eine braune Lederjacke gesteckt. Die Locken waren zu einer schicken Frisur hochgesteckt. Katharina konnte also dem blondierten und mit Sicherheit nicht nur an einem Körperteil mit Botox behandelten Geschöpf, das sie feindselig musterte, entspannt gegenübertreten. Sie hätte den Ablauf des Gesprächs vorhersagen können, so oft hatte sie diesen Typ Frau in Vorzimmern angetroffen. Diese hier hatte tief in die Schminkschatulle gegriffen, die durchscheinende weiße Bluse war eine Nummer zu klein und die oberen Knöpfe standen so weit offen, dass sie bei jedem Vorbeugen freizügige Einblicke gewährte. Nachdem Katharina auf ihren Termin mit Adelhofer hingewiesen hatte, kam wie auf Kommando: »Herr Adelhofer ist heute leider den ganzen Tag nicht zu sprechen.«

      Katharina spulte routiniert die Antwort ab: »Ach wirklich? Das ist schade. Es ist wohl etwas Ernstes dazwischengekommen. Ich hätte doch auf seinen Vorschlag eingehen sollen, dass wir uns auf ein Glas Wein treffen. Aber ich wollte einem viel beschäftigten Mann nicht seine wenige freie Zeit rauben.«

      Verblüffung und Unverständnis zeichneten sich im Gesicht des Vorzimmerdrachens ab – was allerdings wegen der unterspritzten Gesichtsteile seltsam anmutete.

      »Dann gehe ich, auf Wiedersehen. Falls Sie ihn sprechen sollten, sagen Sie ihm, ich melde mich später.«

      Botoxine hatte ihre Fassung wiedererlangt und schnauzte: »Ich habe doch deutlich gesagt, dass Herr Adelhofer den ganzen Tag nicht zu erreichen ist. Daher hilft es auch nichts, wenn Sie sich nachher noch mal melden.«

      Katharina lächelte nachsichtig: »Oh, entschuldigen Sie bitte, ich habe mich nicht klar ausgedrückt. Sagen Sie ihm, ich melde mich nachher auf seinem privaten Handy, dann muss ich Sie nicht ein weiteres Mal belästigen. Das ist bestimmt unangenehm für Sie, wenn Herr Adelhofer