Person werden. Dorothea Gnau

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Название Person werden
Автор произведения Dorothea Gnau
Жанр Документальная литература
Серия Studien zur systematischen und spirituellen Theologie
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783429062194



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Gemeindelebens auf dem Boden der überlieferten dogmatischen Tradition. Darin liegt die historische Bedeutung der Zoi.«72

      3.Das theologische Profil der Bewegung

      Was macht das theologische Profil der Zoi-Bewegung aus? Im Folgenden werden einige grundlegende, theologisch besonders für die Anthropologie relevante Punkte skizziert, die das Bild der Zoi prägen, welches Nellas, Yannaras und Zizioulas vermitteln.73

      a)Christologie

      Als ein wesentliches Verdienst der Zoi-Bewegung sieht Maczewski die »christozentrische Erneuerung«. »Die Predigt ist durch die Zoi wieder Christus-Predigt geworden. … Christus wird jetzt zum ausschließlichen Inhalt der Predigt, und zwar Christus als der für die Welt Gekreuzigte, Christus als das Sühnopfer für die Sünden der Welt.«74 Dieser Christozentrismus geht zurück auf den Gründer der Bewegung Eusebios Matthopoulos. Er hatte seine wichtigsten theologischen und ethischen Grundthesen in einer Schrift mit dem Titel »image image» (»Die Bestimmung des Menschen«) systematisiert, die »fortan zur ethischen ‚Magna Charta' für die gesamte religiöse Bewegung avancierte«75 Matthopoulos entwirft dort ein Menschenbild, das die Zoi-Bewegung über lange Zeit prägte und auf das die zentralen Elemente ihrer Lehre und ihres Wirkens zurückgeführt werden können. In Übereinstimmung mit der Tradition liegt für Matthopoulos die Bestimmung des Menschen darin, »Christus gleichgestaltet zu werden«. Bezeichnend ist jedoch, worin der Mensch Christus ähnlich werden soll:

      »Wir sagen also, dass er [sc. der Mensch] die Bestimmung hat, … [Christus] gleich zu werden: sich geistig und ethisch Christus anzunähern, d.h. er hat die Bestimmung, sich so weit wie nur möglich innerlich und äußerlich nach Christus zu formen und zu bilden, damit er dessen sittlichen Charakter erlange. …

      Er wird ihm gleichgestaltet, wenn er auf Christus als das vollkommene Vorbild der Tugend schaut und dieses sein Vorbild, so weit es ihm nur möglich ist, nachahmt und wenn er in Übereinstimmung mit seinem Wort und seinen Geboten lebt und sich danach verhält. Denn dann wird er, so weit es möglich ist, das Denken, Fühlen und Wollen Christi erlangen und wirken und arbeiten, wie es Christus gemäß ist, dann wird er auch in seinem sittlichen Charakter ihm ähnlich werden, so weit es möglich ist.«76

      Christus tritt hier zwar deutlich ins Zentrum der Verkündigung. Der Ruf in die persönliche Christusnachfolge ist ein zentrales Moment der Verkündigung der Zoi-Bewegung. Christus wird jedoch fast ausschließlich im Kontext der Sünde gesehen: als Erlöser durch seinen einseitig als Sühnopfer verstandenen Kreuzestod und als Vorbild tugendhaften Verhaltens für jeden Christen. Seine Bedeutung wird weitgehend auf die einer ethischen Leitfigur reduziert.77. Aus diesem Christusbild leitet sich die starke Betonung der individuellen Frömmigkeit in der Zoi-Bewegung ebenso ab wie die Vorrangstellung einer individualistischen Ethik.

      b)Umgang mit der Schrift

      Während die persönliche Beschäftigung mit der Heiligen Schrift in der Frömmigkeit der meisten orthodoxen Christen zu Beginn des 20. Jahrhunderts kaum eine Rolle spielt, gewinnt sie in der Zoi-Bewegung eine große Bedeutung. Insbesondere das Neue Testament wird in neuer Form Mittel und Gegenstand der Verkündigung. Auf vielfältige Weise setzt sich die Zoi für die Verbreitung der Schrift in allen Bevölkerungsgruppen ein: durch die von ihr publizierten Schriften, durch die Herausgabe von Bibeln in neugriechischer Übersetzung, durch die Anregung zu persönlicher Schriftlesung durch Wortgottesdienste, vor allem aber durch die Einrichtung von »Bibelkreisen«78, in denen im Rahmen von Hauskreisen ein regelmäßiges Schriftgespräch geführt wird. Die Zoi kennzeichnet dabei ein biblizistisches, unkritisch wortwörtliches Verständnis der Heiligen Schrift. Zudem ist die Schriftlesung ausschließlich auf die praktische Verwertbarkeit des Gelesenen ausgerichtet. Leitende Frage für die Schriftlesung bei den Schriftgesprächen ist: »Was will mir der Herr heute sagen? – Was soll ich tun?« Die Begegnung mit dem Wort Gottes, dessen Autorität als normativer Katalog ethischer Weisungen unhinterfragt bleibt, soll dem sittlichen Fortschritt des Einzelnen dienen. Die Schrift dient als Sammlung primär moralischer Anweisungen für alle Lebenslagen.

      c)Liturgie

      Um die aktive Teilnahme an der Liturgie zu fördern, verbreitet die Zoi-Bewegung zweisprachige Textausgaben der Chrysostomus-Liturgie mit neugriechischer Übersetzung und Erläuterungen.79 Nach westlichem Vorbild versucht man durch Veränderungen in der Liturgie die auf »Unkenntnis« zurückgeführten Missstände und den vermeintlichen oder tatsächlichen Mangel an innerer Teilnahme der Gläubigen am Gottesdienst zu überwinden. Der Inhalt der Liturgie bleibt dabei unangetastet, verändert wird lediglich die Gestaltung. So legt man - entgegen der üblichen Praxis vieler orthodoxer Christen - nun Wert darauf, dass die Gläubigen der Liturgie vom Anfang bis zum Ende beiwohnen. Um dies zu erleichtern, wird sie auf die Dauer von etwa einer Stunde verkürzt. Außerdem wird es üblich, dass sich die Gläubigen während des Gottesdienstes setzen. Epistel und Evangelium werden nicht mehr gesungen, sondern der besseren Verständlichkeit wegen verlesen. Zusätzlich werden von Laien geleitete Wortgottesdienste eingeführt. Größere Bedeutung gewinnt auch die Predigt. Der gesamte Gottesdienst wird darauf ausgerichtet »wachgewordenen Christen Hilfe für ihr Leben, Trost für ihr Leid und Weisung für ihr Denken zu geben.«80 Alle diese Maßnahmen zielen darauf, die einzelnen Gläubigen zu einem vertieften Verständnis der Liturgie zu führen. Im Mittelpunkt steht der individuelle Fortschritt der Einzelnen in der Begegnung mit dem Wort Gottes wie durch den Empfang des Sakraments. Die Veränderungen gegenüber der Tradition im Bereich der Liturgie sind daher vor allem von der Sakramententheologie der Zoi-Bewegung her zu verstehen.

      d)Sakramente

      Die Zoi-Bewegung »rückte die Sakramente der Beichte und des Abendmahls wieder stärker in den Vordergrund. Vor allem das Sakrament der Beichte.«81 Von Anfang an hat der Gründer Eusebios Matthopoulos auf diese beiden Sakramente besonderen Wert gelegt. In der Verkündigung wird zum häufigen Empfang der Eucharistie und des Bußsakramentes aufgefordert. Besonders in der Jugendarbeit wird viel Wert auf die Beichterziehung gelegt, in der wiederum Fragen der Sexualmoral den breitesten Raum einnehmen.

      Entscheidend für das Sakramentsverständnis der Zoi-Bewegung und ein Unterschied zur orthodoxen Tradition besteht darin, dass beide Sakramente in enge Verbindung miteinander gebracht werden. Der Empfang des Bußsakramentes gilt als Voraussetzung für den Empfang der Eucharistie. Dabei werden beide Sakramente, so lautet der Vorwurf von Christos Yannaras, einseitig unter individualistischem Blickwinkel als Mittel auf dem Weg zur sittlichen Vervollkommnung des Einzelnen gesehen. Das gleiche Denken lässt sich auch am Verständnis der anderen Sakramente zeigen.82 Obwohl das dogmatische Verständnis der Sakramente gegenüber der patristischen Tradition nicht verändert wird, tritt ihr ekklesiologischer und soteriologischer Gehalt komplett in den Hintergrund.

      e)Theologie

      Das Verhältnis der Zoi-Bewegung zur wissenschaftlichen Theologie ist zwiespältig. Der Kern der Bewegung ist zunächst eine Theologen-Bruderschaft. Ein abgeschlossenes theologisches Hochschulstudium ist Voraussetzung für die Aufnahme in die Bruderschaft. Aufgrund dieser Tatsache könnte man vermuten, dass die Bewegung ein differenziertes theologisches System für ihr Evangelisierungsprogramm entwickelt oder dass sie als geistliche Bewegung von Theologen auch Akzente in der wissenschaftlichen Theologie setzt. Tatsächlich spielt die Theologie in der Zoi-Bewegung jedoch nur eine sehr untergeordnete Rolle. Abgesehen von Theologen wie Panagiotis Trembelas und Panagiotis Bratsiotis, die als Ausnahmen gelten können, treten kaum Zoi-Mitglieder als universitäre Theologen in Erscheinung. Die wissenschaftliche Theologie erfährt generell in der Bewegung nur eine sehr geringe Wertschätzung. Yannaras wirft ihr sogar »