Название | Ignatianische Schulpastoral |
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Автор произведения | Philipp Görtz |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783429061593 |
Zu den internen Rahmenbedingungen beim Umgang mit Schule und dem Umbau der Leistungsbereitschaft gehört neben den kognitiven Leistungskapazitäten eine Bedürfnisdynamik allgemein-menschlichen Handelns, die auch für das Lernen gilt: Der junge Mensch will lernen, will etwas können und Leistung erbringen, er strebt danach, immer selbstständiger und kompetenter zu werden. Kontextuell eingebettet ist die Entwicklungsaufgabe darin, dass Schule zu der Lebenswelt der Jugendphase geworden ist, in der Jugendliche nicht nur sehr viel Zeit verbringen und im Wesentlichen ihr Beziehungsnetz aufbauen, sondern in der sie lernen, diszipliniert zu arbeiten, sich Fähigkeiten anzueignen, Potentiale auszuschöpfen und Leistung zu erbringen, sich mit anderen zu vergleichen, bewertet zu werden und nicht zuletzt miteinander zu konkurrieren. Am Ende steht Schule also nicht nur im Kontext von Möglichkeiten und Einschränkungen produktiver Entwicklung, sondern vielmehr unter dem Druck der Selektion hinsichtlich des zukünftigen beruflichen Anspruchsniveaus.
Dennoch, auch der Schule ist ein Heranwachsender nicht wehrlos ausgeliefert, sondern er hat Möglichkeiten, die eigenen Lernprozesse aktiv zu beeinflussen und zu gestalten. Er steht vor der Aufgabe, schulische Lernangebote zunehmend selbstständiger, engagierter und effektiver zu nutzen. Selbstbestimmtes Lernen muss internalisiert werden; dazu bedarf es der Disziplin und der Fähigkeit, das eigene Potential zu reflektieren. Das Modell selbstregulierten Lernens zeigt, dass Lernverhalten bzw. schulische Aufgabenbewältigung von drei Faktoren abhängen: von Motivationen15, Attribuierungen16 und Lernstrategien17 der Schüler. Indem diese Faktoren zusammenspielen, berühren sie das Motivationssystem der sozialen und der individuellen Motivation. Entwicklungspsychologisch signifikant ist eine Wandlung der motivationalen Strukturen bei Heranwachsenden: Bis Klasse 5/6 kann man feststellen, dass Kinder allgemein Freude an Aktivität und am Lernen haben und ein Bedürfnis, dadurch auch sozial akzeptiert zu werden. Ab Klasse 6/7 verändern sich parallel zum Umbau der sozialen Beziehungen und zur Verringerung von Außenlenkungen auch die Einstellungen gegenüber schulischen Erwartungen und hinsichtlich der Lernorientierung.18 In dem Maße, wie Schüler eigenständiger werden (sollen), werden sie auch (selbst-)kritischer, wählerischer, differenzierter in ihren Interessen (in Bezug auf Lerninhalte sowie auf Lehrpersonen) und gegenüber allem Schulischen distanzierter. Diesen Umbauprozess müssen Heranwachsende als Entwicklungsaufgabe der Jugendphase annehmen und aktiv gestalten, indem sie sich zunehmend eigenverantwortlicher zeigen und sich selber regulieren, sich mit der Schule nicht mehr total identifizieren, Leistungsrückmeldungen ins eigene Selbst integrieren, schulischen (Miss-)Erfolg mit Selbstakzeptanz und Integrität zusammenbringen; indem sie weiterhin persönlichen Leistungseinsatz mit sozialen Haltungen in Einklang bringen, ihr konturierter werdendes Selbstbild zu einer Zielperspektive hin entwickeln, Interessenschwerpunkte setzen (mit Blick auf Berufsentscheidungen) sowie schulische Erfahrungen mit persönlicher Sinnorientierung verknüpfen.
Damit Jugendliche die Entwicklungsaufgabe Umgang mit Schule und Umbau der Leistungsbereitschaft positiv bewältigen können, ist es für die Stabilisierung der Anstrengungsbereitschaft pädagogisch hilfreich, wenn zwischen ihnen und ihren Eltern ein positives Verhältnis besteht, ihre Leistung reflektiert wertgeschätzt wird, in der Altersgruppe schulfreundliche Normen den Ton angeben, Lehrer ein hohes Schulengagement an den Tag legen und Schüler regelmäßig faktische Lernerfolge erzielen. Umgekehrt sind es am ehesten interpersonale Erwartungen und Haltungen, die den Aufbau eines positiven Selbstbildes der Leistungsfähigkeit und Begabungen beeinträchtigen können; wenn z. B. die Leistungsansprüche in einer Schule überhöht sind, die Lehrerschaft sich vorwiegend kühl-distanzierend verhält und Eltern mit den Leistungen ihrer Kinder permanent unzufrieden sind.19 Schließlich bleibt wiederholt anzumerken, dass es in der Schule nicht nur um Leistungen des Einzelnen geht, sondern auch um komplexe Interaktionen einer Schulklasse, die je nach ihrer Normstruktur Schulerfolge sozial entweder achten oder ächten kann. Genau aus diesem Grund müssen Jugendliche sich darum bemühen, das Verhältnis von Erwartungen der Mitschüler und Erwartungen der Schule immer wieder auszubalancieren.
Berufswahl: „Arbeite und lerne und du kannst gar nicht verhindern, dass du etwas wirst.“ Diese vielleicht etwas zu optimistische, jedoch weit verbreitete Einschätzung zeigt, wie eng Schule und Lernen mit Beruf und Arbeiten zusammenhängen. Insofern sich Heranwachsende in der Schule mit ihren Interessen und ihren Leistungen auseinandersetzen, bereiten sie sich auf eine individuelle Berufsentscheidung vor. Dabei besteht ein unübersehbarer Zusammenhang zwischen der besuchten Schulart bzw. dem erreichten Schulabschluss und dem Niveau zukünftiger Ausbildungs- und Berufswege. Obwohl moderne Gesellschaften jedem Individuum die freie Berufswahl zugestehen, finden sich auf dem Weg dazu nach wie vor viele erschwerende Zugangsbeschränkungen: Zum einen sind es die Weichenstellungen nach Klasse 4/6 bzw. 9/10, die in gewissem Maße Vorentscheidungen treffen, „was aus einem mal wird“, zum anderen spielt die Herkunftsfamilie bei der Berufswahl eine maßgebliche Rolle.
Die interne Entwicklung von Berufswünschen ist altersabhängig und wird gegen Ende der Schulzeit virulent. Welcher Art die Berufswünsche sind, ist dazu schularten- und noch mehr geschlechtsabhängig. Gegen Ende der Adoleszenz sind Jugendliche damit konfrontiert, ihren Berufswunsch in eine Berufsentscheidung zu transformieren und aktiv an der Umsetzung zu arbeiten. Dies geschieht idealtypisch in mehreren Schleifen: Abtasten von Präferenzen, Abschätzen persönlicher Ressourcen und Prüfen von Chancen und Angeboten. Hilfreich sind dabei ko-konstruktive Prozesse, also die Einbeziehung von Eltern, Freunden, Lehrern oder Berufsberatern. Indem Jugendliche diese Entwicklungsaufgabe zunehmend bewältigen, bahnen sie eine berufsbezogene Identitätsarbeit an, die sie noch länger begleiten wird.
Neben Politik und Wirtschaft, die die nötigen Rahmenbedingungen für deutlich mehr Lehrstellen und Arbeitsplätze schaffen müssen, sind Eltern, Lehrer, Berufsberater und die Arbeitsagentur gefordert, Heranwachsende auf vielerlei Weise zu unterstützen, mit ihnen entsprechende Ausbildungswege einzuschlagen bzw. sie in den Arbeitsprozess zu integrieren, ohne sie davon zu entbinden, bei der Suche und Umsetzung selbstverantwortlich zu bleiben und Eigeninitiative zu zeigen. Gute Ansätze dazu liefern z. B. berufsorientierende Schulpraktika sowie Informationsveranstaltungen bzw. persönliche Beratungen in Berufsinformationszentren.
Bildung: „Sich mitzuteilen ist Natur; Mitgeteiltes aufzunehmen, wie es gegeben wird, ist Bildung“ (s. GOETHE, Die Wahlverwandtschaften). In dieser Aussage kann man eine Entwicklung erkennen, die ihren Ausgang darin nimmt, die eigenen Erfahrungen und Anschauungen unmittelbar zu kommunizieren, wie es Jugendliche unter Ihresgleichen gerne tun, indem sie sich etwa per iPhone und über facebook ständig mitteilen, wo sie gerade sind, was sie tun, wer bei ihnen ist, wie es ihnen geht und wie sie sich fühlen. „Von der Natur zur Kultur“, so definiert GOETHE das Ziel menschlicher Entwicklung; der Mensch soll zur Kulturfähigkeit heranwachsen, indem er lernt, reflektierte und tradierte Erfahrungen aufzunehmen. Dabei ist Bildung mehr als Faktenwissen und mehr als Kommunikation. Sie geschieht vielmehr in einem Vermittlungs-/Aneignungs-/Verarbeitungs- und Artikulationsprozess und gipfelt in der allgemeinen Urteilskraft eines Menschen. Sie ist die Fähigkeit, Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden und Ersteres ernst zu nehmen. Erst dies hilft dem Heranwachsenden, sich in dieser Welt zurechtzufinden, sie zu interpretieren und sie letztlich selber mitzugestalten.
Als Kontext von Bildungsprozessen gilt für Europa zu Beginn des 21. Jahrhunderts immer noch ein „Kanon kultureller Traditionen des Abendlandes“, wobei heftig gestritten wird, was Letzteres eigentlich ausmacht. Wichtige Linien kann man von jüdisch-christlichen Wurzeln über den Humanismus und die Aufklärung bis hin zur Postmoderne ziehen, zu deren Kennzeichen gehört, dass sie sich vor allem an der Vernunft orientieren und daran, dass ein friedliches Zusammenleben auf Toleranz und Konsens angewiesen ist. Die Auseinandersetzung mit Werken, Einsichten und Theorien, die daraus hervorgegangen sind, ermöglicht Jugendlichen, persönliche Daseinserfahrungen und individuelle Sinnsuche auch stellvertretend zu erleben. Obwohl die abendländische Kultur im europäischen Kontext der Bildungsvermittlung nach wie vor den Referenzpunkt darstellt, sind Heranwachsende heutzutage auch auf interkulturelles bzw. multikulturelles Lernen angewiesen, um sich in der weiten Welt bzw. im „global