Название | Vom Kommen des Reiches Gottes |
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Автор произведения | Kurt Anglet |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783429060848 |
Es ist das Verdienst von Kraus’ Zeitgenossen Franz Kafka, gegen das Verstummen angeschrieben und zugleich den expressionistischen »Schrei« hinter sich gelassen zu haben. Da wir uns mit Kafka ausgiebig andernorts befasst haben, sei hier nur so viel gesagt: Es leuchtete uns nie die existenzialistische Kafka-Deutung der Nachkriegszeit ein, die in ihm einen düsteren und dunklen Zeitgenossen erblickte. Kafka selbst musste bei der Vorstellung seiner Prosa ein Lachen unterdrücken, und man braucht nicht allein Erzählungen wie Elf Söhne oder Frühes Leid lesen, um seinen herzhaften Humor zu spüren; selbst sehr ernsthafte Texte wie Verwandlung oder Der Prozess enthalten Stellen von einer unvergleichlichen Komik. Hier jedoch mag ein Hinweis genügen, um Einblick in die theologische Dimension seines Werkes zu gewinnen, und zwar am Beispiel seines letzten unvollendeten Hauptwerkes, des Schloss-Fragments, von dem eingangs bereits anlässlich des Unverständnisses Karl Barths die Rede war.
Man muss jedoch nur einmal dessen Schlussteil, das sog. Olga-Fragment, lesen, um zu begreifen, dass hier nicht nur die Konzeption des Romans, ja jeglichen Romans, jeglicher Literatur gesprengt wird: Denn was Olga, neben Amalia eine der beiden Schwestern der Barnabas’schen Familie, berichtet, vermag dem Leser wie dem Autor gleichermaßen die Sprache zu verschlagen. Ihre Erzählung ist keine bloße Literatur mehr, sondern nimmt die Wirklichkeit, das Schicksal von Millionen, keine zehn Jahre nach Kafkas Tod (1924) vorweg: die Ausgrenzung ihrer Familie, ihre schrittweise Entrechtung, schließlich das Warten am Rande der Gesellschaft auf die Deportation, auf den Tod. Und während sich in unseren Tagen so mancher Verfasser von Bestsellern sog. KZ-Romane aufspielt, als wäre er dabei gewesen, finden wir hier die unglaubliche Selbstzurücknahme Kafkas, immerhin des Autors jener Schilderung und des Schöpfers ihrer Figuren, der seinem Protagonisten folgende Worte in den Mund legt: »In der Erzählung Olgas eröffnete sich ihm eine so große, fast unglaubwürdige Welt, daß er es sich nicht versagen konnte, mit seinen kleinen Erlebnissen an sie zu rühren, um sich ebenso von ihrem Dasein als auch von dem eigenen deutlicher zu überzeugen.«
Bedenkt man, dass es Kafka allein durch seinen frühen Tod nicht »vergönnt« war, jene »große, fast unglaubwürdige Welt« am eigenen Leibe zu erfahren, so lässt sich nur ahnen, was es mit jenen »kleinen Erlebnissen« auf sich hat, »um sich ebenso von ihrem Dasein als auch von dem eigenen deutlicher zu überzeugen«. Hier dreht sich nicht nur einer um die eigene Person wie nur allzu oft in der zeitgenössischen Romanliteratur, die sich in der Darstellung irgendwelcher Selbstbefindlichkeiten erschöpft. Vielmehr sieht Kafka nur allzu genau, wohin buchstäblich der Zug der Zeit geht; immerhin haben seine drei Schwestern und andere ihm nahestehende Menschen ihr Leben in Auschwitz verloren. Anstatt um irgendwelche Selbstevidenzen zu ringen, »sich selbst neu zu erfinden« oder wie ähnliche Phrasen lauten mögen, erkennt hier einer sehr genau, dass nicht allein sein Leben auf dem Spiel steht. Und wenn Kafka einmal in einer Tagebuchnotiz »Schreiben als Form des Gebetes« definiert, dann bedarf es keiner großen Phantasie, um zu erraten, für wen er wohl Fürsprache hält. In keinem anderen literarischen Werk der Moderne finden auf vergleichbare Weise Paraklese und Prophetie zueinander.
Wäre als Dritter der großen K der Maler Paul Klee zu nennen, der ein ungeheueres visionäres Werk geschaffen hat. Allein im letzten Lebensjahr – er starb im Juni 1940 an Sklerodermie – waren es 365 Bilder. Nicht nur in seinen letzten Lebensjahren, als ihm seine Schweizer Heimat zum Exil bzw. Asyl wurde [Klee war deutscher Staatsbürger], sondern weit zuvor weist sein Werk auf die große Katastrophe hin. Doch anders als die Expressionisten, deren Bilder des Krieges sich gleichsam im Ausdruck trostlosen Grauens und Schmerzes vergruben, scheinen selbst die menschlichen Gestalten, die in ihren Gesichtern oder auf ihren Leibern die Stigmata des (nahen) Todes tragen, vom Standpunkt der Erlösung aus auf das ihnen zugefügte Leid herabzublicken – als Transfigurierte, als vom Leid Verklärte. Nirgendwo finden sich bei Klee, selbst da nicht, wo aus den Gesichtern Trauer, ja Verzweiflung sprechen, auch nur Anklänge von Hass oder ohnmächtiger Wut, die nach Rache schreit. Bezeichnenderweise trägt eine Bleistiftzeichnung aus dem Jahre 1939, die das Antlitz eines leidgeprüften Menschen zeigt, den Titel: vergib ihnen!
Möglich, dass Klee, der vor der Entscheidung stand, statt Maler Musiker zu werden und sich insbesondere von Mozart inspiriert zeigte, von ihm her jene geradezu kosmische Heiterkeit empfangen hat, in die alles Erdenschwere eingetaucht scheint. Zudem weist eine Tagebuchnotiz hinsichtlich seines eigenen künstlerischen Selbstverständnisses auf eine besondere Gottesnähe, die ihm – anders als seinem gefallenen Malerfreund Franz Marc – alles Faustische fremd erscheinen lässt, den Blick auf den Zustand der Erlösung hin ebnete: »Ich / suche mir bei Gott einen Platz für mich, und we