Название | Getauft und engagiert |
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Автор произведения | Dorothea Steinebach |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783429060176 |
Die Basis dieses Buches bilden Gespräche mit Gemeindereferentinnen und Gemeindereferenten im Erzbistum Paderborn, für deren Einsatz und Begleitung ich zuständig bin. Seit vielen Jahren beschäftigt mich die Frage nach einem zukunftsträchtigen Miteinander von Haupt- und Ehrenamt – ganz besonders allerdings im weiten Feld der »Gemeindepastoral«. Daher ist die nicht weniger wichtige Pastoral in den Einrichtungen, z.B. in Kindertagesstätten, Schulen, Krankenhäusern, Werkstätten für Menschen mit Behinderungen oder Altenheimen, nicht Gegenstand dieses Buches.
In unzähligen Gesprächsanlässen mit Gemeindereferentinnen und Gemeindereferenten scheint die Kooperation mit den Ehrenamtlichen vor Ort immer wieder als »Thema« durch, ausdrücklich oder am Rande. Im vergangenen Jahr ist daraus meine Dissertation entstanden unter dem Titel: »Den Anderen begegnen. Zur Zukunft von Haupt- und Ehrenamt in der katholischen Kirche.« Die Seiten des nun vorliegenden Buches bieten so etwas wie eine »erweiterte Essenz« daraus: Es geht hier nicht mehr nur um ein zukunftsträchtiges Miteinander von »Haupt- und Ehrenamt«, sondern umfassender um den innovativen Umgang all derer, die in der Gemeindepastoral mit anderen Menschen von heute verantwortlich umzugehen bereit sind, ob beruflich oder ehrenamtlich.
Einen Teil dieses Buches bilden Erfahrungen von Gemeindereferentinnen und Gemeindereferenten, die vor Ort neue Wege im Umgang mit den alten und neuen Formen des kirchlichen Ehrenamtes suchen und gehen. Von ihnen können wir in der »Zentrale« eines Generalvikariates in besonderer Weise lernen, wie heute Sorge getragen werden kann für das Weiterleben des Glaubens und was dabei im Umgang mit den Menschen weiterführt und was nicht. Aus der Berufsgruppe möchte ich namentlich erwähnen und danke sagen: Ann-Kristin Idzik (Pastoralverbund Möhnesee), Ursula Klauke (Pastoralverbund Ruhr-Valmetal), Thomas Wendland (Pastoralverbund Bad Lippspringe-Schlangen) und Susanne Wiehen (Pastoralverbund Lippstadt-Mitte). Im Text sind ihre Beiträge im Schrifttyp hervorgehoben. Sie stehen für viele andere, die wie sie phantasievoll, ideenreich und kreativ unterwegs sind mit den Menschen von heute: getauft und engagiert. Auch ihnen möchte ich danke sagen!
Verl, im Juni 2011
Dorothea Steinebach
Die Idee
Nehmen wir einmal an, Sie sind getauft: Was bedeutet Ihnen das? Oder: Was könnte Ihnen Ihr Getauft-Sein bedeuten?
Sie sind nicht getauft? Sie gehören auch keiner der großen Weltreligionen an? Sie führen ein erfülltes Leben? Dazu gehört dann sicher auch, dass Sie sich hin und wieder fragen: Ist das alles? Und: Ist das sinnvoll? Vielleicht haben Sie von guten Bekannten erfahren, dass es über die katholische Kirchengemeinde verschiedene Initiativen und Events gibt. Initiativen, die sich ganz ansprechend anhören. Würden Sie dorthin gehen? Was könnte Sie locken? Engagiert? Natürlich sind Sie engagiert: Tag für Tag gestalten Sie Ihr Leben; engagieren sich in der Familie, im Beruf, in der Nachbarschaft, vielleicht in einem Verein, beim Sport, in einem Hobby. Dort, wo es Sie hinlockt, und da, wo jemand Sie braucht. Sie engagieren sich so, wie Sie es für richtig halten. Andere könnten an Ihre Stelle treten – aber ganz so wie Sie würde es niemand tun. Sie bringen sich eben als Sie selbst ein. Hat das etwas mit Ihrer Taufe zu tun? Oder: mit Ihrem Suchen nach einer Antwort auf Ihre Lebensfragen?
Gehören Sie vielleicht zu denen, die beruflich oder ehrenamtlich verantwortlich in der Seelsorge tätig sind? Und suchen Sie immer wieder auch ehrenamtliche Mitstreiter? Wozu genau suchen Sie sie? Um Ihre viele Arbeit auf weitere Schultern zu verteilen? Um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Durchführung Ihrer Konzepte und Ideen zu gewinnen? Haben Sie sich dann schon einmal gefragt, ob die Art Ihres Suchens nach Ehrenamtlichen Ihrem eigenen Anspruch an ein engagiertes Leben aus der Taufe entspricht?
Fragen, die bewegen. Fragen, die die christlichen Kirchen zeitgemäß zu beantworten suchen. Dabei sind es ganz besonders die Akteure vor Ort, die »an der Basis« experimentieren und mit den Menschen entdecken, welches Miteinander zukunftsträchtig ist. Aus einigen ihrer Rückmeldungen wollen wir auf den Seiten dieses Buches einen innovativen Umgang mit den alten und neuen Formen des kirchlichen Ehrenamtes skizzieren und zeigen: Eine Krise des Ehrenamtes gibt es nicht; was es gibt, das ist eine Krise der Verantwortlichen im Umgang mit dem Ehrenamt. Solange es aber (noch) pastorales Personal und viele ehrenamtlich Verantwortliche unter den »Laien«-Christen gibt, ist der Zeitpunkt günstig (»Kairos«), diesen Wendepunkt (»Krise«) zu nutzen und die Weichen für eine Kirche auf dem breiten Fundament vieler Menschen zu stellen.
Wir beginnen diese Skizze mit einem Blick zurück, um zu schauen, welche Art des Umgangs bisher üblich war, weil sie weitgehend funktioniert hat. In diesem Blick zurück in die Phase der ersten beruflich tätigen »Laien«-Christen in der Seelsorge der katholischen Kirche wird das »mentale Modell« einer »Hauptberuflichenkirche« vorgestellt. Es liegt auch heute noch jedweder Suche nach »Laien« zur Entlastung der Priester und zur Versorgung der Gemeinden zugrunde – oft selbst dort noch, wo man sehr anerkennend und wertschätzend »auf das Ehrenamt setzt«. Dieses Modell, das über viele Jahrzehnte seinen Sinn und seine Funktion hatte, gilt es heute aber zu verabschieden.
Scheinbar paradox dazu wendet sich das zweite Kapitel den Verantwortlichen zu, und zwar sowohl unter den Berufstätigen als auch im Ehrenamt. Es wird sich nämlich zeigen, dass man über das Interesse an ihnen besonders gut dem Anliegen der Verabschiedung des Versorgungs- und Mitmach-Modells nachkommen kann, indem man es durch ein innovatives Miteinander der »Hauptberuflichen« und der verantwortlichen Ehrenamtlichen mit den Menschen vor Ort – gestützt durch ein neues mentales Modell – ablöst.
Warum dem so ist, das erklärt sich aus einem Blick in das heutige »postmodern« geprägte Umfeld. Im Rahmen dieses kleinen Buches kann dieses Umfeld nur in Ansätzen skizziert werden. Als prägnante Stichworte wählen wir dazu: fremd – satt – marktmäßig – plural – sporadisch – sprachlos.
Wie in diesem Umfeld innovative pastorale Projekte bzw. Leute-Initiativen und ihre begleitende Unterstützung aussehen können, das wird in zwei weiteren Kapiteln ausführlicher entfaltet, und den Abschluss der Skizze bildet der Versuch, die Eigenschaften der Leitungsverantwortung beispielhaft zu Merkmalen einer »neuen« Hauptberuflichkeit zu bündeln. Er spannt damit den Bogen zurück zum Beginn der Innovationsüberlegungen: zum bewussten Abschied von einer »Hauptberuflichenkirche«.
Ein Blick zurück
Es ist keine 100 Jahre her, dass es in der katholischen Kirche zu einer bemerkenswerten Initiative kam. In den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts suchte man im Kirchenvolk, unter den so genannten »Laien«, nach Helfern und Helferinnen für die Seelsorge. Ein unerhörter Vorgang – war doch die Seelsorge bis dahin ausschließlich Sache der geweihten Priester.
1. Die ersten Hauptberuflichen
Die Initiative ging allerdings von einigen Priestern selbst aus. Sie war Ausdruck einer tiefen Krise. Man rang darum, Menschen, die sich von der christlichen Religion abgewandt hatten, zum christlichen Glauben in der katholischen Kirche zurückzuführen, sie wieder zu »verchristlichen«. Vor allem in den Großstadtgemeinden und in der Diaspora beobachtete man die zunehmende Entfremdung der Bevölkerung vom Leben der Kirche. Die Zahlen der Kirchenbesucher gingen zurück. Der Einfluss der kirchlichen Glaubens- und Sittenlehre auf die Gestaltung von Ehe, Familie, Kultur und Gesellschaft erlebte Erschütterungen. Priester allein konnten mit ihrem beruflichen Engagement und mit der Vorstellung einer »Komm-Struktur« von Seelsorge die Menschen nicht mehr erreichen. Die Erwartung der Priester, dass die Leute selbstverständlich – wie gewohnt und soziokulturell kontrolliert – zu den Gottesdiensten kommen würden, um ihre Katechesen zu hören und so mit den Inhalten des christlichen Glaubens genährt und gestärkt zu werden, erfüllte sich nicht mehr. Ein neues Seelsorgeverständnis war gefragt, eine »Geh-Struktur« sollte aufgebaut werden: in Hausbesuchen wollte man sich stärker der Individualseelsorge zuwenden. Das erforderte viele neue Kräfte.
Zunächst