Arthrose. Kompakt-Ratgeber. Dr. med. Eberhard J. Wormer

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Название Arthrose. Kompakt-Ratgeber
Автор произведения Dr. med. Eberhard J. Wormer
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783863744700



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und mittleren Lebensalter bleiben meist unauffällig, können aber später schmerzhafte Gelenkprobleme verursachen. Wie man solchen Problemen am besten begegnet, bleibt eine Herausforderung für die Medizin.

      Auch die biologische Anthropologie hat sich an der Spurensuche nach den Ursachen der Arthrose beteiligt – durch Analysen der knöchernen Überreste von Menschen der Stein-, Bronze- und Eisenzeit sowie moderner Menschen bis ins 17./18. Jahrhundert. Die Ergebnisse warfen mehr Fragen auf als erwartet. Alle untersuchten Einflussfaktoren kamen sowohl mit als auch ohne Arthrose vor: Alter, Geschlecht, Trauma, Knochendichte, Körpergewicht, Stoffwechselerkrankungen, Belastungen, Bewegungsmuster, Lebensstil. In früheren Zeiten war vor allem das Ellbogengelenk betroffen. Heute sind es am häufigsten arthrotische Knie- und Hüftgelenke.

      Arthrose ist eine rätselhafte Gelenkerkrankung, an der viele Faktoren beteiligt sind. Dementsprechend gibt es zahlreiche Möglichkeiten zur Vorbeugung und Behandlung von Beschwerden – von der Homöopathie bis zum totalen Gelenkersatz. Eine präzise Definition der Arthrose fehlt noch immer.

      Andererseits gab es erstaunliche Fortschritte, was die Behandlung der Arthrose betrifft. Obwohl bewährte gelenkerhaltende (konservative) Therapien existieren, steht die Implantation künstlicher Gelenke – der totale Gelenkersatz – in Industriestaaten ganz hoch im Kurs. International ist Deutschland Vizeweltmeister (nach den USA), was Gelenkersatz betrifft.

      Obwohl »die neue Hüfte, das neue Knie« groß in Mode sind, sollten Sie die Risiken eines solchen Eingriffs nicht unterschätzen und die Möglichkeiten der orthopädischen Biotechnologie nicht überschätzen. Zudem ist bekannt, dass operative Gelenkeingriffe oft zu schnell verordnet werden oder manchmal gar überflüssig sind – Gelenkersatz ist auch ein hochprofitables Geschäftsmodell!

      Der bessere Weg ist in jedem Fall, Arthrose frühzeitig vorzubeugen oder Beschwerden konservativ zu behandeln, statt auf eine Gelenkprothese zu spekulieren. Der gesunde Lebensstil mit viel Bewegung und gesunder Ernährung trägt nachhaltig dazu bei, dass Sie lebenslang gelenkfit bleiben und sich vor arthrotischen Gelenkproblemen schützen.

      INFO

       ARTHROSE-TAGEBUCH

       Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts gelang es Ärzten, entzündliche Gelenkveränderungen (Arthritis) von nicht entzündlichen Gelenkveränderungen (Arthrose) zu unterscheiden. Der englische Arzt und Forscher Archibald E. Garrod (1857–1936) benutzte 1889 erstmals den Begriff osteoarthritis, um entzündliche von nicht entzündlichen Gelenkerkrankungen abzugrenzen. Das deutsche Label Arthrose wurde von dem Internisten Friedrich von Müller (1858–1941) 1913 geprägt.

       Bis 1986 glaubte man, Arthrose sei eine Erkrankung unbekannter Ursache, die den Gelenkknorpel und darunterliegende Knochen befällt.

       1989 wurde die Arthrose als degenerativer und deformierender Krankheitsprozess beschrieben, nicht als eigenständige Erkrankung. Komplexe krankhafte Veränderungen kommen durch die Kombination von degenerativem Knorpelschwund und nachfolgenden Knochenumbauprozessen zustande. Die Arthrose führt dann zu Gelenkschäden, Bewegungseinschränkung und Schmerzen.

       1994 definierten Forscher Arthrose als Gruppe bestimmter sich überlappender Erkrankungen unterschiedlicher Ursache, die morphologisch, biologisch und klinisch ähnlich verlaufen. Der Krankheitsprozess betrifft Gelenkknorpel, darunterliegenden Knochen, Bänder, Gelenkkapseln, Gelenkflüssigkeit (Synovia) und die am Gelenk beteiligte Muskulatur. Demzufolge ist die Arthrose der Endzustand von mechanischen und biologischen Ereignissen, die die Funktionen sämtlicher beteiligter Gelenkstrukturen destabilisieren.

       Seit 2003 betrachtet man die Arthrose als eine Erkrankung, die durch viele Faktoren ausgelöst werden kann, inklusive genetischer, metabolischer, entwicklungsbedingter und traumatischer Faktoren: »Arthrose ist durch morphologische, biochemische, molekulare und biomechanische Veränderungen sowohl der Zellen als auch der Matrix gekennzeichnet. Dies führt zur Aufweichung, Fibrillation, Ulzeration und zum Verlust von Gelenkknorpel. Zudem kommt es zur Sklerosierung und zum Aufbrauch darunterliegenden Knochens, zur Osteophyten- und Zystenbildung. Typische Arthrosebeschwerden sind Gelenkschmerz, -empfindlichkeit, Bewegungseinschränkung, Gelenkreiben, gelegentlich ein Erguss sowie Entzündungen unterschiedlichen Schweregrads ohne systemische Effekte« (Flores/Hochberg 2003).

       Gelenke: Form folgt Funktion

      Das knöcherne Skelett des Erwachsenen besteht aus 206 bis 214 Knochen sowie Knorpeln und Bindegewebe. Säuglinge haben noch mehr als 300 Knochen, von denen einige im Lauf der Zeit zusammenwachsen. Viele Knochen sind durch Gelenke miteinander verbunden – mehr oder weniger fest, starr oder beweglich.

      Dem Skelett verdanken wir die relativ stabile aufrechte Haltung entgegen der irdischen Schwerkraft. Knochen allein bewirken keine aufrechte Haltung, geschweige denn eine Bewegung. Haltung und Bewegung werden erst durch Gelenke plus Muskelkraft möglich.

      Es gibt Gelenkknochen und Bänder, die sie zusammenhalten. Werden diese Bänder durchtrennt, fällt alles auseinander. Die Knochen bewegen sich nur dann, wenn über die Muskulatur Kraft auf sie einwirkt. Allerdings wirkt ein Muskel nicht unmittelbar auf den Knochen ein, sondern überträgt die Kraft auf Sehnen, die die Muskeln und Knochen verbinden.

      Jede Bewegung des Knies mit zugehörigen Knochen ist stets das Ergebnis des Zusammenspiels von Muskeln, Faszien, Sehnen und Knochen, die im Gelenk beugen, drehen oder strecken können. Ohne bewegliche Verbindungen der einzelnen Knochen wäre der Mensch nur ein schlaffer Knochensack. Es gibt deshalb ein äußerst stabiles Stützskelett mit mehr als 360 Gelenkverbindungen.

      Bindegewebe gehört zu den grundlegenden Bausteinen von Gelenken. Es übernimmt unter anderem Stütz- und Versorgungsfunktionen. Das Bindegewebe selbst besteht aus Zellverbänden und der Bindegewebsmatrix. Knorpelzellen (Chondrozyten) gehören zu den Bindegewebszellen, die Zellverbände bilden können.

      Die Bindegewebsmatrix besteht zu 20–30 Prozent aus Fasern (kollagen, elastisch, retikulär) und zu 65–70 Prozent aus eiweißhaltigen Molekülkomplexen (Proteoglykane, Glykoproteine). Die Matrixmoleküle vernetzen die Bindegewebsfasern und fungieren beispielsweise als Wasserspeicher – Knorpel besteht zu 80 Prozent aus Wasser. Unter Belastung kann Knorpel durch Wasserverlust ein Fünftel seiner Höhe verlieren. Man weiß heute auch, dass es Bindegewebs-Stammzellen gibt, die Knorpelzellen erzeugen können.

      Ein Gelenk verbindet mindestens zwei verschiedene Knochen. Je nach Funktion unterscheidet man Kugelgelenke (wie an der Hüfte), Eigelenke (wie an der Hand), Scharniergelenke (wie am Ellbogen), Zapfengelenke (wie am Unterarm), Sattelgelenke (wie an der Daumenwurzel) und flache Gelenke (wie an den Wirbeln). Drei Gelenktypen stehen zur Auswahl:

       Unbewegliche Gelenke (Synarthrosen), z. B. am knöchernen Schädel

       Gelenke mit stark eingeschränkter Beweglichkeit (Amphiarthrosen), z. B. Wirbelkörper

       Gelenke mit eindeutiger Beweglichkeit (Diarthrosen), z. B. die Gliedmaßengelenke

      Am Gelenk beteiligte Knochen haben unter der Knorpelschicht eine spezielle Knochenschicht, den sogenannten subchondralen Knochen. Es handelt sich um eine dünne Knochenplatte, die vergleichsweise gut verformbar ist. Subchondraler Knochen ist mit dem darunterliegenden Knochen und dem darüberliegenden Knorpel durch kollagene Fasern fest