Название | Erniedrigung - Erhöhung - Auferstehung Jesu Christi |
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Автор произведения | Kurt Anglet |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783429063399 |
Zum Weihnachtsfest senden wir Euch die herzlichsten Glückwünsche. Da es jetzt wohl auch bei Euch schneit, besteht die Hoffnung, daß das Fest wieder einmal seinen ganzen Zauber entfalten kann. Ich denke oft in diesen Tagen an die Vortage von Weihnachten in unserm kleinen Städtchen und ich wünschte mir die ganze künstlerische Kraft, um die Stimmung und den Glanz, das Spannende und still Aufregende dieser Tage wirklich darzustellen. Es ist natürlich eine Täuschung von uns Erwachsenen, wenn wir glauben, es sei für unsere Kinder nicht mehr da wie für uns. Gewiß mag Vieles geändert sein – das schlichte, einfache, bäuerliche – auch noch im Leben des Städtchens, die äußere Geruhsamkeit der ganzen Lage des Volkes, die äußere Abgeschlossenheit von dem Kitsch und dem Geschmack der Großstadt, die Ansprüche und die Grundsätze der Menschen – all das mag früher bodenständiger gewesen sein – aber auch so können wir vieles noch den Kindern bewahren und für ihr späteres Leben mitgeben als ein Gut, von dem man erst ganz spät einsieht, daß es einem unauffällig einmal geschenkt wurde, daß es unzerstörbar ist und nachhaltiger als das, was wir nur lernten.
Wir müssen die natürliche Kraft bewahren oder wieder gewinnen, um diesem zaubervollen deutschen Fest ganz gewachsen zu sein und alle seine Gehalte auszuschöpfen.
Möchte es Euch, Eur[er] ganzen Familie gelingen, dem Fest die Innigkeit zu geben, daß die Kinder später ihren Nachkommen es unzerstört überliefern können.
Obwohl Heidegger die Überlieferung des Erlebten am Herzen liegt – kein einziges Wort vom Festgeheimnis, von der Menschwerdung des Sohnes Gottes. Nicht einmal im folkloristischen Sinne, im Sinne religiösen Brauchtums, wie die anschließende Erinnerung Heideggers an die Anfertigung kleiner Weihnachtskerzen für die Kirche aus angewärmtem Wachsrodel in Kinderjahren zeigt: Die Abfälle wurden zu einem Klumpen Wachs »zusammen gedrückt, der dann in die Schublade von Mutters Nähmaschine wanderte, um damit den Nähfaden zu wachsen«. Nicht einmal ein Hauch des Geistes, der über die bloße Stimmung hinaus die Herzen der Menschen, zumal der Kinder, zu erfassen vermag, wie er etwa aus Reinhold Schneiders Tröstliche Kindheit, einem Rückblick auf das vorweihnachtliche Elternhaus in Baden-Baden am Ende des Zweiten Weltkrieges, zu vernehmen ist; oder man denke an Adalbert Stifters Erzählung Der heilige Abend. Das Heilige scheint aus Heideggers Welt verbannt, aus »diesem zaubervollen deutschen Fest«; allein sein Zauber ergötzt, gleich Wagners Karfreitagszauber. Gleichwohl hat Bruder Fritz die Botschaft wohl vernommen, wenn er in seinem Antwortschreiben vom 21. Dez. 1931 bemerkt: »Martins Brief ist wieder das reinste Weihnachtsmärchen. (Ein entsprechender Osterbrief wäre ebenso herzerquickend)« (Ebd. 23). Es sei angemerkt, dass die abgedruckten Briefe Heideggers zum Osterfest es dem Leser ersparen, sich mit dem Ostergeheimnis, der Auferstehung Christi zu befassen. Dass Heidegger seinen Weihnachtsfestbrief mit einem Plädoyer für die nationalsozialistische Bewegung beschließt, um seinen kritisch eingestellten Bruder umzustimmen, mag der Zeit geschuldet sein. Immerhin wird deutlich, wohin »die Emanzipation vom Heiligen« (Walter Benjamin) einen Denker führen kann, der sich seiner Zeit verschrieben hat (ebd. 22):
Es geht nicht um kleine Parteipolitik – sondern um Rettung und Untergang Europas und der abendländischen Kultur. Wer das auch jetzt noch nicht begreift, der ist es wert, im Chaos zerrieben zu werden. Die Besinnung auf diese Dinge stört nicht den Weihnachtsfrieden, sondern führt zurück in das Wesen und die Aufgabe der Deutschen, das heißt dorthin, wo die Gestalt dieses wundervollen Festes ihren Ursprung hat.
Es bedarf keines weiteren Kommentars, um zu zeigen, wohin es mit dem christlichen Abendland gekommen ist. Mochte sich auch Heideggers Euphorie in den Jahren nach 1933 gelegt haben, so deshalb, weil zunächst die Nationalsozialisten in der Rezeption seiner Arbeiten auf Distanz gingen, sei es, dass ihnen sein Seinsdenken nicht ganz geheuer war, sei es, dass ihnen aufgrund ihrer expansiven Politik so viel Heimatverbundenheit eher abträglich schien, da sich die neuen Herrenmenschen in den Weiten des Ostens heimisch fühlen sollten. Doch der Geist ist derselbe geblieben, wie etwa die Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis) (1936–38 = GA 65) belegen. Es ist der Geist des Antichristen. Denn Heidegger sollte sich nicht allein in seinen geschichtlichen Einschätzungen irren. Ebenso irrig sind seine theologischen Überlegungen wie die, dass der Antichrist aus der »Judenschaft« stamme; er kommt vielmehr »aus unserer Mitte«. So bemerkt der heilige Johannes (1 Joh 2,18 f.):
Meine Kinder, es ist die letzte Stunde. Ihr habt gehört, dass der Antichrist kommt, und jetzt sind viele Antichriste gekommen. Daran erkennen wir, dass es die letzte Stunde ist. Sie sind aus unserer Mitte gekommen, aber sie gehörten nicht zu uns; denn wenn sie zu uns gehört hätten, wären sie bei uns geblieben.
Mochte Johannes hier auch an Gnostiker oder ihre doketistischen Vorläufer denken, gemein ist ihnen die Leugnung der Fleischwerdung des Sohnes Gottes. Auch handelt es sich beim Antichristen nicht um irgendein Fabelwesen, das irgendwann auftaucht, sondern um einen bestimmten Typus, wie Adam oder Christus einen Typus verkörpern, wenngleich in einer einzigen Person. Die Ablehnung der Person Christi kennzeichnet das antichristliche Denken; bezeichnenderweise erscheint »der Christ« bei Heidegger apostrophiert, wie schon bei Nietzsche – für Heidegger nach den letzten Anmerkungen des vierten Bandes seiner Schwarzen Hefte »Nietzsche, der Unumgängliche« (GA 97, 464). Warum dem so ist, verrät dessen Credo, das Nietzsche in einem nachgelassenen Fragment vom Sommerhalbjahr 1888 folgendermaßen zusammenfasst (KGW VIII.3, 283):
Wir Wenigen oder Vielen, die wir wieder in einer entmoralisirten Welt zu leben wagen, wir Heiden dem Glauben nach: wir sind wahrscheinlich die Ersten, die es begreifen, was ein heidnischer Glaube ist: sich höhere Wesen als der Mensch ist, vorstellen müssen, aber diese Wesen jenseits von Gut und Böse; alles Höher-sein auch als Unmoralischsein abschätzen müssen. Wir glauben an den Olymp – und nicht an den »Gekreuzigten« …
Die Lossage vom »Gekreuzigten« steigert sich im Zarathustra bis zum Vorwurf der Unreinheit der Wüstenheiligen, ihrer Nähe zu Teufel und Schwein (vgl. KGW VI.1, 359) – ohne zu wissen, dass die heilige Hildegard in einer Vision der Endzeit deren letzte Phase mit dem Zeitalter des Schweines identifiziert, wie schon nach 2 Petr 2,22 das gewaschene Schwein sich wieder im Schlamm wälzt. Im Schlamm des Zeitalters wäre zu ergänzen, dem wir – so Heidegger in Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis) – »eingeeignet bleiben«, ja, »ein wissender Ernst zusammentaugt« (vgl. GA 65, 242). Es ist daher absurd, zwischen dem Denken Heideggers und seinen – zugegebenermaßen zeitbedingten – Geschichtsauffassungen unterscheiden zu wollen: Es gibt keinen vergleichbaren Philosophen des 20. Jahrhunderts wie den Verfasser von Sein und Zeit, bei dem sein Denken und sein Zeitalter eine höchst unheilige Liaison eingehen. Heideggers Denken wirkt geradezu wie ein stummer Widerhall des Zeitgeschehens. Nur was er zu verschweigen hat, das hat er nicht gesagt – er hat es geschrieben. So vermerkt er in einem Brief vom 21. Sept. 1949 an seinen Bruder Fritz, sein Schüler Max Müller sei als erster Gratulant zu seinem Geburtstag erschienen mit dem ihm gewidmeten ersten Band des »Symposion«, eines neuen philosophischen Jahrbuches, worüber er sich offensichtlich freute. Dann weiter zu Müller (HA 141):
Die »Holzwege« kennt er noch nicht. Diese werden für das Publikum ein schöner Holzweg werden! Man wird meinen, jetzt hat Heidegger sein Schweigen gebrochen: er spricht das Entscheidende aus. Aber diese Mitteilung ist gerade das Verschweigen. Wir verraten das Schweigen nämlich, solange wir schweigen.
Denn so könnten die Zeitgenossen leicht Argwohn schöpfen, dass einer da etwas zu verbergen hat. Immerhin kommt Heidegger noch im selben Brief auf seine jüngste Vergangenheit zu sprechen (ebd. 142):
Inzwischen bekam ich auch, ohne weiteres Zutun, den Entnazifizierungsbescheid: Mitläufer, ohne Sühnemaßnahmen;