MordsSchweiz. Christof Gasser

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Название MordsSchweiz
Автор произведения Christof Gasser
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783839269589



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weniger als am Zürichsee. Es war eine gute Idee gewesen, von der Goldküste nach Ronco sopra Ascona in die Residenz zu dislozieren. Residenza. Tönte auch besser als Altersheim, gerade auf Italienisch.

      Doch insgesamt war es ein gepflegtes Haus, mit Gourmetküche, Wellness-Spa, Schwimmbad, einem weitläufigen Park und angegliederter Arztpraxis, die, im Gegensatz zu den Heimen für Krethi und Plethi, rund um die Uhr besetzt war und auch Botox und so anbot. Nicht ganz billig, aber das letzte Hemd hatte ja keine Taschen. Und für die wöchentliche Pediküre musste man hier nicht mehr in ein Taxi mit klebrigen Plastiksitzen steigen. Das Sonnenlicht flutete das Appartement und wärmte die nackten Füße mit den frisch lackierten Nägeln. Dior Nagellack-Rouge Pandore mit Gel-Effekt.

      Sie wackelte mit den Zehen und rekelte sich in der Chaiselongue.

      Leider fanden hier nicht alle Möbel Platz, nur eine Handvoll Antiquitäten, einige Perserteppiche und die Ölbilder aus dem Schlafzimmer. Die Leichen lagen noch immer unter dem Weinkeller in der Villa. Niemand würde sie je finden. Sie schaute auf ihre Hände, mit denen sie diese noch eigenhändig einbetoniert hatte. Mittlerweile war die fast durchsichtige Haut voller Altersflecken. Sie berührte die edelsteinbesetzten Ringe an den von Gicht geplagten Fingern. Das Alter war ein Graus, aber wenigstens konnte man sich ab und zu etwas gönnen.

      Ein Klopfen holte sie in die Gegenwart zurück. »Ja, bitte?«

      Die Tür öffnete sich, und eine unbekannte Pflegerin im türkisfarbenen Kittel der Residenz schob einen Trolley herein. »Guten Tag, Frau Neidhart. Ich vertrete heute Doktor Mancini, der leider unpässlich ist. Mein Name ist Alessia Werffeli.«

      Keine Pflegerin und ein bisschen jung für eine Ärztin, aber heute wirkten ja auch Vierzig-, Fünfzigjährige jung. Ab einem gewissen Alter konnte man sich allerdings nicht mehr einreden, man sei nur so alt, wie man sich fühle. »Guten Tag, Frau Doktor.«

      Die Ärztin streifte sich blaue Plastikhandschuhe über. »Ich komme wegen Ihrer monatlichen Vitalzeichenkontrolle.«

      Leichtes Kopfschütteln. Der September war wieder einmal nur so verflogen. Schon wieder Vitalzeichenkontrolle. Vitalzeichenkontrolle. Auch so ein Wort! Früher hatte es genügt, mit den Fingerspitzen den Puls zu nehmen, und man wusste, ob einer hinüber war oder ob man noch einmal abdrücken musste.

      »Wie geht es uns heute denn so?«

      Alessia hatte diesen forciert munteren Ton, der offenbar Voraussetzung war, um in der Residenz angestellt zu werden. Immerhin sprach die Ärztin Schweizerdeutsch, nicht so wie die Pflegerinnen aus der Lombardei, welche jeden Tag bei Brissago über die Grenze kamen, oder die Spanierinnen, die kein Wort Deutsch sprachen. Immerhin konnte man mit denen seine Sprachkenntnisse auffrischen. Sich in verschiedenen Idiomen zurechtzufinden, war eine wichtige Voraussetzung für die Erledigung der Auslandsaufträge gewesen. »Ich kann nicht klagen.«

      »Wunderbar. Das ist gut zu wissen. Darf ich Ihren Blutdruck messen?« Alessia legte die kühle Manschette an und begann zu pumpen, studierte die Anzeige und ließ dann den Druck wieder ab. »Was haben Sie denn früher gemacht, Frau Neidhart?«

      »Ich war Reiseleiterin.«

      »Was Sie nicht sagen.«

      »Doch, doch.«

      »Ich reise auch gerne.«

      »Ja, ja. Reisen bildet.«

      Während Alessia das Blutdruckmessgerät verstaute, schaute sie sich um und wunderte sich wahrscheinlich, wie sich eine Reiseleiterin diese Residenz leisten konnte. Sie fragte schließlich. »Und wie sind Sie dazu gekommen? Ich meine, gibt es da eine Ausbildung oder so?«

      Ein Lächeln huschte ihr übers Gesicht. Gute Frage. Die Erinnerungen an den ersten Auftrag mit dem stillen Tommaso vor über sechzig Jahren waren ungetrübt. Vieles andere war im Laufe der Jahre verschwommen, aber Tommasos verträumte Augen blieben unvergesslich. Er war extra mit dem Zug aus Kalabrien in die Schweiz gereist und hatte einen sexy Lockvogel gebraucht, um die Zielperson zu isolieren, einen Geschäftsmann, der bei jemandem in Ungnade gefallen war. Der Auftrag hatte gelautet, ihn zu erledigen und bei dieser Gelegenheit ein Exempel zu statuieren, zur Abschreckung. Leider waren sie nur halb erfolgreich gewesen, denn das Dolder Grand hatte es damals irgendwie geschafft, das Ganze unter den Teppich zu kehren. Jedenfalls waren in den Zeitungen keine Berichte aufgetaucht. Dabei hatte Tommaso die abgezwackten Finger des Geschäftsmannes doch extra überall in der Luxussuite verstreut. »Ach, da bin ich vor langer Zeit hineingerutscht. Einer meiner Cousins war auch Reiseleiter und hat mich gefragt, ob ich aushelfen würde.«

      Alessia nahm das Handgelenk, fühlte den Puls und erkundigte sich nach einer Weile: »Und dann? Haben Sie im Geschäft Ihres Cousins gearbeitet?«

      »Nein, nein. Wir haben nur einige Reisen zusammen arrangiert. Das war, als ich noch ein ganz junges Ding war. Aber damals waren die Zeiten ganz andere. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Die Männer waren noch anständig angezogen, haben Hut und Krawatte getragen und einem in den Mantel geholfen. Aber was sage ich da. Als mein Cousin zurück nach Italien ging, habe ich mich selbstständig gemacht. Wissen Sie, das Schöne an diesem Beruf ist ja, dass man selbst bestimmen kann, wie viel man arbeitet.«

      »Selbstständig zu sein. Das könnte ich mir auch vorstellen.« Alessia notierte den Puls.

      »Ja, wenn man einen guten Ruf hat, kann man sich die Kundschaft aussuchen. Meine Spezialität waren maßgeschneiderte Reisen für die gehobene Kundschaft.«

      »In welches Land sind Sie denn am liebsten gereist, wenn ich fragen darf?«

      »In den Jemen …«, ins Jenseits, »und die Indianergebiete«, in die ewigen Jagdgründe, »aber Indianer darf man heute ja nicht mehr sagen, heute heißt es Native Americans, nicht wahr?«

      »Im Jemen war ich noch nie.«

      »Sie sind ja noch jung.«

      »Das muss aber aufregend gewesen sein.«

      »Meist war es höllisch heiß.«

      Alessia zeigte besorgt auf die Beine. »Was haben wir denn da? Sie haben an Ihrem Schienbein einen ziemlichen Bluterguss.«

      Die Beine waren auf der Chaiselongue übereinandergeschlagen, das obere der Ärztin zugewandt, Körpersprache beeinflusste das Unterbewusstsein. Die Prellung war unschön, aber schließlich war niemand perfekt. Schulterzucken. »Ach, das ist nicht schlimm. Da habe ich mich wohl am Bett gestoßen.«

      Die Finger von Alessia fuhren vorsichtig über das Schienbein. »Tut das weh?«

      »Nein, nein. Das geht von allein vorbei.«

      »Haben Sie schon von Herrn Rohde gehört?«

      Desinteressiertes und unschuldiges Kopfschütteln. Lügen war simpel, wenn man es einmal gelernt hatte. »Nein, heute noch nicht.«

      »Ihr Nachbar hatte einen Unfall …«

      Die Augen weiten, die Lippen zu einem stummen O formen, die Stirn in Falten legen und die Augenbrauen zusammenziehen. Wahrscheinlich wäre auch eine Karriere als Schauspielerin in der Cinecittà möglich gewesen. Ein Leopard des Filmfestivals Locarno hätte sich auf der Anrichte gut gemacht. Sean Connery, Claudia Cardinale und … Wie hieß diese Schweizer Schauspielerin mit dem Bikini schon wieder, die Tierfreundin mit Schoßhündchen? Andrea? … Ursula Andress. Ja, so hieß sie!

      Alessia sagte: »Herr Rohde hat uns leider verlassen.«

      »Sie meinen, mit den Füßen voran?«

      Schräger Seitenblick. »Leider ja.«

      »Wie schrecklich.«

      Die Ärztin nickte nachdenklich.

      Die Frau Doktor war noch jung. Trotz ihrer Ausbildung an der Universität hatte sie sich offenbar noch nicht an den Tod gewöhnt, aber das würde schon noch kommen. »Früher oder später müssen wir alle gehen.«

      Alessia murmelte zustimmend. »Mhm.«

      »Was ist denn passiert?«

      »Ich