Die Bibliothek des Kurfürsten. Birgit Erwin

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Название Die Bibliothek des Kurfürsten
Автор произведения Birgit Erwin
Жанр Исторические детективы
Серия
Издательство Исторические детективы
Год выпуска 0
isbn 9783839269008



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ihm lag es, das Wunder zu vollbringen. Er stützte die Stirn gegen die Faust und widmete sich wieder seiner Herkulesaufgabe.

      Als es an seine Tür pochte, brauste er auf: »Ja, Herrgott!«

      Wütend blitzte er Sergeant Spielvogel an, der eingeschüchtert von einem Bein aufs andere trat.

      »Steht gerade, Mann!«, bellte Maxilius. »Ich weiß beim besten Willen nicht, warum ich Euch befördert habe. Was wollt Ihr? Soweit ich weiß, habt Ihr keinen Dienst. Jedenfalls hoffe ich das für Euch; Ihr stinkt wie ein Bierfass.«

      Spielvogel nahm so etwas wie Haltung an. »Herr Major, ein Katholik ist in der Stadt …«

      »Verflixt und zugenäht, das weiß ich!«

      »Ihr … Ihr wisst?«

      »Was findet nur alle Welt an diesem Rodriguez? Wenn alle Katholiken solche Feiglinge wären wie der, wäre Kaiserslautern noch protestantisch. Was kümmert Euch dieser elende Kriecher, den sein eigener König hier vergessen hat?«

      »Äh … nichts.«

      »Und was wollt Ihr dann?«

      »Ich spreche nicht von Herrn Rodriguez, sondern von Jakob Liebig«, murmelte Spielvogel.

      Maxilius starrte ihn an. »Was? Liebig? Der ist in der Stadt?«

      »Ja, Herr Major. Ich bin ihm in Reilings Hof begegnet.«

      »Und wo ist er jetzt?«

      »Im Verlies, auf Befehl von Leutnant Karius, Herr Major.« Spielvogel zog den Kopf ein. Als er ihn vorsichtig hob, grinste Maxilius bösartig.

      »Gut, da kann er bleiben. Wird dem feinen Herrn guttun. Und Ihr legt Euch schlafen. Das ist ein Befehl.«

      »Ja, Herr Major.«

      In der Tür rief Maxilius ihn zurück. »Spielvogel«, ein winziges Zögern. »Geht es ihr gut?«

      »Ja, Herr Major.«

      »Ab mit Euch!«

      Nachdem Spielvogel gegangen war, sackte Maxilius auf seinen Stuhl und stützte das Kinn auf die Hände. »Das hat mir gerade noch gefehlt. Ein besserwisserischer Katholik. Oh Herr, warum strafst du deine Getreuen mit solchen Schlägen?«

      Müde nahm er seine Jacke vom Haken, setzte den Hut auf und rief nach seinem Pferd. Wenig später ritt er zu Reilings Hof.

      In der Schenke herrschte reger Betrieb, obwohl es bereits auf Mitternacht zuging, nur wenige Plätze auf den langen Bänken waren frei und die Humpen kreisten. Maxilius fragte sich, wie Gisbert es trotz der landesweiten Teuerung fertigbrachte, ein so wohlschmeckendes und dabei so hochprozentiges Bier zu brauen. Er schaute sich um und entdeckte einige Bekannte. Den einen oder anderen hätte er am liebsten nach Hause geschickt, vor allem den betrunkenen Zimmermann, der sich fast unverständlich mit diesem böhmischen Lumpen unterhielt, der sich seit einigen Monaten in der Stadt herumtrieb.

      Er ging auf Lena zu. »Jakob Liebig ist in der Stadt«, begann er ohne Umschweife. »Hast du mit ihm geredet? Es ist wichtig, dass du mir die Wahrheit sagst.«

      »Ein paar Worte.«

      »Lena, bitte, was genau hat er gesagt?«

      Sie wandte sich Gisbert zu. »Kann Anni mich kurz vertreten?«

      »Kann sie nicht«, entgegnete der Wirt. »Oder siehst du sie hier?«

      Maxilius kratzte sich am Kinn. »Ihr seid immer noch den Nachweis schuldig, dass Ihr mit dem verstorbenen Herrn Reiling verwandt seid. Der Rat duldet, aber er ist nicht sehr geduldig.«

      »Ich zahle meine Steuern!«

      »Das ist ein Anfang, nicht mehr.« Maxilius bedeutete Lena mit einem Fingerzeig, ihm in den Flur zu folgen. »Also?«

      Sie hielt ihren Blick auf einen Punkt über Maxilius’ rechter Schulter gerichtet. »Er hat nicht viel gesagt. Nach den Abeles hat er sich erkundigt und wie es mir geht.«

      »Lena, Tratsch interessiert mich nicht!«

      »Er wollte in die Stadt, aber er hatte keinen Passierschein«, räumte sie ein. »Ich habe ihm gesagt, dass die Wachen niemanden einfach so durchlassen.«

      »Und deshalb wandte er sich an Spielvogel?«

      »Ja.«

      »Gut. Ich danke dir für deine Ehrlichkeit.« Jetzt sah sie ihn doch an und der Ausdruck ihrer dunklen Augen hätte ihn beinahe zusammenzucken lassen. Es waren schöne Augen, aber er wusste, dass zwischen ihnen ein Gespenst stand. Trotzdem konnte er sich nicht zurückhalten. »Lena, das ist kein Leben für dich. Die Stelle als meine Wirtschafterin ist immer noch frei.« Etwas, das er beim besten Willen nicht deuten konnte, regte sich in ihrem Gesicht. »Nun?«, fragte er rau.

      »Nein, ist sie nicht, und nein, ich will sie nicht. Habt Ihr noch weitere Fragen?«

      Er gab ihr mit einer Handbewegung zu verstehen, dass sie gehen durfte. Als sie fort war, wurden Maxilius’ Züge hart. »Gut, Herr Liebig, Ihr habt es so gewollt!«

      Der Mond stand bereits hoch, als Maxilius sein Pferd losband. Er zog sich in den Sattel und gab dem Tier die Sporen. Die Müdigkeit, die mit jeder Woche schlimmer wurde, rumorte in seinen Knochen, aber er wusste, dass an Schlaf nicht zu denken war. So schnell er sich im Dunkeln traute, preschte er zur Stadt zurück. Sein Geist war wieder bei den Schanzarbeiten. Sie gingen nicht schnell genug voran, andererseits wusste er, dass er die Männer nicht noch härter antreiben durfte und dass der Rat nicht noch mehr Geld bewilligen würde. Keiner dieser Herren verstand wirklich, was das bedeutete: Krieg. Sie lauschten den Prahlereien dieses Böhmen und fühlten sich alle als Helden. Jakob Liebig, der lästige Katholik, der hatte wenigstens eine Ahnung, was auf sie zukam. Nur war er zu jung, es wirklich zu begreifen. Was diesen Jiří anging, den Kerl hätte er da lassen sollen, wo Liebig jetzt hockte. Der bedeutete Ärger. Er kannte diese Burschen.

      Vor der Garnison zügelte Maxilius sein Pferd. Er vermisste seine Privatgemächer, aber diesen Luxus hatte er der Notwendigkeit geopfert, auch wenn sein Wirt die Zimmer immer noch für ihn frei hielt. Maxilius gähnte und stieg vom Pferd wie ein alter Mann. Eine Weile blieb er einfach stehen, die Stirn an den warmen Hals des Tieres gelehnt. Als er Schritte hörte, fuhr er in die Höhe.

      »Herr Major.« Es war Stefan, sein Bursche.

      Maxilius entspannte sich. Stefan gehörte zu den wenigen Menschen, denen er vertraute und die ihn gut genug kannten, um seine eiserne Fassade zu durchdringen. »Nicht jetzt«, bat er und unterdrückte ein zweites Gähnen.

      Der junge Mann musterte ihn auf eine Weise, die jedem anderen eine harsche Rüge eingetragen hätte: besorgt. »Ich weiß, Herr Major, nur … Der Spanier hat schon wieder einen Boten geschickt. Damit sind es fünf. Er fleht Euch an, ihn anzuhören.«

      Maxilius stieß ein bellendes Lachen aus. »Ich kann mir nicht vorstellen, was bei dem dringend sein sollte. Der soll sich hübsch in seinem vornehmen Haus verstecken und sich unsichtbar machen. Je weniger Protestanten sich daran erinnern, dass es ihn gibt, desto besser für ihn. Spanier! Hah!«

      Stefan drängte sich sanft zwischen seinen Herrn und dessen Pferd. Er begann, das Tier abzusatteln. Maxilius ließ ihn gewähren. Abwesend glättete er die abgeknickte Feder an seinem Hut.

      Während er das Tier versorgte, sprach Stefan weiter: »Ich glaube, er hat Angst. Todesangst. Und so wie die Dinge in der Stadt liegen, hat er nicht unrecht. Denkt an die Flugschriften, die …«

      Maxilius verdrehte die blutunterlaufenen Augen. »Hör bloß auf. Ich hab ja Verständnis für unseren vergessenen Spanier, aber ich habe keine Zeit für ihn.«

      »Und wenn er die Stadt verlassen würde?«

      »Dann würden ihn meine besten Wünsche begleiten und ich hätte eine Sorge weniger. Aber er kann nirgendwo hin, wenn sein König ihm keine Eskorte schickt. Das weiß er und leider weiß ich das auch. Also mache ich mir keine Hoffnungen. Sonst alles ruhig?«

      Stefan kämpfte einen beinahe