Die Bibliothek des Kurfürsten. Birgit Erwin

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Название Die Bibliothek des Kurfürsten
Автор произведения Birgit Erwin
Жанр Исторические детективы
Серия
Издательство Исторические детективы
Год выпуска 0
isbn 9783839269008



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Haus mit stuckverzierter Fassade.

      »Scheiße!«, entfuhr es Laurenz.

      Maxilius verzog den Mund zu einem hämischen Lächeln. »Da habt Ihr wohl den Nagel auf den Kopf getroffen«, murmelte er und begutachtete die braunen Spuren, die Tür und Mauer verunzierten. »Es ist aber doch interessant, dass sie keine Steine genommen haben.« Er wies einen Soldaten an zu klopfen.

      Es dauerte nicht lange, bis ein misstrauisches »Wer ist da?« erklang.

      Maxilius stieß die Tür schwungvoll auf und trat unaufgefordert in den Hausflur. »Stadtkommandant Maxilius.«

      Im Halbdunkel sah er den kostbaren roten und goldenen Stoff einer Livree schimmern. Die Züge des Dieners erkannte er nicht, weil der sich bereits umgedreht hatte und davoneilte.

      Fast gleichzeitig kam ihnen ein schwarzhaariger Lakai, ebenfalls in prächtiger Aufmachung, aus dem Inneren des Hauses entgegen. »Wenn Ihr mir bitte folgen wollt«, bat er in fast akzentfreiem Deutsch, »mein Herr erwartet Euch bereits.«

      »Tut er das?«, fragte Maxilius mit beißender Ironie. »Hauptmann, Ihr bezieht vor dem Haus Posten. Die Leute sollen ruhig sehen, dass wir uns des Problems hier annehmen.« Zufrieden sah er, wie der Blick des Lakaien unruhig zu den Soldaten huschte. »Na los, mein Junge, wir wollen deinen Herrn nicht warten lassen.«

      Der Diener bewegte sich lautlos über die dicken Teppiche die Treppe empor. Maxilius folgte. Das Haus wies den zu erwartenden Prunk auf. Rodriguez war einer der zahlreichen Gesandten gewesen, die Heidelberg zu einem glanzvollen Pflaster gemacht hatten, als der junge Kurfürst noch Hof gehalten hatte. Von dem Glanz war wenig geblieben, nur ein verängstigter Spanier, der auf grausame Weise daran erinnert wurde, wie entbehrlich er war. Maxilius betrachtete sich in einem der mannshohen Spiegel in dem kleinen Kabinett, das sie gerade durchquerten, und ließ seine Absätze härter auf dem erlesenen Parkett hallen. Der Lakai zuckte, und Maxilius konnte sich lebhaft vorstellen, was er gerade über den deutschen Bären denken mochte, der da hinter ihm her stapfte. Zum ersten Mal seit Tagen hatte er so etwas wie gute Laune.

      Der Weg endete schließlich in der Bibliothek, einem hohen, getäfelten Raum mit verzierten Möbeln und mehr Teppichen. Der Leuchter an der Decke war bereits entzündet und im Kamin loderte ein Feuer. Ein Mann stand am Fenster. Er drehte ihnen den Rücken zu, doch kaum hatte der Diener Maxilius angekündigt, schnellte er herum und kam dem Stadtkommandanten mit ausgestreckten Händen entgegen. Erst im letzten Moment bremste er sich und blieb stehen. »Endlich«, sagte er mit einem Rest von Hochmut. »Herr Stadtkommandant, Ihr müsst Euch meiner Sache annehmen.«

      Maxilius zog langsam den Hut. Er wusste von den vielen verhassten Besuchen bei Hof, was die guten Sitten geboten. Diesem Mann die ihm zustehende Höflichkeit vorzuenthalten, kam ihm kleinlich vor. Er verbeugte sich knapp, während er Rodriguez scharf musterte. Der Spanier war zierlich, blass und von einer Schönheit, die bei einem Mann fast sündig erschien. Anders als seine Diener war er in Schwarz gekleidet, doch die silbernen Stickereien und die üppige Halskrause ließen keinen Gedanken an christliche Demut aufkommen. »Gott zum Gruß, Herr Gesandter.«

      Der Spanier stutzte, fuhr sich hastig über den gepflegten Bart und nickte. »Gott zum Gruß. Herr Kommandant, ich bin verzweifelt.«

      Maxilius wartete, bis der Lakai die Türflügel von außen geschlossen hatte, ehe er bedeutsam die brokatbespannten Sessel fixierte.

      Rodriguez’ bleiche Wangen verfärbten sich. »Bitte, nehmt Platz, wollt Ihr …«

      »Danke, nichts. Ihr habt bereits mehrfach bei mir vorgesprochen. Was kann ich für Euch tun?«

      »Habt Ihr mein Haus nicht gesehen?«, ereiferte sich der Spanier. Er schien schon wieder kurz davor aufzuspringen, beherrschte sich aber. Seine Hände flatterten.

      Maxilius’ Mundwinkel hoben sich. »Das habe ich, und ich vermute, dass es sich um gute deutsche Scheiße handelt.« Der Spanier öffnete den Mund, aber Maxilius ließ ihn nicht zu Wort kommen. »Das ist bedauerlich, Ihr müsst allerdings bedenken, dass Ihr ein Katholik in einer protestantischen Stadt seid. Wenn Ihr nichts weiter vorzubringen habt …«

      »Mein Leben wird bedroht. Ich wage mich nicht mehr aus dem Haus.«

      »Das ist klug«, warf Maxilius trocken ein. »Bedauerlich, aber klug.«

      »Aber … Ihr habt mir Schutz zugesichert, damals, als …« Als dein König dich im Stich gelassen hat, vervollständigte Maxilius im Geiste. »Ich sehe ihn nicht, diesen Schutz.«

      Maxilius schlug die Beine übereinander. »Ihr seid am Leben. Ihr seid unverletzt. Lasst mich Euch eine andere Frage stellen: Warum seid Ihr noch hier?«

      »Weil mein König es so wünscht.«

      Maxilius beugte sich vor. »Und warum?«

      Der Spanier presste sich in seinen Stuhl. Seine unruhigen Finger krampften sich um die Armlehnen. »Ihr werdet verstehen, wenn ich Euch darüber keine detaillierten Auskünfte geben kann. Ich rechne jedoch täglich mit einem Boten.« Er brach ab und blickte Maxilius aus geweiteten Augen an. »Was habt Ihr?«

      »Sprecht ruhig weiter«, forderte der Stadtkommandant beinahe sanft. »Ihr erwartet einen Boten, der …«

      »Mich abberufen soll. Weg aus diesem … Land.«

      »War er schon da, dieser Bote?«

      »Nein.«

      »Nein. Wie bedauerlich. Wisst Ihr, dass ein junger Mann gestorben ist? Ein Bote?«

      Jetzt sprang Rodriguez doch auf. Mit hastigen Schritten lief er an der hohen Fensterfront auf und ab. »Sind das Eure Soldaten?«

      »Offensichtlich. Ihr wolltet Schutz. Da ist Schutz.«

      Rodriguez schnellte herum. »Bin ich ein Gefangener?«

      Maxilius hob beide Hände. »Wie kommt Ihr auf den Gedanken? Herr Gesandter, wer soll Euch schützen, wenn nicht meine Soldaten?«

      »Und der Tote? Was hat es mit ihm auf sich?«

      »Ein junger Mann namens Kuno.« Maxilius fixierte den Spanier starr.

      Auf dessen Wangen brannten nun rote Flecken. »Kuno ist kein spanischer Name. Und er ist tot? Wie?«

      »Ihm wurde die Kehle durchgeschnitten, dann wurde sein Gesicht durch Schläge unkenntlich gemacht.«

      »Madre de Dios! Wieso denkt Ihr, dass er von meinem Herrn geschickt wurde?«

      »Das denke ich nicht. Ihr sagtet, dass Ihr einen Boten erwartet. Wer arbeitet für Euch?«

      »Mein Majordomus und vier Diener. Außerdem das Küchenpersonal.« Wenn der abrupte Themenwechsel ihn irritierte, ließ er es sich nicht anmerken. »Einer wurde auf dem Weg zum Markt zusammengeschlagen.«

      »Von wem?«

      Rodriguez hob die Schultern. »Männern. Euren Männern. Protestantischen Männern. Sie sind die Mörder. Nicht ich. Wieso fragt Ihr mich nach einem Toten? Verdächtigt Ihr mich und meine Leute? Stehen die Soldaten deswegen vor meiner Tür?« Das schöne Gesicht war beinahe hässlich in seiner Erregung.

      Maxilius musterte es kalt. »Ihr wirkt sehr nervös.«

      »Natürlich wirke ich nervös!«, rief Rodriguez schrill. »Ich fürchte mich.«

      »Dann helft mir, Euch zu schützen. Wer hat Euren Diener angegriffen?«

      »Vier oder fünf Männer. Sehr jung, hat mein Diener gesagt. Bauern vielleicht.«

      Maxilius wölbte skeptisch die Braue, er vermutete, dass für den Spanier jeder einfache Mann ein Bauer war. »Ich werde mich darum kümmern«, versprach er. »Und meine Soldaten werden Euer Haus im Auge behalten.«

      »Aber … das ist nicht nötig. Nicht immer, meine ich. Nur …«

      Maxilius lächelte breit. »Bitte, wir Protestanten sind gute Gastgeber. Und Euer König soll nicht sagen, dass wir seinen Gesandten nicht beschützt haben. Gibt es noch etwas?«