Название | Tschefuren raus! |
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Автор произведения | Goran Vojnović |
Жанр | Языкознание |
Серия | Transfer Bibliothek |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783990371169 |
33.Warum mir auf einmal die Stille zusagt
34.Warum Tschefuren immer in der letzten Bank sitzen
35.Warum die kleinen Tschefurinnen die größten Monster sind
36.Warum die Tschefuren an die Ljubljanica schiffen gehen
37.Warum keiner auch nur lausige fünf Prozent auf dich gibt
38.Warum die Tschefuren ständig einen auf lustig machen
39.Warum wir den Sperrmüll abgefackelt haben
40.Warum ich wieder mal zu Fuß bis in den zehnten Stock musste
41.Warum Radovan plötzlich wieder Schnaps trinkt
42.Warum Ranka und ich uns an Vela erinnerten
43.Warum bei den Tschefuren nichts geheim bleibt
44.Warum Bosnien total im Arsch ist
45.Warum Bosnien nichts für Tschefuren ist
46.Warum ich am Bahnhof hängen geblieben bin
Jahre später: Warum die Tschefuren in Quarantäne sind
1. Warum ich keinen eigenen Fußballklub habe
Ich habe keinen eigenen Fußballklub! Das geht mir von allem am meisten auf den Sack. Würde ich in Belgrad wohnen, wäre ich Fan von Roter Stern und wäre Zvezdaš. Ein Delija von der Wiege bis zur Bahre! Würde ich in Sarajevo wohnen, wäre ich ein Maniak, ein Fan von Željezničar. Aber hier ist alles verfotzt. Für Olimpija kannst du nicht sein, wenn du für Slovan spielst, so wie ich. Für Slovan kannst du nicht sein, denn das ist tschechisch. Das ist ein Fotzenrauch von einem Klub. Soll ich vielleicht ein Red Tigar werden? Ja, hallo! Was denn noch? Slovan spielt in der nullten Liga. Und das Stadion hat tausend Stehplätze. Olimpija ist ein Klub von Papa- und Mamasöhnchen. Dort spielen nur die Weicheier aus Murgle. Ist ja nicht so, dass ich nicht für Olimpija mitschreie. Aber ein Green Dragon wäre ich für kein Geld auf der Welt. Ich weiß nicht, warum. Ist einfach uncool. Vergiss es. Vielleicht ist das eigentliche Problem, dass ich ein Tschefur bin. Aber gerade weil ich ein Tschefur bin, macht mich das ziemlich fertig, dass ich keinen eigenen Klub habe. Das liegt mir im Blut. Das Bedürfnis nach einem Fußballklub, für den ich mit jedem fighten würde, der einen Scheiß über ihn sagt.
Meine Mitschüler, die Slowenen, scheint das überhaupt nicht zu jucken, dass sie keinen Klub haben. Denen geht das am Arsch vorbei! Aber mich zerreißt das innerlich so, dass ich am liebsten jemanden durchwalken würde. Diese Scheißtradition gibt es hier einfach nicht. Wenn du in Barcelona auf die Welt kommst, kaufen dir deine Alten einen Dress von Ronaldinho, eine Mitgliedskarte vom Klub und nehmen dich sonntags mit ins Camp Nou zum Derby gegen Real, und dann gehst du dein ganzes Leben zu den Spielen. Und wenn du heiratest, gehst du mit deiner Frau zu den Spielen, und dann mit den Kindern und dann mit den Enkeln und so weiter. Und Barca ist für dich ein Heiligtum. Wenn jemand nur Real sagt oder Ronaldo, dann schmierst du ihm eine. Keine unnötigen Fragen. Šamari geri! Wenn du im Dress von Eto’o in die Schule kommst, bist du echt der Zampano. Wenn du den Dress von Raúl anziehst, kriegst du eins auf die Nuss. Nicht so wie in Slowenien, wo du schon der Chef bist, wenn du im Dress von Cime zur Schule kommst. Und mitten auf dem Prešerec kannst du im Dress von Maribor rumlaufen, und dir wird keiner die Schnauze polieren.
Mein Vater, Radovan Đorđić, ist Zvezda-Fan. War ich auch, als ich klein war und mir immer wieder Radovans Kassetten mit den Spielen angesehen habe, als sie Weltmeister waren. Stojanović, Radinović, Najdovski, Šabanađović, Belodedić, Jugović, Prosinečki, Savičević, Binić, Mihajlović, Pančev. Ich hab sie gegen Milan gesehen, als es eins null für Zvezda stand und das Spiel wegen Nebel abgebrochen werden muss- te und sie im Wiederholungsspiel im Elfmeterschießen ausgeschieden sind. Ich hab sie gegen Köln gesehen, als sich Stojanović verletzt hat und der Ersatztorwart Milojević in der zweiten Halbzeit drei Tore kassiert hat. Aber dann haben sie alle der Reihe nach auseinandergenommen und haben den Europapokal geholt. Ranka, was meine Mutter ist, hat mir erzählt, dass bei uns zu Hause das reinste Tollhaus war, die ganze Hütte war voll. Vaters Kollegen, jeder ein alter Tschefur. Die haben so für Zvezda mitgefiebert, dass sie während des Spiels ganz ruhig dagesessen und auch mal was Kluges von sich gegeben haben, aber dann plötzlich explodiert sind: „Gib aaab! Nein, neeeein. Du egoistisches Arschloch! Ich fick dir die Mutter, du blöder Affe! Mach bloß, dass du vom Platz kommst! Warum hat dich dein Vater nicht gegen die Wand gespritzt!“ Und dann philosophieren sie wieder gemeinsam bis zur nächsten Zvezda-Chance. Mein Vater ist ja Bosnier, nur dass er in erster Linie Serbe ist und seit Geburt Fan von Roter Stern und dass er als Fan zu den Spielen nach Belgrad und Sarajevo gefahren ist. Aber ich kann kein Delija sein. Ich weiß nicht, weshalb. Das ist alles arschkompliziert. Ich bin zwar Zvezda-Fan, aber dass das mein Klub wäre, macht für mich überhaupt keinen Sinn. Das macht es für die Belgrader. Wenn du ein Kerl bist, bist du für den Klub deiner Stadt. Aber Ljubljana ist eben eine komische Stadt.
Vielleicht ist es ja deshalb, weil ich ein Tschefur bin. Wäre ich so ein kleiner Slowene, würde ich für Olimpija sein und höchstwahrscheinlich zum Eishockey gehen. Und mein Vater Janez würde ruhig dasitzen und mir erklären, wie Olimpija in den Siebzigern Staatsmeister im Basket wurde und wie die Fußballer in den Achtzigern gegen Roter Stern, gegen den Weltmeister, unentschieden gespielt haben und wie sie dann gegen Milan angetreten sind und wie in dem Spiel Marco van Basten zum letzten Mal gespielt und Olimpija nur drei zu null verloren hat. Denn das ist es. Wenn du erst einmal für einen Klub bist, der Weltmeister gewesen ist, dann kannst du nicht umschalten und dich für unentschiedene Partien, ehrenvolle Niederlagen, Vorrunden der Champions League, den Slowenischen Pokal und Kantersiege über NK Beltinci begeistern. Also wirklich, das geht nicht. Ich habe ja für die Basketballer von Olimpija mitgefiebert, als sie beim Final Four in Rom waren und Panathinaikos mit Dominique Wilkins und Kinder mit Predrag Danilović auseinandergenommen haben. Aber dann haben sie der Reihe nach gegen Krka und Laško verloren, und da ist mir doch die Kinnlade runtergefallen. Hier gibt es keine angeborene Tradition. Ich habe etwas von einem Tschefur in mir. Entweder bist du ein Champion oder du gehst Bleistifte spitzen, wie Radovan immer sagt.
Meine Kumpel sind Fans von Zvezda. Dejan ist Fan. Aco auch. Nur, deren Alte sind aus Serbien. Serbianzen. Wir Bosnier sehen die Sache etwas anders. Radovan gehen die Tschetniks auf die Eier, Arkan und Ceca und Gurović mit der Tätowierung von Draža Mihailović, und dass sie Zvezda zu einem Klub gemacht haben, der genauso wie Olimpija in der Champions League erst noch in der Vorrunde antreten muss. Scheiß drauf. Dejan trägt den roten Fan-Schal um den Hals und fährt ab auf Zvezda-Spiele gegen Finnen, Ungarn, Esten und andere Schwachmatiker. Aco fährt nur auf die Kroaten ab, ich nur auf die Deutschen. Das ist mir von einem Kollegen meines Vaters geblieben, der einmal von Dinamo Zagreb zu Zvezda gewechselt ist und dann erzählt hat,