Fußballkindergarten - Theorie und Praxis. Niklas Lüdemann

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Название Fußballkindergarten - Theorie und Praxis
Автор произведения Niklas Lüdemann
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783840337796



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Betreten des Schulhofs gleicht dem Eintritt in ein Fußballstadion. Der Topstürmer hat den Ball am Fuß, lässt zwei Gegenspieler aussteigen und zieht ab. Der Ball rast in einer fiesen Flugkurve auf den Torwart zu und schlägt schließlich im Tor ein. Der Torschütze zeigt seinen eigens einstudierten Torjubel vor den Fans und läuft dann wieder auf seine Position, um den nächsten Angriff der Gegner abzuwehren.

      Der Unterschied zum echten Fußballstadion besteht lediglich in den Rahmenbedingungen. So ist das Tor mit zwei Schulranzen markiert, der Ball ist aus Plastik und ein Werbegeschenk einer Supermarktkette. Die Fans sind dabeistehende Kinder, die nicht mitspielen wollen oder dürfen. Die Kinder haben während des Spiels auf dem Schulhof die Zeit vergessen. Einige spielen stundenlang, bis sie von ihren Eltern abgeholt werden. Sie haben Spaß am Spiel. Es ist die Einfachheit des Fußballs, die jedem überall die Möglichkeit bietet, teilzuhaben und die bei Kindern eine unbändige Motivation auslöst, das Spiel zu spielen.

      Aus den grundsätzlichen Verhaltensweisen von Kindern im Bambini-, G- und F-Junioren-Alter lassen sich wertvolle und notwendige Ableitungen zum Trainings- und Spielbetrieb in den jeweiligen Altersbereichen gewinnen. Die Kinder im Alter von 4-8 Jahren zeichnen sich grundlegend durch einen hohen Spieltrieb, einen großen Bewegungsdrang, verminderte Konzentrations- und Aufmerksamkeitsspannen und einen umfassenden kreativen Ideenreichtum aus. So haben viele Kinder ein fortwährendes Bedürfnis nach Bewegung und dem freien Spiel. Ihnen fällt es schwer, langen Ausführungen und Erklärungen des Trainers zu folgen.

      Die Aufgabe eines Trainers im Bambini-, G- und F-Junioren-Bereich muss es daher sein, die natürliche Motivation, den Spieltrieb und Bewegungsdrang sowie die Kreativität zu erhalten und zu fördern. Zusätzlich hat der Trainer die Möglichkeit, über eine kindgerechte Vermittlung und Aufgabenstruktur trotz der kurzen Aufmerksamkeitsspanne ein reibungsloses, spaßvolles und wirksames Kindertraining anzubieten.

      Wir, die im Kinderfußball tätig sind, haben eine große Verantwortung gegenüber unseren Spielern. Wir sind es den Kindern schuldig, uns mit ihren Bedürfnissen und Wünschen, ihren Entwicklungsstadien sowie individuellen Verhaltensweisen auseinanderzusetzen und unser Handeln genau wie das Training daran anzupassen. Die Kinder sind es, die im Vordergrund stehen müssen. Wir als Trainer sind aufgefordert, die eigenen Erfahrungen im Fußball und die großen Visionen des Leistungssports nicht als Gradmesser für das eigene Handeln im Kinderfußball zu betrachten.

      Die allermeisten Kinder sind hochgradig eigenmotiviert, wenn es ums Fußballspielen geht. Diese Motivation ist das größte Gut im Kinderfußball. Wir Trainer haben eine Verantwortung den Kindern gegenüber, den Reiz des Fußballspiels zu erhalten und nicht durch das Training zu zerstören. Wir sind nur Helfer und Unterstützer, denn die Kinder wissen auch im jungen Alter schon sehr genau, worauf es im Fußball ankommt. Nämlich darauf, Tore zu schießen und Tore zu verhindern.

      Der nachfolgende Theorieteil geht auf diverse Bereiche des Kinderfußballs ein. Dabei soll vor allem ein Verständnis für die Bedürfnisse der Kinder und die damit einhergehenden Inhalte erzeugt werden. Alle Inhalte entspringen sportwissenschaftlichen Erkenntnissen und umfassenden Praxiserfahrungen. Im zentralen Interesse aller Überlegungen und Empfehlungen stehen dabei die Kinder. Alle Bemühungen im Kinderfußball müssen sich stets am Entwicklungs- und Leistungsstand der Teilnehmer orientieren.

      Das Buch versucht, in diesem Zusammenhang viele Vorschläge und Handlungsoptionen für die Praxis zu geben, um den Trainer zu befähigen, sein Training und sein Verhalten an die Kinder anzupassen. Dabei werden die Bereiche der Motivation, des Trainings, des Spielbetriebs, der Vermittlung, des Trainers und der Praxis berührt. Abschließend soll eine Weiterführung zum Bolzplatzfußball wertvolle Ansätze aus einer langsam schwindenden Spielkultur für die Gestaltung des Kinderfußballs geben.

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       2MOTIVATION

       Es steht 2:1 für das Team von Max. Die Gegner sind im Ballbesitz. Der beste Spieler der Gegner dribbelt auf Max zu und versucht, ihn auszuspielen. Max ist der letzte Mann. Er setzt zur Grätsche an und spitzelt den Ball im allerletzten Moment ins Aus. Erst als er wieder aufsteht, bemerkt Max, dass seine neue Jeanshose nun ein Loch am Knie hat. Er hatte ganz vergessen, dass das Spiel nicht auf dem Sportplatz, sondern auf dem Schulhof stattfindet und dass es gar nicht um die Weltmeisterschaft geht. Verschwitzt, aber glücklich, geht Max vom Feld. Sein Team hat gewonnen.

      Kinder sind grundsätzlich motiviert. Besonders kleinere Kinder spielen zumeist bis zur Erschöpfung, ungeachtet der Rahmenbedingungen. Sie benötigen keine Motivation durch andere Kinder oder Erwachsene. Ihre Motivation ist intrinsisch.

      Intrinsische Motivation entsteht immer dann, wenn keine von der Handlung trennbaren Konsequenzen vorliegen. So sind Neugier, Exploration, Spontanität, Interesse und Freude an der Sache Indikatoren für die intrinsische Motivation.

      Demgegenüber steht die extrinsische Motivation. Sie ergibt sich aus externen Bekräftigungen, Versprechungen und Drohungen. Die intrinsische Motivation ist die stärkste Motivationsform.

      Im Kontext des Trainings geht es also darum, Freude an der Sache zu entfachen sowie den Kindern Möglichkeiten zur Exploration und zur Neugier zu geben. Im Umkehrschluss sollte nach Möglichkeit auf externe Motivatoren verzichtet werden.

      Der Motivation ist im Kontext des Kinderfußballs eine enorme Relevanz zuzuschreiben. Sie ist die Basis für den Lernerfolg, eine langfristige Bindung an den Sport und vor allem für den Übertrag des Fußballs in andere Lebensbereiche. Die intrinsische Motivation, also der Spaß an der Sache, muss stets erhalten bleiben. Auch im Kontext der fußballspezifischen Weiterentwicklung von Kindern sollte der Trainer stets Raum und Möglichkeiten für intrinsische Motivation geben, um die Kinder langfristig für den Fußball zu begeistern.

      In der Detailbetrachtung kann die Motivation durch die psychologischen Basisbedürfnisse soziale Eingebundenheit, Kompetenzerleben und Autonomieerleben genauer erklärt werden. Bei der sozialen Eingebundenheit geht es darum, sich mit anderen verbunden zu fühlen, umsorgt zu werden und für andere zu sorgen. Der Trainer muss demnach sicherstellen, dass die Kinder untereinander eine enge Verbundenheit fühlen und füreinander sorgen.

      Kompetenzerleben meint, die Wirkungsmächtigkeit des eigenen Verhaltens zu spüren und Herausforderungen zu suchen. Auf dieses Basisbedürfnis der Kinder kann der Trainer am stärksten eingehen. Die Art und Schwierigkeit der Aufgabenstellungen darf dabei nicht das Leistungsvermögen der Kinder übersteigen. Über entsprechend lobendes und bestärkendes Verhalten kann der Trainer das Bedürfnis nach Kompetenz bedienen.

      Das Autonomieerleben beschreibt das Gefühl, selbst Ausgangspunkt der eigenen Handlungen zu sein. So sollen die eigenen Interessen berücksichtigt werden und die Handlung als Ausdruck des eigenen Selbst gelten. Der Trainer muss den Kindern demnach Entscheidungs- und Handlungsfreiräume lassen. So können freiheitliche Trainingsformen bemüht werden, Mitsprache in Mannschaftsaufstellungen gewährt werden oder weitere Kompetenz- und Entscheidungsbereiche in die Hand der Kinder gelegt werden.

      Im Hinblick auf die Basisbedürfnisse wird klar, warum Kinder eine grundsätzliche Motivation besitzen, Fußball zu spielen. Das Spiel bedient im besten Fall alle psychologischen Grundbedürfnisse. Es sind zumeist die Trainer, die durch langweilige, einengende und zu schwierige Trainings- und Spielformen die Motivation der Kinder einschränken. In diesem Zusammenhang liegt die Verantwortung beim Trainer, die Motivation der Kinder nie aus den Augen zu verlieren und alle Inhalte auf die Wirkung der psychologischen Basisbedürfnisse soziale Eingebundenheit, Kompetenz- und Autonomieerleben zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen.

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       3TRAINING

       Lenny und Paul warten. Sie stehen mit anderen Kindern ihrer Mannschaft in einer Schlange und warten