Fokus SEIDENPLANTAGE. Paul Fenzl

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Название Fokus SEIDENPLANTAGE
Автор произведения Paul Fenzl
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783954521111



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hatten der Pirzer und die Dirmeier mehr oder weniger zeitgleich das Gefühl, es könnte etwas nicht stimmen und man wolle sie einlullen. Aber in der nächsten halben Stunde, in der Frau Herrmann zu jeder auftauchenden Frage, ohne zu zögern bereitwillig Auskunft erteilte, verschwand dieses Gefühl wieder. Wichtige Listen wurden zur Mitnahme kopiert. Dass bei den Ermittlungen zu einem Mordfall der Datenschutz kein Thema war, stand dabei gar nicht erst zur Debatte.

      Als die beiden Kripobeamten das Anwesen verließen, wussten sie bestens über die Abläufe in der ›Dayspa› in der SEIDENPLANTAGE Bescheid und hatten die Namen aller Kunden und natürlich auch die der Angestellten mit im Gepäck. Natürlich hofften sie, einer dieser Namen würde mit der toten Joggerin in Verbindung gebracht werden können. Damit wäre schnell ein erster Schritt getan, diesen abscheulichen Mord aufzuklären.

      Kapitel 12

      Die Richterin Monika Kranz verband mit der Staatsanwältin Dr. Simone Becker schon seit einer gemeinsamen Studienzeit eine enge Freundschaft, die ihren Anfang allerdings schon viel früher genommen hatte. Inzwischen arbeiteten sie beide sogar dienstlich zusammen.

      Nachdem Frau Dr. Becker die Richterin bezüglich des aktuellen Mordfalls in Kenntnis gesetzt hatte, reagierte diese äußerst geschockt, da sie erst vor wenigen Tagen auf eine Einladung von Frau Petra Herrmann hin einen Wellnesstag im ›Dayspa‹ der SEIDENPLANTAGE genossen hatte.

      Die drei Frauen, Monika Kranz, Simone Becker und Petra Herrmann, kannten sich schon aus Kindertagen, als sie noch, wie man so schön sagt, gemeinsam im Sandkasten gespielt hatten.

      Nachdem die Staatsanwältin die neue Kommissarin im Team vom Köstlbacher Martina Cuscunà in ihr Herz geschlossen hatte und hin und wieder gemeinsam etwas mit ihr nach Dienstschluss oder am Wochenende unternahm, kam es immer öfter vor, dass die Cuscunà auch in dem eingeschworenen Freundinnenkreis zugegen war. So blieb es nicht aus, dass Martina Cuscunà irgendwann eine von ihnen wurde.

      Manchmal schnatterten sie zusammen wie Gänse, vor allem, wenn zu viel Prosecco im Spiel war. Manchmal verschworen sie sich aber auch zu einer vierfach dimensionierten Frauenpower, vor sich vor allem die Männerwelt in Acht nehmen musste.

      »Die Kripo war bei mir«, informierte Frau Herrmann wenige Minuten, nachdem Kommissar Pirzer und Kommissarin Dirmeier die SEIDENPLANTAGE verlassen hatten, telefonisch ihre Freundin, die Richterin.

      »Ich weiß. Simone hat mich bereits angerufen. Sie hatten es eilig, weil ihr ab Montag wegen des Lockdowns euren Betrieb einstellen müsst, und der Kommissar Köstlbacher befürchtet, er könnte dann vor verschlossenen Türen stehen«, antwortete die Richterin. »Unter uns: Hast du etwas zu verbergen? Du klingst so aufgeregt. So kenne ich dich gar nicht.«

      »Nein! Nein, nein! Es ist zurzeit nur alles etwas viel auf einmal. Kaum, dass ich den Laden hier übernommen habe, und er endlich zu laufen anfing, zwingt uns dieser Lockdown in die Knie. Und obendrein noch diese Tote mehr oder weniger vor meiner Haustüre. Nicht gut fürs Geschäft!«, antwortete Petra Herrmann.

      »Simone und ich, wir haben auf deine Bitte hin unser Möglichstes getan, um wenigstens seitens der Presse den Mord so darstellen zu lassen, dass ihr trotz der räumlichen Nähe zum Tatort außen vor bleibt. Was Corona und den Lockdown betrifft, da bin selbst ich machtlos!«, bedauerte Monika Kranz.

      »Ich habe irgendwie ein komisches Gefühl. Keine Ahnung wieso! Vielleicht, weil ich die Ermordete schon öfter gesehen habe. Ich fühle mich in gewisser Weise involviert!«

      »Mach‘ dir keinen Kopf! Der Kollege Köstlbacher klärt bestimmt alles schnell auf. Er ist dafür bekannt, in selbst unlösbar erscheinende Fälle Licht zu bringen. Ich muss jetzt leider abbrechen. Auf der Dienstleitung kommt soeben ein Anruf rein. Wir hören uns! Ich halte dich auf dem Laufenden!«

      »Man sieht sich!«, antwortete Frau Herrmann, ein klein wenig beruhigter. Trotzdem wurde sie ihre Befürchtungen nicht los, was da noch alles auf sie zukommen könnte.

      Kapitel 13

      Es war an einem dieser häufig nebelverhangenen Tage im November 2020. Lina Herwig saß mit einem Glas Wein vor dem Fernseher und lenkte sich mit einer Quizz-Show ab. ›Gefragt – Gejagt‹. Die Sendung lief in diesem Jahr zum letzten Mal. Eventuell sollte es 2021 eine Neuauflage geben.

      Frau Herwig war Sportlehrerin. Ehemalige Sportlehrerin. Als ihr Mann von Berlin an die Uni Regensburg berufen wurde, um dort einen vakanten Philosophie-Lehrstuhl zu übernehmen, blieb ihr nichts anderes über, als ihren eigenen beruflichen Werdegang abzubrechen. In Bayern gehen die Uhren anders. Um hier an staatlichen Regelschulen unterrichten zu dürfen, ist das bayerische Staatsexamen vonnöten. Zum Glück gab es noch andere Betätigungsfelder für eine Sportlehrerin. An der Uni Regensburg wurden traditionell diverse Kampfsportarten angeboten. Da der Kursleiter dafür kurzfristig für längere Zeit ausfiel, nutzte Frau Herwig die Chance und bewarb sich erfolgreich um den befristeten Job. Kampfsport hatte sie während ihres Studiums in Berlin als Kernfach belegt. Selber unterrichtet hatte sie ihn bislang noch nicht. Allerdings beherrschte sie den einen oder anderen asiatischen Kampfsport besser, als so manches erfolgreiche Mitglied einschlägiger privater Kampfschulen.

      Als sie ihren Mann noch nicht kannte, zog sie sogar ernsthaft in Erwägung, sich zu einer Agentin ausbilden zu lassen. Allerdings erschien ihr dieser Gedanke dann doch zu absurd und vor allem zu unvereinbar mit dem, was sie sich vom Leben erwartete: eine Familie, drei Kinder mindestens, gerne auch mehr. Wenn Ursula von der Leyen 7 Kinder haben konnte und trotzdem beruflich nie zurückstecken musste, warum dann nicht auch sie? ›Gefragt – Gejagt‹ war längst vorüber. Die Flasche Wein fast leer. Lina war auf dem Sofa eingeschlafen. Gegen 22:00 Uhr wurde sie wieder wach. Ein Rundumblick und erst ein leiser, dann ein lauter Ruf nach ihrem Mann Klaus machte klar, dass er immer noch nicht zu Hause war. Am Handy war Klaus nicht erreichbar. Ein Anruf in der Uni, wo natürlich um diese Zeit längst keiner mehr vor Ort war, und dementsprechend niemand ran ging, machte klar, dass er eigentlich längst zu Hause sein müsste. Lina war nicht wirklich beunruhigt, da Klaus nach Vorlesungen, Seminaren oder auch nur langen Stunden in seinem Büro oft noch mit Kollegen auf einen Absacker ging, dann sein Auto stehen ließ und ein Taxi nahm. Wobei das mit den Kollegen vermutlich nur ein Vorwand war.

      Lina entschloss sich, nicht weiter auf Klaus zu warten. Sie war müde und ging zu Bett. Sie schliefen schon länger in getrennten Schlafzimmern. Nicht zuletzt deswegen, weil es im Bett ohnehin nicht mehr klappte. Morgen früh würde er wieder da sein. Wie immer. Oder zumindest fast immer.

      Irgendwann in der Nacht schreckte Lina hoch. War da etwas? War Klaus endlich nach Hause gekommen?

      Aber das Schlafbedürfnis war stärker. Sie schlief wieder ein und träumte weiter diesen seltsamen Traum, den sie inzwischen fast jede Nacht hatte und nach dem sie jedes Mal nicht mehr wusste, was nun Realität war, der Traum oder die Wirklichkeit. Am nächsten Morgen, Klaus war wieder zugegen, kam es zwischen ihr und ihm zu einem heftigen Streit. Wie üblich war Linas Eifersucht der Auslöser.

      Kapitel 14

      Am Donnerstag, 12. November, dem vierten Tag des zweiten Lockdowns, war im Präsidium beim Köstlbacher die Hölle los. Mit Corona hatte das nichts zu tun, auch wenn im Moment sich alles nur um diese Pandemie zu drehen schien. Nicht zu vergessen die Präsidentenwahl in den vereinigten Staaten, die Corona zumindest stundenweise den Rang ablief. Das Telefon schien nicht zur Ruhe zu kommen. Unter anderem wurde ein Professor von der Uni als vermisst gemeldet. Allerdings erregte das die Gemüter kaum, zumal diese Meldung seine Ehefrau machte. Egal ob Uniprofessor oder Baggerführer, Männer verschwinden ab einem gewissen Alter gerne einmal für einige Tage und tauchen dann reumütig irgendwann mit einem Blumenstrauß wieder auf.

      Jedenfalls ging diese Meldung spätestens dann völlig unter, als die Forensische Psychiaterin, die im Normalfall im Präsidium als Beraterin und Gutachterin arbeitete, auf die Idee kam, eine weitere Tote, zumindest aber einen Mordversuch, ins Spiel und damit Bewegung in den Fall SEIDENPLANTAGE zu bringen. Gemäß ihres nach neuesten psychologischen Erkenntnissen ausgeklügelten Plans, hatte alles erneut oben gegenüber