Название | EINSICHT in UNerhörtes |
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Автор произведения | Dr. Manfred Nelting |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783949217111 |
Manchmal weinen Babys zur Bewältigung möglicher wiedererinnerter, intrauterin oder durch die Geburt erlittener traumatischer Erfahrungen, wie Pränatal-Experten es ins Spiel bringen. Auch in solchen Fällen, wo es nicht primär um das Stillen von Bedürfnissen geht, gilt es das Baby nicht weinend liegenzulassen, sondern ihm das Weinen auf dem Arm der Mutter oder betreuenden Person zu ermöglichen. Ein Baby regelmäßig länger weinen zu lassen ohne liebevolle Umhüllung (auch in bester Erziehungsabsicht) wirkt in den ersten zwei Lebensjahren meist erneut traumatisch.
Im dritten Lebensjahr
Jetzt also erst einmal zurück zur weiteren Gehirnentwicklung im dritten Lebensjahr. Hier entwickelt sich allmählich die Impulskontrolle sowohl körperlicher als auch emotionaler Impulse, die Vorphase zur späteren Selbststeuerung. Was passiert da im Gehirn?
1.2.2 Impulskontrolle
Im dritten Lebensjahr sind die verlässliche, liebevolle Kommunikation und das Da-Sein von Mutter, Vater, Oma oder einer anderen verlässlichen und empathiefähigen Person weiterhin unabdingbar. Der Kommunikationskreis wird dann meist erweitert, aber die sogenannte dyadische Kommunikation wird von der Hauptperson oder beim Zusammenleben auch durch mehrere Personen wie Mutter, Vater und Geschwister weitergeführt und muss auch bei Fremdbetreuung ermöglicht werden.
Auf der Grundlage der sicheren Bindung wird das Kleinkind im Alltag zunehmend herangeführt, dass eine Sofortbefriedigung nicht immer gleich möglich ist, insbesondere bei mehreren Kindern im Haushalt bzw. auch bei z. B. einer Tagesmutter. Aber die Stillung der Bedürfnisse wird nicht lang anhaltend versagt. Für das Gehirn bedeutet das, dass ein Impuls manchmal eine gewisse Zeit aufgehoben werden muss, bevor die Lösung erfolgt. Diese Herausforderung ist ein Reiz für den oberen Anteil des Stirnlappens und dieser wächst darunter ebenfalls großartig und lernt den Impuls eine Weile zu beherbergen, ohne dass das Kind in allzu großen Stress oder Verzweiflung gerät. Dies gelingt aber nur richtig gut, wenn das Kind sich sicher und aufgehoben fühlt.
Diesen Teil des Stirnlappens im Gehirn nennt man den oberen präfrontalen Kortex (siehe Abb. 2 auf Seite 60).
Beide Teile, also der untere und der obere präfrontale Kortex, müssen gut angeregt und ausgebildet sein, damit die nächste Herausforderung, nämlich die Selbststeuerung, begonnen werden kann.
Die Anforderungen, auch das Setzen von Grenzen im sozialen Miteinander familiär, ggf. bei der Betreuung durch eine Tagesmutter oder auch in einer Kita, haben jetzt ab dem dritten Lebensjahr in ansteigendem, aber immer angemessenem Maße wichtige Bedeutung. Das Kind beginnt jetzt an Herausforderungen im Spiel oder bei der Rahmensetzung durch die Eltern seine Selbstwirksamkeit und seine aktuellen Grenzen wahrzunehmen und in seiner Impulskontrolle zu wachsen.
1.2.3 Selbststeuerung
Selbststeuerung ist dann ab dem Alter von 3 Jahren, also vom vierten Lebensjahr an eine lebenslange Aufgabe, deren erfolgreiche Bewältigung und lebensgestaltendes Potenzial aber besonders von dem Beginn im vierten und fünften Lebensjahr abhängt. Bei gutem Gelingen in liebevollem, aber auch passend herausforderndem Umfeld bildet der präfrontale Kortex insgesamt seine Selbst-Steuerungsfunktion immer weiter aus und dehnt sie insbesondere auf die Fähigkeit der Wahl, das Planen mit allmählicher Einbeziehung von zeitlich späteren Zielen und der Entwicklung der intrinsischen Motivation (siehe Kapitel 5, Spielen).
Was heißt Selbststeuerung?
Idealtypisch möchte ich das so beschreiben: Ein Kind kann im Laufe des vierten Lebensjahres allmählich immer besser warten, bis seine Impulse erfüllt werden. Die Kinder quengeln und drängeln sicherlich immer wieder, schreien auch mal wütend, aber sie kommen mit dem Warten zunehmend zurecht, ohne dass übermäßiger Stress entsteht. Es bildet sich eine sogenannte Frustrationstoleranz aus, zu der aber die Erfahrung gehört, dass die Bedürfnisse meist später doch befriedigt werden. Vielfach können die Kinder dann schon erkennen, dass das Warten auch Vorteile bringt oder so etwas wie eine erste Vorfreude auftritt.
Das Kind kann dann z. B. beginnen, erste Pläne in der Vorstellung zu machen und das Ganze später ausprobieren. Parallel dazu kann eine erste Umsetzung bereits in der Fantasie und auch im Spiel stattfinden, bevor es dann tatsächlich stattfindet. Beispielsweise kann das Kind erst einmal die Puppe füttern, wenn die Mutter/der Vater das Essen noch nicht fertig hat.
Dazu gehören aber verlässliche Eltern, sonst wird die zeitweilige Frustration zur Bedrückung. Aber verlässliche Eltern können auch „Nein“ sagen, wenn es sinnvoll oder notwendig ist und das Kind kann mit der Klarheit der Eltern, wenn sie sich auch verlässlich auf das „Ja“ erstreckt, gut leben.
Diese Zeit ist an sich märchenhaft, die Kinder leben in einer Märchenwelt, bevor sie dann im sechsten/siebten Lebensjahr von sich aus mehr in die reale Alltagswelt mit ihren Anforderungen eindringen wollen, da unbändige Neugier sie treibt. Dann ist das Gehirn bereit dafür und kann es beginnend fassen.
Bis dahin gilt es, die Kinder immer wieder auch in dieser Märchenwelt zu lassen oder sie auch mit ihnen zu erleben. Für den Alltags-Realismus bleibt noch genug Zeit, man muss ihn in den ersten Jahren nicht überstrapazieren, weil er Kinder in seiner rationalen Erfassungsnotwendigkeit leicht überfordert. Denn Kinder denken noch nicht vernünftig, vielleicht manchmal schon in Ansätzen, aber das macht sie ja auch als Kinder aus und ermöglicht ihnen ihre Eroberung der Welt ohne übergroße Handlungshemmung durch zu viel (kaum zu bewältigende) rationale Abwägung.
Mancher mag glauben, ich übertreibe mit der Ausdehnung der Zeitphasen und sieht für sich und seine Kinder schnellere Phasenabläufe. Aber uns will vieles anders scheinen, wenn noch nicht klar ist, wie es entsteht.
1.2.4 Trotzphase
In der Zeit des beginnenden Wahrnehmens eines eigenen, von der Mutter unterscheidbaren „Ichs“ ist es normal, dass das Kind die Möglichkeiten des Ichs ausprobieren will. Dies findet insbesondere im dritten und vierten Lebensjahr, individuell auch später statt.
Nun sind die Kinder sehr verschieden und agieren sehr unterschiedlich in dieser Zeit und in eben ihrer speziellen Familie. Es kommt auch darauf an, wie gut Impulse schon kontrolliert werden können. Manche Kinder sind sehr offensiv und loten die Möglichkeiten und Grenzen sehr offensiv aus, was Eltern manchmal an den Rand ihrer Kräfte, Wirksamkeit und ihrer emotionalen Balance bringen kann, wieder andere machen dies kaum wahrnehmbar für die Eltern. Hier kommt es darauf an, dass Eltern diese Phase ihres Kindes akzeptieren und möglichst auf die Seele des kleinen Kindes passend reagieren lernen.
Das heißt u. a. auch, dass sie zaghaften Kindern gute Räume zum Ausprobieren und offensiven Kindern Räume und gute Grenzen für ihr Ausagieren geben. Unter anderem ist es wichtig, dass man bei den offensiven Kindern sehr darauf achtet, wann sie müde werden, weil sie dann oft noch mal ein Furioso starten und kaum mehr erreichbar sind. In der Folge ist die Gefahr für die Eltern, dass sie das z. B. dann schreiende und sich wehrende Kind auch anschreien und nur mit einer gewaltigen Kraftanstrengung und ggf. einem Ärger auf das Kind (es reagiert nicht mehr, weil es nicht mehr reagieren kann) ins Bett bringen können. Das erleben aber auch die gelassensten Eltern in dieser Phase immer wieder mal.
Im Alltag